Synästhetiker unter uns?

Lapislazuli

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21. August 2005
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38
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nordheide
Einen schönen guten Morgen :)

Ich hätte gerne mal gewusst, ob es noch mehr hier unter uns gibt, die davon "betroffen" sind. ("Betroffen" in Anführungszeichen, weil ich es nicht als Leiden empfinde)
Hört ihr Farben?
Könnt ihr Gesprochenes sehen?
Ich meine jetzt keine Assoziationen in dem Sinne, dass jemand "Feuer" sagt und ich dann ein loderndes Feuer vor meinem inneren Auge sehe, sondern das Wort Feuer - so quasi als Laufschrift in verschiedenen Farben (bei mir ist es hellgraublau).

einfach mal neugierig gefragt
von
Lapislazuli
 
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Schmetterlinge

wer schmetterlinge lachen hört,
der weiß wie wolken schmecken.
der wird im mondschein,
ungestört von furcht,
die nacht entdecken. ...

der wird zur pflanze, wenn er will.
zum tier, zum narr, zum weisen.
und kann in einer stunde
durch das ganze weltall reisen. ...

der weiß, daß er nichts weiß,
wie alle anderen auch nichts wissen.
nur weiß er, was die anderen,
und auch er noch lernen müssen. ...

wer in sich fremde ufer spürt
und mut hat sich zu recken;
der wird allmählich, ungestört von furcht,
sich selbst entdecken.
abwärts zu den gipfeln seiner
selbst blickt er hinauf.
den kampf mit seiner unterwelt
nimmt er gelassen auf. ...

wer mit sich selbst in frieden lebt,
der wird genauso sterben:
und ist selbst dann lebendiger
als alle seine erben.


(Novalis)

Ich find grad, daß das gut paßt. Ich selbst hab die Gabe nicht, kann mir das aber gut vorstellen. Meine Frage an die Synästhiker wäre, ob es mehr ein Geschenk ist oder auch auf seine Weise anstrengend oder gewöhnungsbedürftig oder so ...
 
Hm... gewöhnungsbedürftig? Nein, es ist völlig normal. Denn es ist ja schon immer da gewesen. Wie es mit Wahrnehmungen immer so ist, besteht die größte Schwierigkeit darin, zu verstehen, dass andere das nicht haben. Und warum man ausgelacht wird, wenn man sagt: Die Musik von Phil Collins ist mir zu pastellfarben. Oder ein bestimmte Name ist mir zu gelb-grün. :daisy:

Liebe Grüße

Raeubertochter
 
hallo forum,

was fuer den einen normal ist, trifft nicht unbedingt auf positive resonanz.
ich hatte als kind ein kleines glockenspiel, bei dem die einzelnen toene in verschiedenen farben lackiert waren, natuerlich in den falschen. wasserfarbe wollte nicht halten und die plaka-farbe hat auch nur annaehernd gewirkt, wenn sie noch nass war. beim spielen habe ich die ganze farbe verschmiert, der graue geruch der farbe war auch sehr stoerend. ich hatte dann versucht die blaettchen miteinander zu vertauschen, in der hoffnung, dass die toene dann endlich zur farbe passen. meine mutter hat mich als destruktiv beschimpft, weil ich eine grosse sauerei anrichte und alles kaputt mache.
in der schule verlief es aehnlich, ich durfte beim malen nicht singen, bzw dumme toene ausstossen, wie mein umfeld es nannte. ich habe mich auch maechtig darueber aufgeregt, als diese michaela wies mit ihrer gelbgruenen stimme mir das bild vom martinsfeuer vergeigt hat. einmal in einer vertretungsstunde, als unsere klassenlehrerin krank war, wurden wir von einer lehrerin uebernommen, die uns mit einem gruenen seuselton und so einem aufgesetzen blauen ich-bin-doch-lieb-laecheln ermunterte, einfach zu malen, was wir wollten. ich bin sofort aufgesprungen und habe ihr mitgeteilt, dass ich dann endlich mal eine schoene melodie in passenden toenen malen werde. sie hat mich ausgelacht, weil ich wohl noch nicht bemerkt haette, dass ich im zeichenunterricht und nicht in der musikstunde sei. dieser satz hat mich wie eine axt getroffen und in zwei verlorene teile entzweit. ich habe dann still vor mich hingeweint und konnte mich auch nicht freuen, als diese lehrerin erstaunt mein schoenes bild gelobt hat. es war das traurigste bild, das man mit bunten farben malen kann, kleine bunte blumen, die von einem gruenen licht verbrannt werden. den gruenpflanzen hat dieses licht nicht wehgetan.
das erste mal, dass ich mich in einer schule, wenn es um toene und farben ging wohlfuehlen konnte, war an der schauspielschule. unser lehrer war bei einem synaesthetischen werbeprojekt mit der aufgabe betraut, die passende bewegung zu farben und geschmaeckern von produkten zu finden. er nahm die neue erkenntnis zum anlass, die synasthesie mit in den unterricht zu bringen. es war herrlich, ich wurde mit allen nur erdenklichen nahrungsmitteln gefuettert und allen hat eingeleuchtet, dass blaukaese schwarz schmeckt, tomaten gruen, milde schwarze schokolade blau, wenn mehr zucker und bitterkeit drinnen steckt rot. ist es nicht sonderbar, dass nahrungsmittel oft eine ganz falsche farbe haben, die zum geschmack gar nicht passt.
das ist auch eine sache, die fuer mich sehr gewoehnungsbeduerftig war. nicht nur, weil man an jeder ecke auf unverstaendnis und schallendes gelaechter stoesst. als synaesthet wird man immer wieder damit konfrontiert, dass die dinge um einen herum in sich einfach nicht stimmig sind. manchmal traeume ich davon, strahlend blaue trauben zu essen.

gruesse
leeloo
 
Ja, ich habe sowas auch. Bei mir hat jede Zahl eine Farbe. Aber nicht die normalen Grundfarben, sondern ganz feine differenzierte Nuancen. Beispiel: 6= eierschalengelb, 7= maigrün, 8= weinrot mit einpaar purpurfarbenen Fleckchen, etc.

Liebe Grüße

Schwuppsi
 
mein einprägendstes Erlebnis in der Schule war wohl... wir begannen im Musikunterricht mit Impressionismus, in der Oberstufe. Wir hörten ein Musikstück und sollten es beschreiben. Ich habe getan, was man eigentlich nicht tun sollte (ich hätte es wissen müssen): Ich habe das Bild beschrieben. Es war sehr pastellfarben, am Wasser, ein Hafen oder so, ich weiß nicht mehr genau... ein fauler Nachmittag, plätscherndes Wasser, sanft schaukelnde Schiffchen... Klar, die anderen guckten mich schon so bescheuert an. Aber dann sagte der Lehrer, der Komponist hätte genau ein solches Bild zur Vorlage gehabt... Könnt ihr euch die Gesichter vorstellen, das Getuschel? Die haben mich gehasst. Scheiß-Streberin. Ich hab nie wieder die Bilder beschrieben, die Musik in mir gemacht hat, jedenfalls nicht in der Schule. Aber ich vermute, dass der Musiklehrer auch Synästhetiker war. Er hat viel geredet z.B: über die Kreuzförmige Bewegung in diesem einen Lied... weiß nicht mehr von wem... "Sade... dis-moi..." Aus den 1990ern...

Tja, so war das bei mir :)

Liebe Grüße

Raeubertochter
 
leider kommt es haeufig vor, dass es einem uebel genommen wird, wenn man etwas kann, das andere nicht koennen. in solcher gesellschaft fuehle ich mich sehr unwohl, es hilft auch nichts, sich zu sagen, dass es an den anderen liegt, die sich wegen ihrer komplexe einbilden, dass man sich ueber sie stellen moechte. man zieht sich automatisch zurueck, weil die anderen einen so wie man ist nicht haben wollen und bekaempfen. die synaesthesie ist das einzige, was ich meinen mitmenschen unbedarft vermittele. der rest meiner persoenlichkeit ist nur fuer vertraute oder im arbeitsfeld da.
ich kann mittlerweile meine synaesthetische betrachtungsweise dazu einsetzen, um auszuloten, wer freundlich gesonnen ist und geuegned toleranz mitbringt, um als freund in frage zu kommen. leute, die es einem zum vorwurf machen, dass man so ist wie man ist, koennen mich mal am aermel zupfen.

@raeubertochter
ich nehme an, dass du die schule inzwischen hinter dir gelassen hast. kommst du noch dazu, deine synaesthetische veranlagung auf kreative weise zum einsatz zu bringen?

lg
leeloo
 
LeeLoo, an mein Herz *drück*!!!

Noch nie hat jemand meine Empfindungen aus der Kindheit/Schulzeit soooo treffend beschrieben!
Auch in Räubertochters Erzählung finde ich mich wieder - nur dass mein Lehrer von Synästhesie anscheinend genau gar keine Ahnung hatte :-/

Erst heute hatte ich wieder eine Situation, in der mich meine Empfindungen und Sinneseindrücke wiederholt ins Straucheln gebracht haben:
Ich arbeite zeitweilig (ehrenamtlich *g*) in der Schule meiner Tochter im Leseunterricht. Eigentlich kenne ich die Kinder dem Namen nach schon seit drei Jahren. Es sitzen meist zwei Jungen nebeneinander, nennen wir sie mal Pascal und Andreas. Ich kann sie eigentlich auseinanderhalten, kein Problem. Heute trug nun Pascal ein rotes T-Shirt - und das ging ja nun gar nicht! Wie kann jemand mit einem GRÜNEM Namen ein ROTES T-Shirt tragen? Das hätte zu Andreas gepasst, der einen ROTEN Namen hat!
Und jetzt ratet mal, wie oft ich heute die beiden Jungen verwechselt habe :-/
Ich konnte es schon nicht mehr zählen - und die kids fanden es amüsant :))

Solche Situationen passieren mir immer mal wieder - ich nehme sie aber nicht tragisch, im Gegenteil, es bereichert mein Leben :)

Ich wünsch euch eine hellgrüne Nacht :)

Lapislazuli
 
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