herzenstueren
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Leichtsinn hat was mit Vertrauen zu tun: in sich selbst, in die Zukunft, darauf, dass alles gut wird.
BRIGITTE-Autorin Anja Jardine über ein Lebensgefühl, das glücklich macht. - Auszug aus dem Artikel... ist es Wert zu lesen , ist es Wert zu LEBEN!
"Eine solche (leichtsinnige) Lebensart provoziert und fasziniert. Verwandte, Freunde, Ex-Ehemänner stehen da und rufen: "Das kannst du doch nicht einfach so machen!" Denn das vor allem nimmt man ihr übel: dieses "Einfach so machen". Einfach so drauflosleben. Es gilt doch abzuwägen und gründlich zu prüfen, sich rückzuversichern und die Konsequenzen zu bedenken. Zumal wir nicht allein sind auf der Welt. Es gibt Verpflichtungen und Verantwortung.
Doch in jedem von uns nagt tief verborgen die Erinnerung an ein bestimmtes Gefühl. Lange her, man konnte gerade so laufen, und eines Tages an einem Hang, einer abschüssigen Wiese war da plötzlich dieser unbezwingbare Drang loszurennen, volle Kraft voraus - so schnell die Beine tragen. Die Arme weit ausgebreitet - zum Flug bereit, und in der Brust explodierte die Lebensfreude. Nicht den Funken eines Gedankens an Stacheldraht, Graben oder Stolperstein, die dem Rausch ein jähes Ende setzen könnten. Von der Verwundbarkeit noch keine Ahnung, die Sinne hingegen: federleicht.
Vom feierlichen Leichtsinn sprach Horaz, Goethe vom göttlichen, und Marcuse hat den Leichtsinn "die letzte Spur des Paradieses im Alltag" genannt.
Wir hingegen verstehen Leichtsinn heute anders: "Leichtsinnige Urlauber in den Alpen verunglückt", "Leichtsinniger Umgang mit Uran" - so in der Art.
Sobald Leichtsinn im Spiel ist, sind die Versicherungen fein raus. Das leuchtet ein: Wer in Sandalen auf Achttausender klettert, den Feuerwerkskörper im Wohnzimmer zündet oder mit 200 Sachen durch Nebel rast, ist leichtsinnig im Sinne von fahrlässig oder gemeingefährlich. Ungeduld, Selbstüberschätzung oder mangelnder Respekt vor Natur und Mitmensch sind hier die Wurzeln und kein leichter Sinn. Denn der verdrängt das Risiko nicht, sondern nimmt es bewusst in Kauf.
Es mag folgenden Hintergrund haben, dass momentan überall von Lähmung die Rede ist: Wir Menschen scheuen nicht das Risiko, sondern den Verlust. Das ist ein fundamentaler Unterschied, denn es bedeutet, dass wir nur so lange risikoscheu sind, wie wir einen Besitzstand zu bewahren haben.
Vor diesem Hintergrund lässt sich vielleicht auch begreifen, warum der Jugend ein gewisser Leichtsinn zu eigen ist. In Hesses Erzählung "So schön war die Jugend" verliebt sich der junge Protagonist übergangslos in eine nach der anderen. Und er sinniert: "ich belud jeden mit einer goldenen Hoffnung und sah im Überschwang jeden kommen und gehen, ohne ihn halten zu wollen..." Jeden mit Hoffnung beladen und niemanden halten wollen.
Mehr Gegenwart ist nicht.
Leichtsinn erlaubt es, sich zu verschenken. Er erlaubt es, sich dem Moment hinzugeben. Im Gegensatz zur Schwermut, die in der Vergangenheit weilt, die Vergänglichkeit beweint, die Zukunft fürchtet. Heutzutage, da die globale Kommunikation das ganze Weltgeschehen an uns heranträgt und für alles unsere Aufmerksamkeit und Teilnahme einfordert, haben viele Menschen Angst. Rezession und Terrorismus, Arbeitslosigkeit und Altersversorgung. Der Handlungsdruck ist ungeheuerlich, doch wir sind überfordert, blicken nicht mehr durch. "Die Verhältnisse, in denen man sich vorfindet", schreibt der Philosoph Rüdiger Safranski, seien "waldartig". Uns geht es nicht anders als unseren Urahnen im Dickicht des Dschungels. Es sei an der Zeit, "eine Lichtung zu schlagen", "sich am Ort der gegenwärtigen Verirrung niederzulassen". Und zwar "unbekümmert um Ursprung und Ziel".
Nichts anderes bedeutet Leichtsinn. Es geht um den "Triumph des Anfangenkönnens an Ort und Stelle, hier und jetzt".
Die Zeit ist reif.
Im Zweifel also frohen Herzens von Schlamassel zu Schlamassel wie die Tante. Wenn sie mal wieder eine Liebe vor die Wand gefahren hat, schluckt sie. Und liebt hemmungslos aufs Neue. Übrigens hat sie jetzt im Internet die ganz große Liebe getroffen. Wie es aussieht, will sie zu ihm in die Berge ziehen, den Job hat sie jedenfalls unverzüglich an den Nagel gehängt. "
leicht-sinn-ig(st)en gruß!
herzenstueren
ps: leichtsinnige Beiträge gefragt und erwünscht!
BRIGITTE-Autorin Anja Jardine über ein Lebensgefühl, das glücklich macht. - Auszug aus dem Artikel... ist es Wert zu lesen , ist es Wert zu LEBEN!
"Eine solche (leichtsinnige) Lebensart provoziert und fasziniert. Verwandte, Freunde, Ex-Ehemänner stehen da und rufen: "Das kannst du doch nicht einfach so machen!" Denn das vor allem nimmt man ihr übel: dieses "Einfach so machen". Einfach so drauflosleben. Es gilt doch abzuwägen und gründlich zu prüfen, sich rückzuversichern und die Konsequenzen zu bedenken. Zumal wir nicht allein sind auf der Welt. Es gibt Verpflichtungen und Verantwortung.
Doch in jedem von uns nagt tief verborgen die Erinnerung an ein bestimmtes Gefühl. Lange her, man konnte gerade so laufen, und eines Tages an einem Hang, einer abschüssigen Wiese war da plötzlich dieser unbezwingbare Drang loszurennen, volle Kraft voraus - so schnell die Beine tragen. Die Arme weit ausgebreitet - zum Flug bereit, und in der Brust explodierte die Lebensfreude. Nicht den Funken eines Gedankens an Stacheldraht, Graben oder Stolperstein, die dem Rausch ein jähes Ende setzen könnten. Von der Verwundbarkeit noch keine Ahnung, die Sinne hingegen: federleicht.
Vom feierlichen Leichtsinn sprach Horaz, Goethe vom göttlichen, und Marcuse hat den Leichtsinn "die letzte Spur des Paradieses im Alltag" genannt.
Wir hingegen verstehen Leichtsinn heute anders: "Leichtsinnige Urlauber in den Alpen verunglückt", "Leichtsinniger Umgang mit Uran" - so in der Art.
Sobald Leichtsinn im Spiel ist, sind die Versicherungen fein raus. Das leuchtet ein: Wer in Sandalen auf Achttausender klettert, den Feuerwerkskörper im Wohnzimmer zündet oder mit 200 Sachen durch Nebel rast, ist leichtsinnig im Sinne von fahrlässig oder gemeingefährlich. Ungeduld, Selbstüberschätzung oder mangelnder Respekt vor Natur und Mitmensch sind hier die Wurzeln und kein leichter Sinn. Denn der verdrängt das Risiko nicht, sondern nimmt es bewusst in Kauf.
Es mag folgenden Hintergrund haben, dass momentan überall von Lähmung die Rede ist: Wir Menschen scheuen nicht das Risiko, sondern den Verlust. Das ist ein fundamentaler Unterschied, denn es bedeutet, dass wir nur so lange risikoscheu sind, wie wir einen Besitzstand zu bewahren haben.
Vor diesem Hintergrund lässt sich vielleicht auch begreifen, warum der Jugend ein gewisser Leichtsinn zu eigen ist. In Hesses Erzählung "So schön war die Jugend" verliebt sich der junge Protagonist übergangslos in eine nach der anderen. Und er sinniert: "ich belud jeden mit einer goldenen Hoffnung und sah im Überschwang jeden kommen und gehen, ohne ihn halten zu wollen..." Jeden mit Hoffnung beladen und niemanden halten wollen.
Mehr Gegenwart ist nicht.
Leichtsinn erlaubt es, sich zu verschenken. Er erlaubt es, sich dem Moment hinzugeben. Im Gegensatz zur Schwermut, die in der Vergangenheit weilt, die Vergänglichkeit beweint, die Zukunft fürchtet. Heutzutage, da die globale Kommunikation das ganze Weltgeschehen an uns heranträgt und für alles unsere Aufmerksamkeit und Teilnahme einfordert, haben viele Menschen Angst. Rezession und Terrorismus, Arbeitslosigkeit und Altersversorgung. Der Handlungsdruck ist ungeheuerlich, doch wir sind überfordert, blicken nicht mehr durch. "Die Verhältnisse, in denen man sich vorfindet", schreibt der Philosoph Rüdiger Safranski, seien "waldartig". Uns geht es nicht anders als unseren Urahnen im Dickicht des Dschungels. Es sei an der Zeit, "eine Lichtung zu schlagen", "sich am Ort der gegenwärtigen Verirrung niederzulassen". Und zwar "unbekümmert um Ursprung und Ziel".
Nichts anderes bedeutet Leichtsinn. Es geht um den "Triumph des Anfangenkönnens an Ort und Stelle, hier und jetzt".
Die Zeit ist reif.
Im Zweifel also frohen Herzens von Schlamassel zu Schlamassel wie die Tante. Wenn sie mal wieder eine Liebe vor die Wand gefahren hat, schluckt sie. Und liebt hemmungslos aufs Neue. Übrigens hat sie jetzt im Internet die ganz große Liebe getroffen. Wie es aussieht, will sie zu ihm in die Berge ziehen, den Job hat sie jedenfalls unverzüglich an den Nagel gehängt. "
leicht-sinn-ig(st)en gruß!
herzenstueren
ps: leichtsinnige Beiträge gefragt und erwünscht!