M
Marcellina
Guest
Ja, da hast du völlig Recht.
Ich kann jetzt natürlich nur aus meiner Musikersicht wirklich mitreden und ich weiß, dass es auch viele Komponisten betraf, die flüchten oder sich anpassen mussten, weil sie nicht die Musik produzierten, die den Nazis genehm war. Ich spiele zB Hindemith gerne und kann trotzdem verstehen, wenn jemand sagt, dass er ihn nicht aushält. Nichtsdestotrotz ist auch hier meine innere Spaltung deutlich: ist es Kunst oder nicht? Ich kann es nicht beantworten.
Atonale Musik, 12-Ton-Musik, serielle Musik sind Konstrukte, die erdacht wurden, weil man die absolute Freiheit wollte, weil man die Grenzen der Tonalität satt hatte, weil alles ausgereizt war, was man darin ausreizen konnte. Die Komponisten gingen dann verschiedene Wege: entweder sie orientierten sich an exotischen Klängen und adaptierten diese (zB Debussy, Bartok), oder sie gingen den noch radikaleren Weg (zB Schönberg, Berg, Webern) der totalen Auflösung. Man hielt die 12-Ton-Technik für die Erlösung überhaupt. Aber die Erkenntnis folgte irgendwann: auch sie hat Grenzen, auch da tat man nicht was man wollte. Es existierten strikte Regeln, nach denen man sich richten musste. Sie kann allenfalls mit Häßlichkeit berühren, es sei denn man wählt ein Tonmaterial aus, das harmonisch ist, wie Bernstein mit der West Side Story. Und das spricht dann plötzlich wieder die breite Masse an. Warum? Liegt es wirklich nur daran, dass die breite Masse zu doof ist, um Avantgarde zu schätzen? Oder hat das einen tieferen Grund? Ich sage zweiteres.
Es hat seinen Grund wieso R. Strauss diese eine letzte Grenze zur Atonalität niemals überschritten hat, obwohl er hart vorbeischrammte. Und es hatte einen Grund, wieso Schönberg sich nach etlichen Jahren abwandte und zugab, einer Illusion aufgesessen zu sein. Illusion wovon? Dass es ein unbewusstes Wissen über Ästhetik gibt, ein Wissen, das die Menschheit in sich hat, etwas automatisch als Kunst zu definieren? Wieso kann man sich an den Gebäuden, die sich zB an der Geometrie der griechischen Tempel orientieren, niemals sattsehen, wieso stören sie niemals? Und Klötze, die angeblich das beste und modernste und innovativste der heutigen Zeit darstellen, kotzen einen alleine in der Farbgebung schon an?
Was ist Kunst? Ich verbringe sehr viel Zeit mit dieser Frage. Und nein, ich bestehe nicht darauf, dass meine Sicht die gültige ist. Aber ich habe immer wieder den Eindruck, dass eine Minderheit darüber bestimmen will, was von der Mehrheit als Kunst gesehen werden soll.
Mir fällt hier im Faden vor allem eines auf: dass sich hier exakt die selbe Frontenbildung ergeben hat wie in einem anderen Thema, das nicht diskutiert werden darf. Und dass es genau die selben Kandidaten sind, die sich hier nun aufschwingen, sich und ihre eigenen Sicht als die "erhabenere", weltoffenere erklären und das Thema dazu benutzen, um auf die ach so begriffstützigen Konservativlinge hinzuhacken. Als Rechtfertigung wird hier die Thematik des Kunstwerkes benutzt. Und spätestens da fängt für mich der Missbrauch an und das ist es, was mir hier sauer aufstößt. Man mag mich meinetwegen ruhig als Dilettanten hinstellen, da kann ich gut damit leben... das Problem ist hier ganz ein anderes, die Kunst dient hier nur als austauschbare Kulisse, so wie immer.
ja, hab schon Deinen Austausch zum Thema Instrumente und Musik in anderen Threads mit Interesse verfolgt
Ich sehe die Entwicklung in der Musik-Komposition (hab wenig direkten Bezug, außer laienhaftem Klavierspielkönnen, und zwei Sopranen in der Familie und natürlich leidenschaftlichem Genuß) als große Suche nach einer Richtung, die an die Großen anschließt, ja sie übertrifft. Es hat nicht so richtig gefunzt, die Atonalen bleiben unter sich im kleinen Kreis, da sogar bei Weitem unter sowohl der Volksmusik als breitgepinselten Richtungen. Musik ist Musik, damit muß man auch - nolens volens - leben
ich spreche auch den göttlichen Funken an, den Du als Kunst bezeichnest. Der Funke ist das Eine, die Arbeit, ihn den Betrachtern, Lesern, Hörern nahe zu bringen, das Weitere. Allein über die unterschiedliche Arbeitsweise der Literaten und Maler könnte ich ein dickes Buch schreiben.