Gail schrieb:
Wenn man das Richtige vom Falschen unterscheidet und unterscheiden kann, ist das bedingt durch ein Bewußtsein, das den Unterschied erkennt. Dieses Erkennen ist möglich durch ein Erinnern, dessen, was wahr ist, und was nicht. Wenn etwas zugleich wahr sein soll und unwahr sein soll, dann ist das ein erkennbarer Widerspruch. So kann es z.B. nicht zugleich hell sein und dunkel sein.
Worum es dabei geht ist, daß das, was wahr ist oder unwahr nur erkennbar ist aber nicht beweisbar im strengen Sinne. Das bedeutet, daß es bei der Wahrheitssuche darum geht, das zu erkennen, was ist, oder was wahr ist.
Es geht bei der Wahrheitssuche genau nicht darum, daß jemand recht hat oder nicht recht hat, denn ob etwas wahr ist hat mit keiner Person etwas zu tun. Deswegen ist auch die Annahme, daß Personen darum streiten wer recht hat, keine Frage der Wahrheitsfindung, sondern eine Frage, wessen persönliche Aufgeblasenheit die größte ist.
Sowohl das, was man einen Beweis nennt hat eine unpersönliche Bedeutung, als auch das, was starke Argumente sind, hat eine unpersönliche Bedeutung. Beides kann als wahr oder unwahr erkannt werden von jedem.
Etwas ist auch nicht deswegen wahr, weil eine Autorität oder ein Meister es sagt, oder entscheiden würde, und natürlich würde kein Meister das, was wahr ist oder nicht, einer Person zubilligen und schon garnicht als Autorität. Wenn er das machte, dann geht es ihm nicht um die Suche nach der Wahrheit, sondern nur um seine Autorität.
Natürlich ist es sinnlos zu streiten, wenn Personen streiten, und natürlich ist es sinnlos recht zu haben, wenn Personen recht haben wollen oder sollen. Aber es ist erkennbar, daß dann, wenn mit dem Nichtstreiten von Personen eine Ruhe einkehrt, damit nicht zugleich das, was denn nun als wahr oder unwahr unpersönlich erkennbar ist oder wäre, erkannt wird.
Das aber ist ein Mangel in der Wahrheitsfindung.
Es wurde Lao=tsu zitiert:
"Jene, die gut sind, streiten nicht
Jene, die streiten, sind nicht gut"
es kann auch so gelesen werden:
"Wer Weisheit hat streitet nicht -
wer streitet hat Weisheit nicht"
Lao=tsu sagt das hinsichtlich dessen, der streitet.
Aber in der ersten Zeile dieses Spruches (81) sagt er:
"Wahres Wort ist nicht schön -
schönes Wort ist nicht wahr"
Das läßt erkennen, daß er nicht nur das Wahre vom Unwahren unterscheidet, sondern sich auch bewußt ist, daß das Aussprechen der nackten Wahrheit nicht so gern gehört wird, wie süße Lügen.
Damit entpuppt sich so macher Anspruch darauf, daß etwas ein persönlicher Streit sein soll oder daß etwas nur Rechthaberei sein soll, als eine Fehleinschätzung, und zwar genau dann, wenn statt der Argumente nur die ('streitenden') Personen gesehen werden und/oder wenn an dem, was denn nun wahr ist oder falsch gar kein Interesse besteht - sie ist nicht schön.
Namo