Also wenn ich es aus dem Psychologiebuch richtig in Erinnerung habe, dann bildet sich Urvertrauen im ersten Jahr des Lebens. In Abhängigkeit von der empfangenen Fürsorge entwickelt das Kind ein grundsätzliches Vertrauen zur Umwelt. Dieses nennt man "Urvertrauen". Sozusagen die Grundeinstellung, das Grundgefühl für jeden Moment: Ja, es wird schon nichts schlimmes passieren.
Empfängt das Kind demnach diese elterliche Fürsorge, die das Urvertrauen schafft, nicht, dann entwickelt sich im Kind Argwohn, Furchtsamkeit und Mißtrauen. Man darf getrost annehmen, daß dem Kind dann auch diese Gefühle von elterlicher oder geschwisterlicher Seite entgegengebracht worden sind.
Als Beispiel sei mal das 2. Kind genannt, das dem ersten Kind den Rang in der elterlichen Aufmerksamkeit abläuft durch seine Geburt. Das erste Kind ist ja ebenfalls in einer Entwicklungsphase, in einer späteren. Und in Abhängigkeit von der Entwicklungsphase wird es dann unterschiedliche Auswirkungen durch die Geburt des 2. Kindes erleben. Um mit diesen umzugehen kann es z.B. sein, daß das 2. Kind mit dem 1. Kind nicht fürsorglich umgeht. Zum Beispiel auch dann, wenn die Eltern aus guter Absicht heraus das ältere Kind mit dem "Aufpassen" auf das jüngere Kind beauftragen, obwohl das 2. Kind diese Leistung noch gar nicht aus eigener Kraft heraus bringen kann. Es muß also scheitern und das Gefühl haben, "es" nicht richtig zu machen. Dadurch wird sein Urvertrauen bezweifelt, die eigene Autonomie und Selbständigkeit wird in Frage gestellt und schon wird das 2. Kind in einer stillen Stunde seinen "Frust" an das 1. Kind weitergeben.
Eine andere Störung des Vertrauens in die Umwelt düfte das "Schreienlassen" verursachen, das wir alle wohl kennen. Eine wie sich herausstellte veraltete Vorstellung, daß das Schreien die Lungenentwicklung des Kindes förderte, hat sich da in einem elterlichen unmenschlichen Verhalten festgefressen. Ich habe noch keinen Vogel gesehen, der 1 Meter von seinem Nest mit den schreienden Küken gemütlich ferngesehen hätte, sondern der Vogel versteht, was das Kind will. Wir Menschen sind da bestimmt ebenso fähig, aber leider gibt es für Eltern keinen Führerschein. Daher können wir getrost davon ausgehen, daß wir durch das elterliche Verhalten in unserem Urvertrauen eingeschränkt sind. Hier können wir dann durch eine Einstellungsänderung wenigstens zum Teil "nachholen", indem wir kognitiv die Umstände unserer frühen Kindheit verstehen. Aber ich glaube nicht, daß man Urvertrauen jemals so fühlen wird wie ein Einzelkind, dessen Eltern stets und laufend für es da waren und dabei dann viel richtig gemacht haben.
"Die Qualität der Famlie". Ein schönes Thema, eigentlich, aber wenn man mal in's eigene Eingemachte geht, kann das auch erst mal belastend sein.
lg