Hallo Honigküchlein,
honigküchlein;4587551 schrieb:
Ich habe den Eindruck meinen Radix und mich selbst mittlerweile ziemlich gut zu kennen, daher weiss ich nicht ob aus meinem Horoskop noch etwas "Neues, Unbekanntes" zu entdecken ist..
Vermutlich schon ... abgesehen von der großen Zahl möglicher Deutungskonstrukte gibt es ja auch den eigenen "blinden Fleck" in der Wahrnehmung, der uns zum Beispiel indirekt begegnet in Form von Erfahrungen, die wir uns nicht wirklich befriedigend erklären können. Da können dann auch fremde Blicke aufs eigene Horoskop die "Bekanntschaft mit sich selbst" vertiefen und bereichern helfen.
honigküchlein;4587551 schrieb:
Aber ich gebe zu, Neptun ist in meinem Horoskop sicherlich der Aspekt, der für mich am schwierigsten zu erfassen ist.
Dass Neptun überhaupt nicht zu erfassen wäre im Sinne von "in den Griff bekommen", ist eine nichtssagende Plattitüde das gilt schlussendlich für alle Planeten. Jeder einzelne hat unendlich mehr Nuancen als ich für mich gerade herausfiltere. Jede Deutung ist zugleich auch Fokussierung, und jede Fokussierung schärft den Blick auf das Eine um den Preis, zugleich das Andere aus dem unmittelbaren Blickfeld zu verlieren. Neptun steht halt so eine meiner Fokussierungen auch für das, was meinen Verstand übersteigt, nicht wegen meiner Dummheit, sondern weil der menschliche Verstand nicht über die Grenzen des ihm Denkbaren hinausreicht und weil die Welt nicht an diesen Grenzen endet.
honigküchlein;4587551 schrieb:
Ich merke auch immer öfters wie trügerisch Neptun tatsächlich ist. Das ist ja sein Merkmal/bzw. die grösste Gefahr bei ihm schlechthin, aber wenn man das an sich selbst erlebt, ist es nochmals eine ganz neue Erfahrung.
Trügerisch klingt (für mich) ein wenig anklagend ... aber was da trügt, ist meine Illusion, ich hätte einen neptunischen Aspekt im Griff gehabt, etwas verstanden, was von vornherein den Verstand übersteigt, übersteigen muss. Das 12. Haus, das neptunische, ist ja nicht umsonst auch mit Irrenhäusern verbunden ... oder mit Gefängnissen: Ich spüre deutlich, wie ich in meinen Grenzen eingesperrt bin. Neptun blüht auf, wo das Unsagbare anders wirken darf, anders als in Begriffen, Zugriffen ... in der Musik zum Beispiel, in den bewegenden Augenblicken, in denen ich zu verschmelzen scheine mit dem, was mich umgibt und das kann ein tiefes Naturerleben ebenso sein wie eine spirituelle Erfahrung oder eben auch die Ekstase einer sexuellen Verbindung, die für einen flüchtigen Augenblick die Grenzen zwischen mir und dir verschwimmen lässt, die Zeit zeitlos macht. Und ich habe absichtlich geschrieben: zu verschmelzen
scheine ... es mag trügerisch wirken, wie eine Illusion, wie ein schlechter Scherz, wenn ich aus solchen Augenblicken ohne Zeit wieder eintauchen muss in die Zeit. Daran ist nicht Neptun schuld, das hat eher damit zu tun, was Goethe im "Faust" ausgedrückt hat: Der Faust ist des Teufels, wenn er sich vom Augenblick wünscht: "Verweile doch, du bist so schön..." Da kann der Neptun leicht zum Motor des rastlosen Getriebenseins werden, wenn er als Bestreben gelebt wird, diese Ahnungen der All-Verbundenheit nicht als kostbare Geschenke im Hier & Jetzt zu nehmen und zu genießen, sondern sie mit großem seelischem Druck zu suchen und sich mehr, immer mehr davon einzuverleiben. So kann NE zum Suchtplaneten werden. Zum Träger illusionärer Verheißungen, trügerischer Verlockungen, fataler Versprechungen.
honigküchlein;4587551 schrieb:
Neptun wird denke ich oft unterschätzt. Da er so leise und hintergründig wirkt, wird man dazu verleitet zu glauben, seine Wirkung sei eher schwach. Dabei ist oft das Gegenteil der Fall. Sein Einfluss kann unermesslich sein.
Um die neptunische Kraft wusste schon Lao Tse, als er vom Wasser schrieb, dem nichts widerstehen könne. Neptun ist unsere Verbindung zum All-Einen, wie immer wir das in unserer Vorstellung unvollkommen konstruieren mögen, und wenn das nicht Kraft haben sollte, was dann? Damit gut umzugehen, ist meines Erachtens nicht zuletzt auch eine Frage des Vertrauens. Des Ur-Vertrauens, wenn man will. Des ahnenden Wissens, dass ich
mit Neptun leben und
gegen ihn nur verlieren kann. Ein Wasser-Bild dazu wäre: Im Fluss sein. In den Übungen des Tai Chi oder des Qi Gong findet das Ausdruck das Fließen mit der Kraft.
honigküchlein;4587551 schrieb:
Auch trügerisch bei Neptun finde ich folgendes: Neptun soll ja Mars-Kräfte schwächen und ein zielgerichtetes, konkretes Handeln erschweren. Das sehe ich auch so, die Ziele sind diffus und vernebelt, das Sich-Verzetteln oder in-Passivität-verfallen kann leichter passieren.
Ziele, das was wir als Ziele deklarieren, das sind Orientierungen in "dieser Welt", und das Neptunische schließt diese Welt ein, verbindet aber zugleich mit Allem und All-Einem. Für Neptun sind meine Ziele eine quantité negligeable.
MA und NE ... immerhin geht der Zyklus des Tierkreises aus 12 in 1 über, vom Neptunischen direkt hinein ins Marsische. Ich kann das Neptunische ja nicht ausklammern aus meinem Leben ... es geht immer übers Realisieren, übers Wirklichkeit werden lassen, übers Tun, und das beginnt mit 1. Das Numinose vermittelt sich über einen Impuls, inkarniert sozusagen über MA in unsere vierdimensionale Welt aus Raum und Zeit. Wenn damit Ziele verbunden sind, dann kommen die erstmal aus dem Neptunischen ... und entwickeln sich weiter, mit allen Zutaten, die ihnen unsere bewussten und unbewussten Steuerungen draufpacken.
Es gibt ein schönes Buch von Herrigel, "Zen und die Kunst des Bogenschießens", in dem er verschiedene Zen-Disziplinen und ganz besonders jene des Bogenschießens beleuchtet. Zen ist nach meiner Erfahrung eine zutiefst neptunische Zuwendung zu allem, was wir für Welt halten ... und das Bogenschießen hat in symbolisch besonders ausdrucksstarker Weise mit Zielen zu tun. Ohne MA fände kein einziger Pfeil in sein Ziel. Der bogenschießende Zen-Meister trifft, wenn er im Augenblick des Schusses (MA) eins wird (NE) mit dem Ziel (JU) (astrologische Zuweisungen aus meinem Bauchgefühl), und er schießt nicht dann, wenn er meint, gut genug gezielt und die nötige Ruhe in seiner Kraft zu haben, sondern der Pfeil löst sich von der Sehne im Augenblick des Einswerdens im Gesamtsystem dieses Schusses. Nicht "er" schießt, sondern "es" schießt. Das Ziel ist keine Hauptsache, sondern nur eine Systemkomponente, so wichtig oder unwichtig wie alle anderen Komponenten auch.
honigküchlein;4587551 schrieb:
Aber wenn es um Libido und Sexualität geht finde ich, hat Neptun interessanterweise eine gegenteilige Wirkung und kann eine enorme Luststeigerung bewirken gepaart mit Mystik, Imagination, manchmal auch Ekstase oder Wollust.
Das ist der Weg zur Sucht: die enorme Luststeigerung als etwas Bewirktes zu sehen. Da lockt der nächste Schritt, Neptun quasi in den Dienst zu nehmen und für die Luststeigerung einzuspannen.
Ich meine auch, dass Libido und Sexualität nicht wesentlich mit NE zu tun haben ... wenn in den kürzeren oder längeren Momenten der Ekstase diese wundervolle Erfahrung des Aufgehens in etwas Weiterem Leib und Seele berührt, dann ist der Sex, der Orgasmus quasi die materielle Basis eines himmlischen Geschenks. Wenn ich dann diverse Anleitungen sehe, wie man/frau zum "kosmischen Orgasmus" gelangen könne, wird's teilweise kabarettistisch, und der neptunische Frust ist bei solchen Turnübungen schon vorgezeichnet. Was kein Wort gegen tiefe spirituelle Wege gesagt haben möchte, denen es um existenzielle Erfahrung und nicht um Techniken zur Luststeigerung geht.
honigküchlein;4587551 schrieb:
Mir kommt dabei unwillkürlich der Gedanke, dass ich bei diesem Aspekt dazu aufgefordert wäre, mich in meiner Sexualität weg von etwas urmenschlichen-animalischem hinzu etwas 'reinem', höherem, vielleicht sogar zu sexueller Askese hin zu entwickeln. Und das behagt mir nicht.. Aber gut möglich dass ich es einfach falsch verstehe..?
Ich meine, so ein Unbehagen wäre berechtigt. Sex ist nichts Unreines, und das Animalische daran hat nur damit zu tun, dass wir eben Tiere mit einer dünnen Kruste von Bewusstsein sind, unter anderem. Gerade beim Neptunischen versagen ohnedies alle Gebrauchsanleitungen. Ich hab's zum Beispiel so erfahren, dass mir diese wundervollen Momente des Empfindens einer All-Verbundenheit im Sex gerade dann geschenkt werden, wenn ich alle bewussten "Praktiken", alle Versuche, etwas zu bewirken, hintanstelle und dem Tier in mir seinen Spielraum lasse. Das hat vielleicht mehr Ahnung vom All-Einen als meine Schulweisheit ...
honigküchlein;4587551 schrieb:
Viellieber wäre mir, ich würde es schaffen, dass sich Mars und Neptun "in mir" die Hand reichen und eine Symbiose eingehen, die schöpferisch und befriedigend ist. Wichtig: Die körperliche Sexualität macht mich glücklich, aber mein intensives Kopfkino zusammen mit den starken Energieströmen in mir machen mir manchmal zu schaffen.
Das Entgrenzende des Neptunischen ist freilich eine starke Herausforderung. Dass ich Grenzen habe, ist ja letztlich eine Voraussetzung meiner Existenz ... ich könnte nicht sinnvoll "ich" sagen, wenn ich nicht zugleich meine Grenzen wahrnehme, bestimme, verändere und behaupte. Ich meine, eine schöpferische Integration des Neptunischen in mein Leben könnte z.B. dann geschehen, wenn ich einerseits dieses wortlose Wissen um mein Eingebettet-Sein, um mein Fließen im größeren Zusammenhang wahrnehme, zugleich aber auch meine raumzeitlich begrenzte Identität, eben meine Grenzen, achte. Alles wäre sinnlos ohne Eines, Eines wäre sinnlos ohne Alles.
Wenn Energie und Kopfkino die Grenzen zu sprengen drohen, hielte ich es für naheliegend, das im guten Austausch fließen zu lassen. Was mich in Deinem Posting nachdenklich stimmt, Honigküchlein, ist nicht der Umstand Deiner lebhaften Sexualität und Erotik, sondern das, was Du quasi in einem Nebensatz erwähnt hast, dass Du da mit Deinem Partner nicht drüber reden kannst (vielleicht habe ich das auch missverstanden, hoffentlich ...). Wenige Menschen sind in der Lage und frei genug, über Sexualität offen zu reden und das nicht nur "wissenschaftlich neutral", sondern mit all der mitschwingenden Erotik und Lust, die auch den verbalen Austausch begleiten kann, in aller Vielschichtigkeit ... das zu entwickeln könnte sich lohnen, meine ich. Oft steht dem auch die eigene Angst im Wege, sich gegenüber einem Partner zu outen oder die Einschätzung, dass "er" dazu nie und nimmer imstande wäre, und in Wirklichkeit wäre er heilfroh, wenn ihm jemand da über die Hürden helfen würde ...
honigküchlein;4587551 schrieb:
Ich denke wenn Emotion und Kopf irgendwie ¨überfunkional¨ sind (gibts das?), dann wäre es für mich wahrscheinlich das richtige die körperliche Seite zu fördern..mit eben wie erwähnt Sport, Erdung, Meditation etc.. Mein Gefühl sagt mir, dass ich einen solchen Ausgleich schaffen muss...
Sauna bekommt mir immerhin unheimlich gut!
Den Pubertierenden hat man früher geraten, im Falle der Versuchung zur Masturbation kalt zu duschen, und einer aus einem Priesterseminar sagte mir mal, man hätte ihnen viel grünen Salat empfohlen als "Gegenmittel" ... bis einer nachts durch die Gänge lief und laut "Salat! Salat!" rief ...
Ich halte wenig von solchen "Gegenmitteln", nicht zuletzt deshalb, weil das ja auch impliziert, dass es da quasi eine Pfui-Sache abzuwehren gälte. Was das Erotische anlangt und das Triebhafte, das Neptunische und das Venusische (und sogar meine Rechtschreibkontrolle möchte aus "venusisch" "venerisch" machen ...), gelingen solche Tricks in der Regel eh nicht.
Wenn Du meditieren möchtest, kann das sehr tief mit neptunischen Bereichen verbinden ... aber dann sollte es um die Meditation um ihrer selbst willen gehen und nicht als Mittel zum Zweck, irgendwelche Überfunktionen zu dämpfen. Wenn man sich selbst manipulieren möchte, empfehle ich eher autosuggestive Verfahren, aber ich empfehle eh nicht, sich selbst zu manipulieren ... immerhin, es kann durchaus eine gute Nebenwirkung aus dem Hintergrundrauschen des Meditierens heraus sein, dass überschießende Energien und Bilder in ausgeglichenere Fahrwasser geraten das wäre dann so ein "neptunisches Geschenk". Umgekehrt wird es allenfalls eine manipulative Leistung, und da bin ich eher skeptisch. Noch ein neptunisch-erotischer Ansatz: Ich halte Meditation für eine Disziplin der Hingabe, ohne mich zu verlieren.
honigküchlein;4587551 schrieb:
Ich denke viel an "Energie" momentan und Frage mich was Energie überhaupt ist und wie sie funktioniert und so weiter... Ich weiss sehr wenig darüber. Aber dafür wäre ich hier dann auch am falschen Platz
Naja, zumindest der Hintergrund solchen Interesses kann sich hier zeigen ... mit dem MA in 8, diesem Haus der Kernenergie, der energetischen Tiefenströmungen, wo Beleuchten, Erkennen und Integrieren viel Beängstigendes vom bedrängend Triebhaften nehmen können und den marsischen Impulsen die Tiefen-Power verleihen ... mit PL in 5, dieser (u.a.) Spielwiese der erotischen Selbstinszenierung, wo ein gut ausgeleuchteter PL, ein achtsam-neugieriger, forschender Umgang mit dem eigenen Unbewussten schützen kann vor den Verlockungen, das Flirten zum Machtspiel zu machen und die eigene Erotik als Instrument einzusetzen für Ziele, die womöglich aus dem Unbewussten heraus einer ganz anderen Dynamik folgen als dem Erotischen im engeren Sinn. Jedenfalls mit dem Potenzial gesegnet, sich selbst sehr tief zu erfahren ...
So, entsprechend Deiner Warnung vor langem Text ist das nun ein besonders langer geworden ... und er hat gerade mal ein paar Dinge angekratzt ...