Ich möchte heute noch ein wenig bei den fünf Weisheiten des Buddhismus verweilen. Sterben, das grosse Verdrängungs- und Tabuthema unserer Zivilisation.
Im Zusammenhang mit der Sterbebegleitung treten auch diese personifizierten Weisheiten in Erscheinung.
Wie gelebt, so gestorben!!!
Das ist ein aggressiv-extremhartes Mantram. Aber es trifft - genau dann, wenn Mitgefühl angesagt ist. Wie kann dieser, auf den ersten Blick absolut menschenverachtende Satz, da stehen bleiben, ohne selbst geächtet zu werden?
Der Buddhismus gibt eine Antwort. Eines der wichtigen Dinge im Leben ist die Überwindung des Leidens. Unsere (christliche) Zivilisation verbindet Leiden mit Schuld und Sühne; wer Schuld auf sich geladen hat, muss sühnen und leiden. So, als ob es keine andere Gerechtigkeit gäbe, als die von uns Menschen angemasste. Dabei treten gerade die fünf personifizierten Weisheiten des Buddhismus im Sterben als wahrheitsgetreue Ausführende des Schicksals in Erscheinung.
Wir wissen aus dem Familienstellen, dass viele Menschen leiden, weil sie dies stellvertretend für ein anderes Mitglied der eigenen Sippe tun. Dies hat viel mehr mit Liebe zu tun, als zunächst anzunehmen. Vater-Mutter-Grossvater-Grossmutter, ich tue es für dich. Ich kann hier etwas gutmachen, weil du es jetzt im Zwischenreich nicht mehr kannst - und ich tue es gerne. So bekommt das Leiden einen ganz anderen Sinn. Wer's nicht glaubt, gehe selbst einmal dorthin und prüfe nach.
Ich stand einmal in einem Familienstell-Programm für den Vater einer Frau, die ausgegrenzt, ihres Lebens nicht mehr froh wurde. Sie fragte sich warum. In den Schuhen ihres Vaters (ich kannte weder die Frau, noch ihren Vater)stehend spürte ich, stellvertretend für diesen Mann, wie das ganze Elend des letzten Weltkrieges bei ihm als Soldat, der andere Menschen erschossen und erschlagen hatte, über diesen Mann hereinbrach. Ich bekam urplötzlich einen Weinkrampf, der lange nicht mehr aufhören wollte. Die Lösung bestand darin, dass die Frau ihren Vater liebevoll in die Arme nehmen musste, um ihm seinen Seelenfrieden wiederzugeben. Er hatte diesen nämlich verloren, als er, als Spätheimkehrer, von der eigenen Familie ausgegrenzt wurde.
Was hat dies mit Leiden zu tun? Sehr viel. Die Frau hat stellvertretend für ihren Vater gelitten. Und viele Menschen leiden stellvertretend, ohne es zu wissen, für ein anderes Sippenmitglied. Erst im Sterben erfahren wir warum, durch die fünf Tathagatha-Buddhas, die uns als friedliche Gottheiten empfangen und uns von den Fesseln des Leidens befreien.