meine Fa-Impressionen

gondoliere schrieb:
Bei der FA scheint der Anspruch zu bestehen (so geschehen bei meiner Freundin), dass Menschen REALE ERKENNTNISSE über andere haben können. Zum Beispiel behauptet meine Freundin jetzt, sie hätte über meine Vergangenheit und meine Familie furchtbar traurige Erkenntnisse gewonnen - ich bin jetzt in der Situation, mich dagegen erst abgrenzen zu müssen und Informationen zu sammeln.
ich halte das eindeutig für einen übergriff und für einen missbrauch des verfahrens. aufstellungen treffen keine tatsachen-feststellungen, sondern eröffnen einsichten in innere (systemische) zusammenhänge, und jede einsicht ist an den gebunden, der hinschaut - es ist ein subjektiver blick mit dem fokus des betroffenen und keine objektive geschichtsschreibung. was deine freundin als erkenntnis bezeichnet, ist kein blick auf objektive sachverhalte, sondern auf das, was sich ihr in ihrer aufstellung gezeigt hat - und das ist ein unterschied. dieses hinschauen kann ihr sehr viel über sich und ihre systemischen einbettungen sagen, auch über ihre beziehung zu deinem system - aber eben nur über ihre beziehung und nicht über dein system als solches.

ich habe selber schon etliche male erfahren, wie leicht manche aufsteller/innen der versuchung erliegen, die einsichten des aufstellungsfeldes mit faktischer realität zu verwechseln - was ich da schon an pseudo-vaterschaftstests etc. erleben musste, war zum teil haarsträubend und trägt leider dazu bei, dass ein faszinierend bewegendes verfahren in misskredit gebracht wird und dass sich die kritik weniger gegen eine missbräuchliche, übergriffige oder einfach nur dumme ausübung wendet und stattdessen solche erfahrungen verallgemeinert. schade...

alles liebe,
jake
 
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Danke, Jake!

würde gern noch kurz nachhaken, Du sagst:
"........ einsichten in innere (systemische) zusammenhänge, und jede einsicht ist an den gebunden, der hinschaut - es ist ein subjektiver blick mit dem fokus des betroffenen ........ über ihre beziehung zu deinem system - aber eben nur über ihre beziehung und nicht über dein system als solches. "

Diese Unterscheidungen sind für mich als Laien nicht leicht zu verstehen - kann man irgendwo etwas zu diesen Begriffbestimmungen nachlesen?
 
hi gondoliere!

die begriffe sind allgemeiner sprachgebrauch... es macht einen unterschied, ob wir unsere beziehung zu den dingen ins auge fassen oder die dinge an sich... und viele verwechseln das gern. konkret: wenn deine freundin meint, etwas über dein system erfahren zu haben, dann ist das ihre sicht der dinge bzw. ihre beziehung zu elementen deines systems, geboren aus einem (übergriffigen) augenblick. deine eigene beziehung zu deinem system kann eine völlig andere sein - wobei dann auch noch das wissen um die "fakten" im system etwas anderes ist als die einsicht in systemische dynamiken, die wirken.

ein gutes buch für den einstieg ins aufstellen ist m.e. "ohne wurzeln keine flügel" von berthold ulsamer.

noch besser ist, sich das einfach mal anzuschauen... wenn geht, bei einem seriösen aufsteller, wo speziell männer immer willkommens ind, die auch bereit sind, sichals rollenrepräsentanten zur verfügung zu stellen. da bekommst du dann ganz schnell einen eindruck - und vor allem eine eigene erfahrung! -, worum es geht.

alles liebe,
jake
 
gondoliere schrieb:
Danke für Deinen ausführkichen Bericht! sehr interessant für mich.

Du schreibst:

"Es ist für mich einfach faszinierend, zu erleben, wie jemand binnen Sekunden in eine Rolle *kippt*, die seinem realen Leben überhaupt nicht entspricht - und trotzdem nimmt er Symptome an, die absolut dem Klienten entsprechen."

Das ist mir eigentlich unheimlich:
OK, Wenn es sich um ein "normales" Rollenspiel wie z. B. im Theater oder in der Therapie handelt, kann das sehr viel Spass machen, berühren, etc. , aber man weiss, es ist ein "Spiel" (in dem ich durchaus auch ernste Themen reflektieren kann) und nachher bin ich wieder im "realen" Leben, wo ich mich zurechtfinde .
Ich bin auch nach einer Aufstellung wieder im "realen Leben" - ich persönlich lege auch sehr viel Wert darauf, dass sich nach einer Aufstellung alle wieder ent-rollen - was aber nichts daran ändert, dass sich meine Eindrücke - und auch Gefühle - während der Zurverfügungstellung als Repräsentantin - sehr massiv von denen abweichen können, was ich als für mich "normal" empfinde.

Ein reales Beispiel - ich stand als Mutter der Klientin - wurde von Beginn an ausserhalb des Kreises hingestellt - ich hatte das Gefühl, um zu fallen - sagte das auch dem Aufstellungsleiter auf seine entsprechende Frage - aber ich hielt es aus.

Ich hatte keine Ahnung, was hinter mir passierte - ich blickte aus dem Fenster - manchmal kam ein Umfallschub - dann konzentrierte ich mich wieder darauf, stehen zu bleiben - und irgendwann kam dann wieder der Aufstellungsleiter und meinte - komm bitte zurück in den Kreis.

Was mir nicht aufgefallen war, war, dass mir mein linker Fuß eingeschlafen war - es kribbelte ganz tolle, während ich mich umdrehte und in den Kreis zurück kam - und ich ging auch so, wie man geht, wenn der Fuß noch schläft - irgendwie schlurfend.

Nach Ende dieser Aufstellung kam die Klientin auf mich zu und meinte - das war ganz toll, wie du die Smyptome meiner Mutter dargestellt hast - ich war irgendwie überrascht, wußte ich doch nur, dass die schwer krank war - naja, es stellte sich heraus - sie war linksseitig gelähmt - und zog, wenn sie sich aufraffte und ging, immer den linken Fuß nach.

gondoliere schrieb:
Bei der FA scheint der Anspruch zu bestehen (so geschehen bei meiner Freundin), dass Menschen REALE ERKENNTNISSE über andere haben können. Zum Beispiel behauptet meine Freundin jetzt, sie hätte über meine Vergangenheit und meine Familie furchtbar traurige Erkenntnisse gewonnen - ich bin jetzt in der Situation, mich dagegen erst abgrenzen zu müssen und Informationen zu sammeln.
Ich kann aus jeglichen Familienaufstellungen reale Erkenntnisse über mein Leben haben - aber niemals über andere - alles andere ist eine Anmaßung - und Ablenkung von sich selbst.

Mich fasziniert es immer wieder, wenn jemand nach einer Aufstellung auf einmal weiß, dass sie vom Vater sexuell mißbraucht wurde - und dies dann auch lautstark verkündet - um dann bei der nächsten Aufstellung zu erkennen, dass es vielleicht dann doch nicht so war - aber was solls, jetzt ist Vaters Ruf eh schon zerstört, braucht frau sich deswegen trotzdem keine Gedanken mehr zu machen - alles schon live mit erlebt.

Es ist dies - wie auch jake so schön sagte - die Erkenntnis der betreffenden Person über etwas, was sie ab sofort als Realität erachtet - aber es ist nur ihre subjektive Sicht - möglicherweise hatte sie ja nur einen neuen Schuldigen für ihre Probleme gesucht - das hat dann aber nicht wirklich was damit zu tun, wie die realen systemischen Verstrickungen waren.

Jeder kann immer nur mit seinem Blickwinkel hin schauen - manche erlauben es, dass sie neue Erkenntnisse erlangen - manche stülpen über alles, was sich zeigt, ihr eigens Wollen drüber
Jake schrieb:
jede einsicht ist an den gebunden, der hinschaut
Wenn deine Freundin behauptet, Erkenntnisse aus deiner Vergangenheit zu kennen, dann solltest ernsthaft hinter fragen, wozu sie eigentlich die Aufstellung gemacht hat.

Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass, wenn jemand aus seiner Aufstellung nur Erfahrungen über andere gezogen zu haben glaubt, das ganze für die Katz war - weil es geht - wenn ich Klient bin - um mich und mein Thema - und dass ich auf eine gewisse Situation eben einen anderen Blickwinkel bekomme.

Es sollte in aufstellungen nicht darum gehen, welche Probleme mein Partner in seiner Kindheit hatte - und was ich ihm jetzt beibringen kann, wie er seine Probleme lösen kann - sondern es sollte um mich und meine Thematiken gehen - und was ich daraus lernen kann.
Jake schrieb:
über ihre beziehung zu deinem system
Ich kann mir natürlich anschauen, welche Position ich in Bezug auf sein System habe - was ich daraus erkennen kann - was ich dadurch lernen durfte
Jake schrieb:
aber eben nur über ihre beziehung und nicht über dein system als solches
Aber ist wie im täglichen Leben - gibt genug Menschen, die lieber auf andere schauen, damit sie sich nicht mit den eigenen Unzulänglichkeiten belasten müssen.

gondoliere schrieb:
Mir ist das eigentlich nicht recht. natürlich möchte ich ihr helfen, mich auch mit Dingen auseinandersetzen, die sie beschäftigen, aber ich möchte mich nicht manipulieren lassen. :escape: Hab schon vor Jahren meine Familiensituaton in einer Therapie sehr gut aufgearbeitet. Was immer da Thema ist, es betrifft MEIN LEBEN und ich möchte, WENN noch etwas „da“ ist (gern auch unter Anleitung) unbeeinflusst SELBST daraufkommen und zwar dann, wenn ICH dafür „reif“ bin.
Das versteh ich jetzt nicht - du möchtest ihr helfen, dir zu helfen, dich in etwas rein zu steigern, was du gar nicht so sehen würdest, wenn sie dirs nicht gerade einreden möchte?
 
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ChrisTina, Jake, für die vielen Informationen und fürs Zeit-nehmen (bzw. eigentlich -geben)! Fühle mich schon besser, werde lesen und mich weiter informieren!

gute Nacht, Gondoliere
 
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