Für mich war das früher auch schwer nachvollziehbar, wozu teilweise sogar illegale Aktionen von Umweltaktivisten gut sein sollen. Ich war entsetzt, als eine mir näher bekannte grüne Politikerin und mittlerweile Stadträtin und Chefin des Polizei-Präsidiums der Stadt vor mir und ein paar anderen Umweltschützern schwärmte, was sie alles an illegalen Aktionen gemacht haben, um politisch auf Umweltthemen aufmerksam zu machen. Greenpeace ist ja auch dafür bekannt.
Es funktioniert halt als Anstoß, auch wenn ich die Mittel manchmal bedenklich und grenzwertig finde. Doch die Medien greifen es wohl auch nur deshalb auf, weil es genug verrückt ist. Ich kam jedenfalls nicht an bei einem anderen Umweltproblem, mit meiner sachlichen Art und langweiligen Aktion.
Oh, ich finde allgemein diverse Aktionen wichtig und richtig - auch mitunter illegale Aktionen. Man bedenke z.B. wie die Besetzung des Hambacher Forsts die Aufmerksamkeit auf den Braunkohle-Abbau gelenkt hat, bzw. dass dieser schleunigst gestoppt werden muss.
Dass FfF eine Sängerin wegen ihrer Frisur - angeblich
kulturelle Aneignung - ausgeladen hat, hat aber weder einen Anstoß zum Klimaschutz gegeben, noch hat es irgendwie den allgemeinen Rassismus aufgezeigt, vermindert oder bekampft, sondern DAS war nur ein mMn lächerlicher Versuch "alles 100% richtig" zu machen.
Bei solchen Aktionen kommt es auch immer drauf an, wen es trifft. Extinction Rebellion hatte vor einiger Zeit mal eine Aktion, in der Aktivisten sich Flugtickets kauften, den Abflug aber verzögerten, indem sie kurz vom TakeOff aufstanden und ein Statement abhielten, dass sie eben nicht mehr fliegen wollen wegen der Klimaschädlichkeit. Pro betroffenen Flug waren es meines wissens immer zwei Aktivisten; einer, der die Aktion durchführte, und einer der jeweils Filmte, um das später zu veröffentlichen. Was bewirken sie damit? Sie liefern u.a. Futter für die Gegenseite, die dann mit Schaum vorm Mund jammern: "
Die wollen die Öko-Diktatur.", oder: "
Die wollen uns alles verbieten." Ob man der Sache dient, wenn man dieses Futter liefert, sei dahin gestellt.
Da ich gerade auch von der "Gegenseite" spreche: Damit meine ich all die Menschen, die den menschengemachten Klimawandel leugnen oder verharmlosen, oder die sonstwie den Klimaschutz ausbremsen wollen, eben weil sie Angst vor einer
Öko-Diktaur o.ä. und einem damit einhergehenden gefürchteten Verlust von Lebensstandard für sich haben. Diese Leute argumentieren nämlich mitunter paradox: Auf der einen Seite fürchten sie eben die
Öko-Diktatur und bejammern alles, was ihrer Ansicht nach in diese Richtung geht, auf der anderen Seite werfen sie einem dann Heuchellei vor, wenn man eben nicht 100% perfekt ist - z.B. wenn Greta Thunberg ein Sandwich in einer Plastiktüte verpackt hat. "Perfektion" ist in Augen der Gegenseite böse, weil Öko-Diktatur und verminderter Lebensstandard etc., Nicht-Perfektion ist da aber auch böse, weil angebliche Heuchelei. "Was denn nun?", möchte ich diesen Menschen dann gerne entgegenrufen.
Da bleibt wieder die Frage: Womit erreicht man mehr? Erreichen eine handvoll Menschen, die es schaffen 100% perfekt klima- und umweltfreundlich zu leben, und die die Klima- und Umweltsünden - auch die kleinen - aller anderen Menschen aufzeigen und scharf mit-anklagen mehr? Oder erreichen viele Menschen, die sich eingestehen, dass (sofortige) Perfektion sehr schwierig bis unmöglich ist? Erreichen Aktivisten mehr, die auch auf die Frisur der auftretenden Künstler achten, damit auch ja kein Hauch von Rassismus reingedeutet werden könnte, oder erreicht eine Greta Thunberg mehr, die auf einer langen Zugfahrt sich ein Sandwich aus einer Plastik-Verpackung zubilligt und damit implizit auch zeigt, dass sie weiß, dass es 100%ige Perfektion nicht gibt?
Meiner Ansicht nach erreicht man mit letzterem mehr. Während sowohl die Aktivisten, die alles sofort 100% perfekt machen wollen, als auch die "Gegenseite", die sich wegen vereinzelter und vergleichsweise kleiner Sünden echauviert und versucht angebliche Heuchelei daran festzumachen, eher lächerlich machen und nichts wirklich erreichen denke ich.
Dass Greta Thunberg das übrigens auch explizit weiß und durchaus differenzierte Ziele hat und keine totale Öko-Diktatur im Sinn hat, zeigte übrigens ein Interview im schwedischen Fernsehen, was ich vor einiger Zeit mal gesehen habe. Leider finde ich das in den Mediatheken nicht mehr. Es ging dabei um ihre Aktion, dass sie mit dem Segelschiff den Atlantik überquerte, weil sie nicht mit dem Flugzeug reisen wollte. Sie wurde drauf angesprochen, dass sie dafür auch scharf kritisiert wurde, weil es einigen "zu extrem" war. So weit ich mich erinnere (und das Schwedisch verstanden habe) war ihre Antwort: "Ich fordere selbstverständlich nicht, dass sämtliche Flugreisen ab sofort gestoppt werden müssen, und dass alle nur noch in Segelbooten den Atlantik überqueren dürfen. Es ist nur das Zeichen, dass ich persönlich nicht mehr mit dem Flugzeug reisen will."