Am 5. Februar 1949 nahm die Tragödie von Bhagavans letzter Krankheit ihren Anfang. Bhagavan hatte häufig seinen linken Ellbogen gerieben, der ihm irgendwelche Beschwerden verursachte. Sein Helfer untersuchte die Stelle um zu sehen, was ihm Schwierigkeiten machte. Er fand eine kleine, nur erbsengroße Geschwulst und meldete es ordnungsgemäß dem damaligen Ashramarzt. Der Arzt war der Ansicht, es sei nur eine Kleinigkeit und das Geschwür solle unter örtlicher Betäubung entfernt werden. Er beriet sich mit keinem anderen Arzt, obwohl man ihn darauf hingewiesen hatte, dass Bhagavan keine gewöhnliche Person sei und viele Ärzte von Madras bereitwillig zu einer Konsultation kommen würden. Man hatte ihm geraten, abzuwarten und nichts zu tun, ohne ihre Meinung eingeholt zu haben. Er bestand aber darauf, die Operation durchzuführen. Ein anderer Arzt, der gerade im Ashram war, erklärte sich widerstrebend bereit, die örtliche Betäubung vorzunehmen.
Eines Morgens vor dem Frühstück wurde die Operation in aller Stille in Bhagavans Badezimmer durchgeführt. Es wurde ein kleiner Schnitt gemacht wie man mir sagte, war er zu klein - und das Geschwür wurde nur oberflächlich herausgeschnitten, wie sich später herausstellte. Bhagavan hat die Operation nie gewollt und den Ärzten gesagt, sie sollten der Natur ihren Lauf lassen. Doch sie entschlossen sich es durchzuführen. Das war der Anfang vom Ende. Der Vorhang des letzten Aktes begann sich zu senken. Das Geschwür stellte sich als Sarkom (bösartiger Tumor) heraus. Einen Monat später wurde eine weitere Operation von einem führenden Madraser Chirurgen in der Ashramapotheke durchgeführt, diesmal unter Vollnarkose. Wenn auch vorübergehend eine Besserung eintrat, wuchs das Geschwür doch nach und wurde größer. Man versuchte es mit Radium, konnte seine Wirkung aber nicht kontrollieren.
Im Juli blutete das Geschwür und war septisch* geworden. Die Ärzte besprachen sich mit Bhagavan und teilten ihm mit, dass die einzige Hoffnung in der Amputation des Armes bestünde, was er aber rundweg ablehnte. Das war das einzige Mal, dass er aktiv bestimmte, was mit ihm während seiner Krankheit geschehen sollte. Seine Einstellung war, sie tun zu lassen was sie wollten, obwohl er ihnen die ganze Zeit sagte, es wäre besser, nicht einzugreifen und der Natur ihren Lauf zu lassen. Doch keiner schenkte ihm Beachtung.
*Die Sepsis (griechisch für Fäulnis), umgangssprachlich auch Blutvergiftung, ist eine außer Kontrolle geratene Infektion.
Es wurden insgesamt vier Operationen durchgeführt, die kleine schicksalhafte zu Beginn eingeschlossen. Bhagavan wurde immer schwächer. Ein paar Tage versuchte ein Homöopath seine Kunst. Er bestand darauf, dass Bhagavan eine strikte Diät einhalten müsse. Sie bekam ihm aber überhaupt nicht und verursachte nur Komplikationen und unaussprechliches Leiden. Ein Mann aus der Gegend versuchte es dann mit einer Kräuterbehandlung und legte ihm ätzende Breiumschläge auf, die eine Blutvergiftung verursachten. Ein anderer Mann kam mit dem Flugzeug aus Kalkutta angereist und versuchte eine Siddha-Behandlung (Ayurveda-Behandlung), aber sie verschlimmerte den Zustand Bhagavans so sehr, dass er sich weigerte, die Medizin weiter einzunehmen, da er wegen ihr nicht mehr urinieren konnte. Im März hatte man alle Hoffnung aufgegeben.
Die Allopathen (Schulmediziner) betrieben viel Aufwand mit ihren Behandlungsmethoden. Sie kamen mit einem Lastwagen voller Geräte und Materialien und installierten für eine diathermische Behandlung einen eigenen Schaltkreis zum Hauptstromnetz. Bei der letzten Operation assistierten nicht weniger als zehn Ärzte. Bhagavan fiel dabei fast in Ohnmacht und musste mit einer Bluttransfusion wieder zu Kräften gebracht werden.
Am Abend vor dieser letzten Operation ging ich zu Bhagavan und bat ihn auf Knien, sich ihr nicht zu unterziehen. Es war völlig klar, dass sie nichts Gutes bewirken konnte. Jedes Mal war der Tumor danach größer geworden und hatte sich inzwischen bis zur Achselhöhle ausgebreitet. Ich flehte ihn an, uns dieses unsinnige zusätzliche Leiden zu ersparen, aber er wollte es nicht. Er meinte, die Ärzte hätten sich so viel Mühe gegeben, dass es ein Jammer wäre, sie jetzt zu enttäuschen.
Erst als die allmächtigen Ärzte endgültig versagt und alle Hoffnung aufgegeben hatten, durften andere Behandlungsmethoden versucht werden. Natürlich war es dann dafür zu spät. Die Ärzte hielten die anderen Behandlungsmethoden für wirkungslos und behielten damit natürlich Recht, da sie diese bis zuletzt nicht zugelassen hatten. Aber Bhagavans Haltung war immer gewesen, jedem eine Chance zu geben. Keiner sollte enttäuscht werden.
Die etwa einjährige Dauer der schrecklichen Krankheit war für jeden eine Vorwarnung, dass das Ende unausweichlich war und nicht mehr lange auf sich warten ließe. So bewahrte uns Bhagavan in seinem Erbarmen vor einem plötzlichen Schock. Keiner konnte sagen, es sei überraschend gekommen. Bhagavan wies seine Schüler wiederholt darauf hin, dass es absolut keinen Unterschied machte, wenn er körperlich nicht mehr da sein würde. Wohin kann ich gehen? Ich werde immer hier sein.