Der Weg des Aspiranten

"Weit in entferntem Land stand der heilige Baum, der Baum der Weisheit, und auf ihm wuchsen die goldenen Äpfel der Hesperiden. Der Ruhm dieser süssen Früchte war weit in die Lande gedrungen und alle Söhne der Menschen, die sich gleichermassen als Söhne Gottes kannten, begehrten sie. Auch Herkules wusste von diesen Früchten und als das Wort ausging, sie zu suchen, ging er zu seinem Lehrer und fragte ihn, auf welchem Weg der heilige Baum zu finden sei, damit er die Äpfel pflücke.


«Sag' mir den Weg, o Lehrer meiner Seele. Ich suche nach den Äpfeln und brauche sie rasch zu meinem Nutzen. Zeige mir den schnellsten Weg und ich will gehen.»"


Die Gottes-Erfahrung die der Aspirant durchlaufen hat liegt außerhalb von Worten.
Es kommt nun eine Zeit wo auch der Geist, das Ego VERSTEHEN WILL, was geschehen ist.
Es kommt nun die Zeit die FRÜCHTE seiner Erfahrung zu ernten.
Gott und Worte sind wie zwei Seiten einer Münze, fasst Du ein Wort, ist es nicht mehr Gott, ist es Gott, gibt es kein Wort.
Das Problem des Aspiranten liegt also darin das er
-auf ALTE und GELERNTE Semantik zurückgreift
oder
-sich neuer bedient
oder
-sich auf die Suche macht..WEITER IN SICH sucht...

Der erste Impuls ist es SCHNELL WORTE zu finden, SCHNELL das ganze in Worte zu kleiden.
Doch berechtigterweise gebietet Ihn sein Lehrer einhalt

"«Nicht so, mein Sohn», antwortete der Lehrer. «Der Weg ist lang. Zwei Dinge nur will ich dir anvertrauen und dann ist es an dir, die Wahrheit dessen, was ich sage, zu beweisen. Bedenke, dass der heilige Baum gut bewacht ist. "

soll heissen ohne ERKENNTNISPROZESS wird er über diese Erfahrung keine Weisheit erlangen können.
Der Baum ist GUT BEWACHT.

Der Erkenntnisprozess spiegelt sich in den Prüfungen (ein INNERER Reifeprozess), die Wächter symbolisieren das AUSSEN das in den Erkenntnisprozess eingebunden werden muss.

Wir lesen:
"Er fragte alle Menschen, die er traf, aber keiner konnte ihn auf seinen Weg bringen; keiner kannte den Ort. Die Zeit verging, noch immer suchte er, von Ort zu Ort wandernd und oft zurückkehrend zum dritten Tor. Traurig und entmutigt suchte er dennoch überall."

Der aspirant wird erkennen das das was ER erlebte nirgendwo geschrieben steht. Er wird mit der Sprachlosigkeit konfrontiert und dem Unvermögen seine Erfahrung weiter zu geben.

Das anfängliche Glücksgefühl über die Erfahrung weicht der Mutlosigkeit, weil Ihr kein Ausdruck gegeben werden kann.

Wir finden Nereus

"Der Lehrer, der ihn von fern beobachtete, sandte Nereus um nachzusehen, ob er ihm helfen könnte. Immer und immer wieder kam er in verwandelter Form und mit anderen Worten der Wahrheit, aber Herkules reagierte nicht und erkannte in ihm nicht den Boten, der er war. Obwohl er gewandt war in der Rede und klug, mit tiefer Weisheit eines Gottessohnes, versagte Nereus, denn Herkules war blind."

die Lehren der ANDEREN doch weil sie NICHT die Erfahrung wiederspiegeln können, ist der Aspirant zunächst BLIND für die Weisheit anderer Lehren.


Eine weitere Entäuschung erwartet den Aspiranten:

"Da Herkules auf dem nördlichen Weg den heiligen Baum nicht fand, wandte er sich nach Süden und setzte am Ort der Dunkelheit seine Suche fort. Zuerst träumte er von raschem Erfolg, aber Antaeus, die Schlange, begegnete ihm auf seinem Weg, rang mit ihm und überwand ihn in jedem Punkt."

zurück in der Welt der Illusionen, das was unsere Wirklichkeit ist, kann er die Wahrheit die er in sich gefunden hat nicht umsetzen..die Illusion (Schlange) schlägt Ihn in jedem Punkt.
Der Aspirant weiss die Illusion hält Ihn von der Wahren Erkenntnis und somit Weisheit fern..

«Er bewacht den Baum», sagte Herkules, «das wurde mir gesagt. So muss der Baum in seiner Nähe sein. Ich muss die Wache sprengen und, indem ich ihn zerstöre und ihn niederwerfe, die Früchte pflücken.» Aber obwohl er mit all seiner Kraft kämpfte, überwand er ihn nicht.

...doch er überwindet sie nicht.

Schlieslich kann er sie FÜR SICH überwinden aber nicht erwürgen
wir lesen

"Wieder rang er mit all seiner Kraft mit der Schlange, ergriff sie mit beiden Händen, hob sie hoch in die Höhe, fort vom Boden. Und siehe! die Tat war getan! Besiegt sprach Antaeus: «Ich komme wieder in anderer Gestalt am achten Tor. Bereite dich, erneut mit mir zu ringen.»"

der Aspirant überwindet das Bedürfnis IN und FÜR sich, doch überwunden ist die Illusion damit noch nicht.
Das was die Illusion FÜR IHN bedeutet kann er aus den Angeln heben, das andere nicht.

So wie er als Kind die Schlange erwürgte weil er die Illusion nicht annahm.
(Der Aspirant nimmt den vorherrschenden Glauben von "was so ist" nicht an.)
so befreit er sich nun erneut.

Aus diesem Erfolg heraus wendet der Aspirant nun die Wahrheits/Erkenntnissuche IN SICH SELBST an
er findet so seinen Lehrer

"Denn hier traf er Busiris, den grossen Erzbetrüger, den Sohn der Wasser, ein naher Verwandter des Poseidon. Sein Werk ist es, den Söhnen der Menschen durch Worte scheinbarer Weisheit Täuschung zu bringen. Er behauptet die Wahrheit zu kennen und allzu schnell glauben sie ihm. Er spricht schöne Worte und sagt: «Ich bin der Lehrer. Mir ist Kenntnis der Wahrheit gegeben; opfere jetzt für mich. Nimm den Weg des Lebens an durch mich. Ich allein weiss und niemand sonst. Meine Wahrheit ist richtig. Alle andere Wahrheit ist unrichtig und falsch. Höre auf meine Worte,"

doch indem er DAS tut, entfernt er sich weiter von der Illusion.
Es kommt der Punkt wo er aus sich heraus die Brücke zur Illusion nicht weiter bauen kann..


bleibe bei mir und sei errettet.» Und Herkules gehorchte ihm und wurde täglich mehr geschwächt auf seinem frühen Wege (3. Prüfung) und suchte nicht weiter nach dem heiligen Baum. Seine Kraft wurde untergraben. Er liebte Busiris, bewunderte ihn und nahm alles an, was er sagte. Von Tag zu Tag wurde er schwächer, bis dann der Tag kam, wo sein geliebter Lehrer ihn an den Altar band und während eines ganzen Jahres dort festgebunden hielt.


..........ja und manche bleiben für immer an den Altar Ihrer eigenen Gotteserfahrung gebunden.

Im Aspiranten gibt es die ANLAGE sich aus diesem Fallstrick zu befreien.


"Wende dich nach innen und erwecke die ewige Kraft, die Macht und Erbe aller Menschensöhne ist, die gleichermassen Söhne Gottes sind.»"

wende Dich nach INNEN, bedeutet hier auch, wende Dich an den KERN vorhandener Lehren, die gleichermassen Söhen Gottes sind.
Alles was Du erfahren hast DIENT dir nun, doch lass es fortan SCHWEIGEN und LERNEN.

" Schweigend lag er als ein Gefangener auf dem Altar, an allen vier Ecken gebunden, ein ganzes Jahr. Dann, mit der Stärke, welche die Stärke aller Söhne Gottes ist, sprengte er die Fesseln, ergriff den falschen Lehrer, der vorher ihm so weise schien, und band ihn an seiner Stelle an den Altar. Er sprach kein Wort, liess ihn nur dort, zu lernen."
 
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Wir lesen auch das Nereus, obgleich nicht mehr anwesend, nun doch seinen Dienst erfüllt hat.


"Der über ihn wachende Lehrer beobachtete von ferne den Augenblick der Befreiung, wandte sich zu Nereus und sagte: «Die dritte grosse Prüfung ist vorüber. Du lehrtest ihn, ihr zu begegnen und zu rechter Zeit zog er daraus Nutzen. Lass' ihn nun fortschreiten auf dem WEG und das Geheimnis des Erfolgs lernen.»"

Die INNEREN Prüfungen auf dem Weg zur Weisheit hat er nun bestanden, nun gilt es sich dem AUSSEN zuzuwenden.


nun begegnet Ihm die Schlange der Illusion erneut.
in er zehnten Arbeit oder dem Bild des Prometheus.

Der Lehrer der Wissen und Weisheit bringen WILL doch seine Lehre an der Illusion scheitert.
So leidet der Bringer der Lehrer mit seinen Schülern, die sich IN der Lehre verirren.
Indem der Aspirant diese Diskrepanz zwischen angestrebter Wahrheit und vermittelter Wahrheit erkennt, versucht er nun zu helfen. Den Lehrer zu heilen indem er seine Lehre durch und mit dem Verständnis ergänzt, das er durch seinen eigenen Erfahrungen gewinnen konnte.


"Der Lehrer, der ihn von fern beobachtete, sprach nun zu seinem suchenden Schüler diese klaren Worte, die ersten, die zu ihm gesprochen wurden, seit die Suche begann: «Das vierte Stadium des Weges zum heiligen Baum ist durchschritten. Es war keine Verzögerung. Die Regel auf dem gewählten Pfad, die allen Erfolg beschleunigt, heisst: Lerne dienen.»"

Der Aspirant erkennt nun den wahren Wert seiner Erfahrung..sie in den Dienst der Meschen zu stellen.
obgleich er selbst noch immer ein suchender ist, noch immer an der Brücke baut, die er nun NEU auszuformen beginnt.

Das führt den Aspiranten in einen neuen Konflikt:

"der Baum sei in der Nähe eines entfernten Berges zu finden. Das war der erste wahre Bericht, der ihm bisher gegeben wurde. Deshalb wandte er seine Füsse nach den hohen Bergen des Ostens und an einem strahlend sonnigen Tag sah er den Gegenstand seiner Suche und beschleunigte die Schritte. «Jetzt werde ich den heiligen Baum berühren», rief er voll Freude, «den Wächterdrachen überwinden, die hochberühmten schönen Maiden sehen und die Äpfel pflücken.»


Doch wieder wurde er zurückgehalten durch das Verständnis tiefer Not. Atlas trat ihm entgegen, wankend unter der Last der Welten auf seinem Rücken. Sein Gesicht war leidgezeichnet, die Glieder schmerzgebeugt, die Augen in Agonie geschlossen. Er bat nicht um Hilfe. Er sah Herkules nicht, sondern stand niedergebeugt von Schmerz unter der Last der Welten. Zitternd beobachtete ihn Herkules und ermass die Grösse der Last und Pein.


er erkennt nun zweierlei..den Weg zur eigenen Erkenntnis UND den Wunsch oder Willen zu dienen.
Den mit seiner Erkenntnis wird der Schleier von seinen Augen weggenommen und er lernt MITGEFÜHL für das Leiden der Mneschen, Ihren Schmerz und Ihre Not.
Das ist Atlas, der die Welt auf seinen Schultern trägt und indem er sich dieser Not zuwendet ...und nicht sich selbst, werden Ihm die Früchte der Erkenntnis geschenkt.
Er lernt durch dieses Aussen nun die Brücke bauen die Weisheit bringen kann.


Indem er Atlas den Weg weist schafft er diese Brücke.

Das Weibliche symbolisiert immer die Ergänzung im Aussen.
Diese Ergänzung schenkt Ihm nun die Früchte die er sucht..und auch dieses Außen zeigt durch die Dreiheit das es in sich vollkommen ist.

«Der WEG zu uns ist immer durch Dienen gekennzeichnet. Taten der Liebe sind Wegweiser auf dem PFAD.» Dann gab ihm auch Erystheia, die das Tor hütet, das alle passieren müssen bevor sie allein vor dem grossen Einen stehen, der den Vorsitz führt, einen Apfel, in dessen Schale mit Licht das goldene Wort DIENEN eingegraben war. «Denke daran», sagte sie. «Vergiss es nicht.»

Vergiss es nicht...diese Worte zeigen schon in die Richtung der weiteren Entwicklung

Regina
 
Der Mythos

Die vierte Arbeit


Das Fangen des Rehs oder der Hindin - 1. Teil


Der Grosse Eine, der den Vorsitz führt in der Ratshalle des Herrn sprach zu dem Lehrer, der an seiner Seite stand: «Wo ist der Sohn der Menschen, welcher der Sohn Gottes ist? Was macht er? Wie wird er erprobt und mit welchem Dienst ist er jetzt beschäftigt?»


Der Lehrer sagte, indem er sein Auge auf den Sohn der Menschen richtete, welcher der Sohn Gottes ist: «Nichts, im Augenblick, o Grosser. Die dritte grosse Prüfung enthielt viel Lehrreiches für einen solchen Lernenden. Er grübelt und denkt nach.»


«Bereite eine Prüfung vor, die seine weiseste Wahl fordert. Sende ihn in ein Arbeitsgebiet, wo er entscheiden muss, welche Stimme von all den vielen Stimmen den Gehorsam seines Herzens wecken wird. Bereite gleichzeitig eine Prüfung vor von grosser Einfachheit auf der äusseren Ebene, und doch eine Prüfung, die auf der inneren Seite des Lebens die Fülle seiner Weisheit und die Richtigkeit seiner Urteilskraft erwecken wird. Lass, ihn mit der vierten Prüfung fortfahren.»




Herkules stand vor dem vierten grossen Tor - ein Sohn der Menschen und doch ein Gottessohn. Zuerst war tiefe Stille. Er äusserte kein Wort und keinen Laut. Hinter dem Tor breitete sich die Landschaft in schönen Linien aus, und fern am Horizont stand der Tempel des Herrn, der Schrein des Sonnengottes, die schimmernden Zinnen. Nahebei auf einem Hügel stand ein schlankes Reh. Und Herkules, der ein Sohn der Menschen und doch ein Sohn Gottes ist, beobachtete und lauschte, und lauschend hörte er eine Stimme. Die Stimme kam aus dem glänzenden Kreis des Mondes, dem Aufenthalt der Artemis. Und Artemis, die Schöne, sprach warnende Worte zu dem Menschensohn.


«Das Reh ist mein - so rühre es nicht an,» sagte sie. «Seit langen Zeiten zog ich es gross und pflegte es, als es noch jung war. So ist es mein, und mein muss es auch bleiben.»


Dann zeigte sich Diana, die Himmelsjägerin, Tochter der Sonne. Mit Sandalen bekleideten Füssen sprang sie zu dem Reh und beanspruchte es ebenfalls.


«Nicht so,» sprach sie, «Artemis, schönste Maid; das Reh ist mein, und mein muss es auch bleiben. Bis heute war es jung, jetzt aber kann es nützlich sein. Das goldgehörnte Reh ist mein, nicht dein; und mein muss es auch bleiben.»


Herkules, der zwischen den Säulen des Tores stand, lauschte und hörte den Streit, und wunderte sich sehr als die zwei schönen Maiden um den Besitz des Rehs stritten.


Eine andere Stimme drang an sein Ohr und sagte in gebieterischem Ton: «Das Reh gehört keiner von beiden, o Herkules, sondern dem Gott, dessen Schrein du dort auf fernem Berg siehst. Geh', rette es und trage es zur Sicherheit in den Schrein, und lass' es dort. Ein einfach, Ding zu tun, o Sohn der Menschen, jedoch - (und überlege meine Worte wohl) als Gottessohn kannst du das Reh suchen und behalten. Geh' nun voran.»


Durch das vierte Tor sprang Herkules und liess alle Gaben zurück, die er erhalten hatte, um sich nicht zu belasten bei der schnellen Jagd die vor ihm lag. Aus der Ferne beobachteten ihn die streitenden Mädchen. Artemis, die Schöne, beugte sich aus dem Mond, und Diana, die schöne Jägerin der Wälder Gottes, verfolgten beide die Bewegungen des Rehs und im gegebenen Moment versuchten sie Herkules irrezuführen und seine Bemühungen zunichte zu machen. Er jagte das Reh von Ort zu Ort, und jede täuschte ihn mit schlauer List. Das taten sie immer wieder.


Während eines ganzen Jahres verfolgte der Menschensohn, der ein Sohn Gottes ist das Reh von Ort zu Ort, erhaschte flüchtigen Schimmer seiner Form, nur um von neuem zu entdecken, dass er es in der tiefen Wälderweite verloren hatte. Von Hügel zu Hügel, von Wald zu Wald, jagte er es, bis er es nahe eines ruhigen Teiches schlafend fand, in voller Länge ausgestreckt auf unzertret'nem Gras, müde von langer Flucht.


Ruhigen Schrittes, mit ausgestreckter Hand und sicherem Auge, schoss er den Pfeil ab und verwundete das Tier am Fuss. Unter Einsatz seiner ganzen Willenskraft ging er nun näher, das Reh aber rührte sich nicht. So kam er ganz heran, nahm das Reh in seine Arme und drückte es ans Herz. Artemis und die schöne Diana sahen ihm zu.


«Die Suche ist vorüber,» sang er laut. «In nordische Dunkelheit ward ich geführt und fand kein Reh. Durch tiefes Wälderdunkel erkämpfte ich mir den Weg, fand aber kein Reh; und über öde Ebenen, durch dürre Wildnis, verlassene Wüsten, verfolgte ich das Reh, doch fand ich es nicht. An jedem der erreichten Orte wendeten die Jungfrauen meine Schritte, doch liess ich nicht nach, und jetzt ist das Reh mein! Das Reh ist mein!»


«Nicht so, o Herkules,» drang die Stimme an sein Ohr von einem, der dicht beim Grossen Einen stand, der den Vorsitz führt in der Ratshalle des Herrn. «Das Reh gehört keinem Sohn der Menschen, auch wenn er ein Sohn Gottes ist. Trage das Reh zu jenem fernen Schrein, wo die Söhne Gottes wohnen, und lass es dort bei ihnen.»


«Warum das, o weiser Lehrer? Das Reh ist mein, mein durch langes Suchen und Wandern, und mein, weil ich es nah an meinem Herzen trage!»


«Und bist du nicht ein Gottessohn, obwohl ein Sohn der Menschen? Und ist der Schrein denn nicht auch deine Wohnung? Und teilst du nicht das Leben aller, die darin wohnen? Trag' nun das heilige Reh zum Schrein Gottes und lass' es dort, o Gottessohn!»




So brachte Herkules das Reh zum heiligen Schrein von Mykenae, trug es in das Innerste des heiligen Ortes und legte es dort nieder. Und als er es vor dem Herrn niederlegte bemerkte er die Wunde an dem Fuss, die durch den Pfeil des Bogens, den er besessen und gebraucht hatte, entstanden war. Das Reh war sein durch das Recht seiner Suche. Das Reh war sein durch das Recht seiner Geschicklichkeit und die Kraft seines Armes. «Das Reh ist deshalb doppelt mein,» sagte er.


Aber Artemis, die im äusseren Hof des höchsten Heiligtumes stand, hörte seinen Siegesruf und sagte: «Nicht so! Das Reh ist mein und war es immer. Ich sah seine Form, die sich im Wasser spiegelte; ich hörte seine Füsse auf den Pfaden der Erde; ich weiss, das Reh ist mein, denn jede Form ist mein.»


Da sprach der Sonnengott aus dem Heiligtum: «Das Reh ist mein, nicht dein, o Artemis! Sein Geist verbleibt bei mir seit aller Ewigkeit - hier, im Innersten des heilgen Schreins. Hier kannst du nicht eintreten o Artemis, doch wisse, ich spreche die Wahrheit. Diana, jene schöne Jägerin des Herrn, mag einen Augenblick eintreten und dir sagen, was sie sieht.»


Für einen kurzen Augenblick trat die Jägerin des Herrn in den Schrein und sah die Form, die das Reh war, vor dem Altare liegen, scheinbar tot. Und sagte kummervoll: «Wenn aber sein Geist bei dir weilt, o grosser Apoll, edler Sohn Gottes, dann wisse, das Reh ist tot. Das Reh wurde erschlagen von dem Mann, der ein Sohn der Menschen ist, wenn auch ein Gottessohn. Warum darf er in den Schrein, und wir müssen das Reh hier draussen erwarten?»


«Weil er das Reh auf seinen Armen trug, direkt an seinem Herzen. Am heiligen Ort findet das Reh Ruhe, und so auch der Mensch. Alle Menschen sind mein. Das Reh ist gleichermassen mein, nicht dein; auch nicht des Menschen, sondern mein.»




Und Herkules, von seiner Prüfung heimkehrend, ging wieder durch das Tor und fand seinen Weg zurück zu dem Lehrer seines Lebens.


«Ich habe die Aufgabe erfüllt, die mir der Grosse Eine, der den Vorsitz führt, gestellt. Einfach war sie, ausser der Länge der Zeit und der ermüdenden Suche. Ich hörte nicht auf jene, die auf das Reh Anspruch erhoben, noch zögerte ich auf dem Weg. Das Reh ist an dem heiligen Ort, nahe dem Herzen Gottes und gleicherweise - in der Stunde der Not, auch meinem Herzen nahe.»


«Geh', Herkules, mein Sohn, schau' nochmals durch die Säulen des Tors!» Und Herkules gehorchte. Hinter dem Tor erstreckte sich die Landschaft in schönen Linien, und am fernen Horizont stand der Tempel des Herrn, der Schrein des Sonnengottes mit schimmernden Zinnen. Und nahebei, auf einem sanften Hügel stand ein schlankes Reh.


«Bestand ich die Prüfung, o weiser Lehrer? Das Reh steht wieder auf dem Hügel, wo es schon früher stand!»


Aus der Ratshalle des Herrn, wo der Grosse Eine den Vorsitz führt, kam eine Stimme: «Wieder und immer wieder müssen alle Menschensöhne, welche die Söhne Gottes sind, nach dem goldgehörnten Reh suchen und es zu dem heiligen Orte tragen - wieder und immer wieder.»


Dann sagte der Lehrer zu dem Sohn der Menschen, der ein Sohn Gottes ist: «Die vierte Arbeit ist vollbracht. Doch der Natur der Prüfung und der Natur des Rehs gemäss, muss die Suche häufig sein. Vergiss das nicht, und denke nach über die gelernte Lektion.»
 
Die Herausforderung diese Zeichens besteht darin das Wissen das der Aspirant erworben hat nun anzuwenden. Hier geht es nicht um ein tun sondern um die Art der inneren annahme
Welcher Stimme soll er folgen bedeutet eben das: wie soll er das was seine Sinne wahrnehmen und seine Empfindungen und Instinkte Ihn wissen lassen IM RECHTEN MASSE umsetzen.

Wir finden das REH als flüchtige Form des Äußeren Scheins..all das was dem Aspiranten nun im weiteren Leben wiederfährt.
Er weiss um die Herkunft dieser Erscheinung..den unsterblichen wahren Anteil..den Geist hier in der Sonne, die DIREKT auf die Erde scheint und den WEG des Geistes der sich vollendet indem er die Form verlässt
...und der belebten Materie im Bild des Mondes, die REFLEXION der Sonne, dessen Licht die Erde beleuchtet.

So ist die Form die den Geist offenbart wie diese Reflexion..unwirklich und doch wirklichen Ursprunges.
Von daher erhebt Artemis Anspruch auf das Reh. Der Geist der sich in der Form verwirklicht und Ausdruck findet.
Und Herkules findet die beiden im Wettstreit, den alles was Ihm begegnet liegt zwischen Geburt, Wachstum,....dem Geist der Form annimmt
und werden und vergehen....dem Geist der die Form verlässt.

So liegt es nun an Ihn herauszufinden was der richtige umgang mit diesen Sinneseindrücken ist, die Ihn so zahlreich von außen erreichen.
Soll er leiden mit dem Sterbenden, den er liebt?
Soll er sich freuen mit der Geburt, der aus der geistigen Eben doch wie ein Fall in die Materie wirkt?
Beginnt er zu verstehen was Krankehit Leid und Tod bezwecken?
Kann er die HEILUNG in der Krankheit sehen?

Dies gleicht einer Jagd, denn alte Gewohnheiten und Instinkte mischen sich mit der neu erworbenen Erfahrung von „was so ist“
Schließlich scheint Herkules einen Weg gefunden zu haben.
Er nimmt das Reh an sein Herz.
Er beschließt alles was Ihm dort im Aussen begegnet zu lieben, egal was es ist.

Doch auch diese Liebe ist eine Bindung, Illusion.
Indem er es an sein Herz nimmt, es liebt, wird das Reh unfrei. Es kann seinen Weg nicht von SELBST gehen.
DIESE LIEBE ist schwer zu begreifen.
Die Liebe in Liebe frei zu geben für das Leid.
Denn ist es erjagt, ist es doch verletzt. Es ist nicht frei.

Und Herkules hat Probleme es FREI zu geben.
Etwas zu lieben OHNE es an sich zu binden, es einzuengen, die Lieb FREI zu lassen auch in der WAHL zu leiden, ist eine schwierige Lektion.


«Und bist du nicht ein Gottessohn, obwohl ein Sohn der Menschen? Und ist der Schrein denn nicht auch deine Wohnung? Und teilst du nicht das Leben aller, die darin wohnen? Trag' nun das heilige Reh zum Schrein Gottes und lass' es dort, o Gottessohn!»

Er muss das Reh FREI geben, auch in der Liebe..ANGEWANDT ist das eine schwierige INNERE Lektion.
Frei ist es im Ursprung, im Geist in der Form UND in der WAHL des Weges.

Herkules trägt es zurück zu seinem Ursprung.
indem er das tut...den URSPRUNG der Form des Weges und des Geistes zu verstehen beginnt, kann er es frei geben.

>Aber Artemis, die im äusseren Hof des höchsten Heiligtumes stand, hörte seinen Siegesruf und sagte: «Nicht so! Das Reh ist mein und war es immer. Ich sah seine Form, die sich im Wasser spiegelte; ich hörte seine Füsse auf den Pfaden der Erde; ich weiss, das Reh ist mein, denn jede Form ist mein.»


Als REH ist es an die FORM gebunden



>Da sprach der Sonnengott aus dem Heiligtum: «Das Reh ist mein, nicht dein, o Artemis! Sein Geist verbleibt bei mir seit aller Ewigkeit - hier, im Innersten des heilgen Schreins. Hier kannst du nicht eintreten o Artemis, doch wisse, ich spreche die Wahrheit. Diana, jene schöne Jägerin des Herrn, mag einen Augenblick eintreten und dir sagen, was sie sieht.»

Als GEIST der sich als REH erfahren will, ist der GEIST ebenfalls an diese Form gebunden

und doch ist BEIDES das Resultat einer WAHL (eines Willens)

>Für einen kurzen Augenblick trat die Jägerin des Herrn in den Schrein und sah die Form, die das Reh war, vor dem Altare liegen, scheinbar tot. Und sagte kummervoll: «Wenn aber sein Geist bei dir weilt, o grosser Apoll, edler Sohn Gottes, dann wisse, das Reh ist tot.

Solange der GEIST nur GEIST ist gibt es kein Reh und weil Herkules es dem Ursprung dieses Geistes, der Quelle zurückgegeben hat, hat er das Reh getötet


>Das Reh wurde erschlagen von dem Mann, der ein Sohn der Menschen ist, wenn auch ein Gottessohn. Warum darf er in den Schrein, und wir müssen das Reh hier draussen erwarten?»

Herkules darf in den Schrein weil er auf dem Weg ist mit Gott, der Quelle EINS zu werden (er ist DANN kein Geist mehr, der sich erfahren will, das anstrebt)


«Weil er das Reh auf seinen Armen trug, direkt an seinem Herzen. Am heiligen Ort findet das Reh Ruhe, und so auch der Mensch. Alle Menschen sind mein. Das Reh ist gleichermassen mein, nicht dein; auch nicht des Menschen, sondern mein.»

Im Ursprung findet alles zu sich selbst zurück

Die Liebe ist es die Ihn diesen Weg erkennen lässt. Der GEIST der er noch ist erhebt sich zu diesem seinem göttlichen Ursprung. Noch ist Herkules wie zwei Seiten einer Münze..er hat die Göttlichkeit in sich erfahren und ist doch Mensch. In diesem Zustand (dem Weg des Aspiranten) kann nur das eine (Göttlichkeit..Gotteserfahrungen, außergewöhnliche Bewusstseinszustände) oder das andere (Meschlichkeit) erfahren werden.
Der Weg des Aspiranten beschreibt wie diese unterschiedlichen Seiten EINER Münze GLEICH werden..(die eine Seite wie die andere wird, so das sie sich als EINS erfahren können)


>nahe dem Herzen Gottes und gleicherweise - in der Stunde der Not, auch meinem Herzen nahe.»


So ist das Reh, die flüchtige Form am Ende, sowohl bei Gott als auch bei Herkules

Das letzte Bild dieser Prüfung ist wichtig


«Geh', Herkules, mein Sohn, schau' nochmals durch die Säulen des Tors!» Und Herkules gehorchte. Hinter dem Tor erstreckte sich die Landschaft in schönen Linien, und am fernen Horizont stand der Tempel des Herrn, der Schrein des Sonnengottes mit schimmernden Zinnen. Und nahebei, auf einem sanften Hügel stand ein schlankes Reh.>


In Wahrheit hat sich NICHTS verändert im aussen, nur die innere Wahrnehmung des Aspiranten und wie er mit den Eindrücken die Ihn erreichen umgeht.
 
Regina.Svoboda schrieb:
Das EGO kann DIESE Kräfte NIEMALS überwinden, so ist die ERSTE Lehre, die bitterste und der Stolz des Herkules zerbricht, beim Anblick des toten Freundes.
Es gibt im Zen irgendein Koan (ist mir leider entfallen welches), das den Schüler lehren soll, dass er im Angesicht seines Todes versagen wird. Es ist unumgänglich. Diesen Anblick kann der Mensch alleine nicht verkraften, bedeutet es doch den Tod der eigenen Persönlichkeit. Die Seele des Menschen ist aber mehr als seine Persönlichkeit. Nur dank ihr kann der Mensch durch solche Situationen gehen. Aber er tut es nicht aus eigener Kraft. Es ist nicht das Ego, das hierfür die Kraft aufbringen kann. Es ist etwas anderes.
 
zunächst freut es mich das Du hier etwas gelesen hast.
Ich kann Dir nur zustimmen, der Tod ist ein grosser Übergang den weder das Ego noch der Geist überwinden können. Dieser Übergang bietet aber auch grosse Möglichkeiten und die Buddhisten wissen das.
Und ja es ist ein Sterben. In Wahrheit ist es ein Sterben und eine neue Geburt...die Frage ist nur: wie viel davon wird (bewusst) wahrgenommen?
LG
Regina
 
Die fünfte Arbeit


Das Erschlagen des Nemeischen Löwen


Die Sage


Der Grosse Eine, der den Vorsitz führt, sass in der Ratshalle des Herrn und beriet den Plan Gottes für alle Menschensöhne, die auch die Söhne Gottes sind. Der Lehrer stand zu seiner Rechten und lauschte seinen Worten. Und Herkules ruhte von seinen Mühen aus.


Der grosse Eine Ratsvorsitzende in der Ratshalle des Herrn betrachtete den ermüdet ruhenden Krieger und beobachtete seine Gedanken. Dann sagte er zum Lehrer, der dicht an seiner Seite stand in der Ratshalle des Herrn: Die Zeit für eine gefürchtete Aufgabe rückt jetzt heran. Dieser hier, der ein Sohn der Menschen und doch ein Sohn Gottes ist, muss vorbereitet werden. Lass' ihn die Waffen sorgsam prüfen, die ihm zu eigen sind. Den Schild muss gut er reiben, bis er glänzt, die Pfeile in die Todeslösung tauchen, denn furchtbar und gefährlich ist die Arbeit, die nun kommt! Lass' ihn sich vorbereiten.


Doch Herkules, der nach den grossen Mühen ruhte, kannte die Prüfung nicht, die vor ihm lag. Er fühlte seinen kühnen Mut. Er ruhte sich von seiner Arbeit aus, und immer wieder jagte er das heilige Reh hinter dem vierten Tor geradewegs zum Tempel des Herrn. Die Zeit kam, wo das scheue Reh den Jäger gut kannte, der es verfolgte. Es folgte zahm auf seinen Ruf. So nahm es Herkules wieder und wieder an sein Herz und suchte den Tempel des Herrn. So ruhte er.


Bis an die Zähne bewaffnet mit allen Gaben des Krieges und des Kriegers stand Herkules vor dem fünften Tor. Und als er so stand, sahen die zuschauenden Götter seinen festen Schritt, sein kühnes Auge und seine rasche Hand. Doch tief in seinem Herzen waren Fragen. «Was tu' ich hier,» so sagte er, «was ist die Prüfung und wozu versuche ich durch dieses Tor zu schreiten?» Und während er so sprach wartete er, lauschend auf eine Stimme. «Was tu' ich hier, o Lehrer meines Lebens, bewaffnet, wie du siehst, in voller Kriegsausrüstung? Was tu' ich hier?»


«Ein Ruf ist ausgegangen, o Herkules, ein Ruf aus tiefer Not. Dein äuss'res Ohr hat nicht auf diesen Ruf geachtet. Und doch, dein inn'res Ohr kennt gut die Not, denn es hat eine Stimme gehört, ja, viele Stimmen, die dir von dieser Not erzählen und dich zum Weitergehen treiben. Die Leute von Nemea suchen deine Hilfe. Sie sind in tiefer Trübsal. Der Ruf von deinem Mut ist weit hinausgedrungen. Sie bitten dich, dass du den Löwen tötest der ihr Land verwüstet und Menschenopfer reisst.»


«Ist das der wilde Ton, den ich nun höre?» frug Herkules. «Ist es das Brüllen eines Löwen, das ich höre in der Abendluft?» Der Lehrer sagte: «Geh» suche den Löwen, der das Land verwüstet, das jenseits des fünften Tores liegt. Das Volk dieses verwüsteten Landes lebt still hinter verschlossenen Türen. Sie wagen nicht mehr, ihren Pflichten nachzugeh'n, noch ihre Äcker zu bestellen oder zu säen. Von Nord bis Süd, von Ost bis West jagt der Löwe, und raubend erfasst er alle, die seinen Weg durchkreuzen. Sein schreckliches Gebrüll ist durch die ganze Nacht zu hören, und alle zittern hinter fest verschloss'nen Türen. Was wirst du tun, o Herkules? Was wirst du tun?»


Und Herkules, mit lauschendem Ohr, reagierte auf die Not. Diesseits des grossen Tores, welches das Land Nemea fest beschützte, liess er die ganze Kriegsausrüstung fallen, behielt für den Gebrauch nur seinen Bogen und die Pfeile. «Was tust du jetzt, o Sohn der Menschen, der gleicherweise ein Sohn Gottes ist? Wo sind die Waffen und die starke Wehr?» «Dies stattliche Gehäng' von Waffen drückt mich nieder, verzögert meine Eile und hindert meinen Aufbruch auf den Weg. Sende den Leuten von Nemea jetzt die Botschaft, ich sei auf meinem Weg. Und bitte sie, ganz ohne Furcht zu sein.»




Von Ort zu Ort wanderte Herkules und suchte den Löwen. Er fand die Leute von Nemea, die sich hinter verschlossenen Türen verbargen, ausser einigen wenigen, die sich aus Verzweiflung oder Not hinauswagten. Sie gingen auf der Landstrasse im Tageslicht, aber voller Furcht. Zuerst begrüssten sie Herkules mit Freude und dann mit ängstlichen Fragen, als sie die Art seines Wanderns sahen, ohne Waffen oder viel Kenntnis über die Gewohnheiten des Löwen, mit nichts als einem Bogen und Pfeilen. «Wo sind deine Waffen, o Herkules? Hast du denn keine Furcht? Warum suchtest du den Löwen ohne Mittel der Verteidigung? Geh', hole deine Waffen und den Schild! Der Löwe ist wild und stark, und Zahllose hat er verschlungen. Warum so viel riskieren? Geh', suche deine Waffen und deine Ausrüstung der Stärke.» Aber ruhig, ohne Antwort, ging der Sohn der Menschen, der ein Sohn Gottes war, vorwärts auf seinem Weg, die Spur des Löwen suchend und seiner Stimme folgend.


«Wo ist der Löwe?» frug Herkules. «Hier ist der Löwe,» kam die Antwort. «Nein, dort!» befahl eine Stimme der Furcht. «Nicht so,» antwortete eine dritte, «ich hörte wild sein Brüllen über dem Berg in dieser Woche,» «und ich, ich hört' es auch, gleich hier, in diesem Tal, hier wo wir stehen!» Und wieder eine andre Stimme sagte: «Ich sah doch seine Spuren auf dem Weg den ich ging. So höre meine Stimme, Herkules, verfolge ihn zu seinem Lager!»




So verfolgte Herkules seinen Weg, furchtsam und doch ohne Furcht, allein und dennoch nicht allein, denn auf der Spur die er verfolgte standen andere und folgten ihm voll Hoffnung und zitternder Angst. Tagelang und durch mehrere Nächte suchte er den Weg und lauschte auf des Löwen Brüllen, während das Volk von Nemea hinter verschlossenen Türen kauerte.


Plötzlich sah er den Löwen. Er stand am Rand eines tiefen Dickichts junger Bäume. Als er den Feind nahen sah, und einen, der ganz furchtlos schien, brüllte der Löwe und die jungen Bäume bebten bei seinem Brüllen, die Nemeer flohen und Herkules stand still. Er fasste seinen Bogen und die Pfeile, und schoss mit sicherer Hand und geübtem Auge einen Pfeil nach der Schulter des Löwen. Genau flog er ins Ziel, doch fiel er auf die Erde, denn er konnte in die Schulter des Löwen nicht eindringen. Wieder und wieder schoss Herkules auf den Löwen, bis kein Pfeil mehr in seinem Köcher war. Dann kam der Löwe auf ihn zu, unberührt und unverwundet, und wild vor Zorn. Ganz furchtlos. Den Bogen auf die Erde werfend stürzte der Sohn der Menschen, der ein Sohn Gottes war, mit wildem Schrei dem Löwen entgegen, der auf dem Pfad stand und ihm den Weg versperrte, erstaunt über die Tapferkeit, die ihm bisher noch nicht begegnet war. Denn Herkules kam näher. Plötzlich wandte sich der Löwe um und sprang vor Herkules in das Dickicht am felsigen Rand eines steilen Bergwegs.


So ging die Verfolgung weiter. Und plötzlich, im Weitergehen auf dem Weg, verschwand der Löwe und war nicht mehr zu sehen und zu hören.


Herkules hielt inne auf dem Pfad und stand still. Er suchte nach allen Seiten, fasste fester seine starke Keule, die selbstgeschaffene Waffe, die Gabe, die er sich selbst vermacht hatte in lang vergangenen Tagen - seine sichere Keule. Nach allen Seiten suchte er; auf jedem Seitenweg, weiter, von einem Punkt zum nächsten auf dem schmalen Pfad, der steil den Berghang querte. Plötzlich kam er an eine Höhle und aus der Höhle kam ein starkes Brüllen, eine rasselnd wilde Stimme, die nun zu sagen schien: «Steh still, oder verlier dein Leben!» Und Herkules stand still und rief dem Volk des Landes zu: «Der Löwe ist hier! Erwartet meine Tat, die ich jetzt tue.» Und Herkules, ein Sohn der Menschen und doch ein Gottessohn, betrat die Höhle, ging durch die ganze dunkle Länge bis in das Licht des Tages. Er fand keinen Löwen, nur eine andre Öffnung in der Höhle, die in das Licht des Tages führte. Und als er dastand hörte er den Löwen hinter sich, nicht vorne.


«Was soll ich tun», sprach Herkules zu sich. «Die Höhle hat zwei Ausgänge und wenn ich zu einer eintrete, verlässt der Löwe sie durch den anderen. Was soll ich tun? Waffen helfen mir nicht. Wie töte ich den Löwen und rette das Volk vor seinen Zähnen? Was soll ich tun?» Und als er sich umsah, was er tun könnte, und auf das Brüllen des Löwen lauschte, sah er einen Holzstoss und eine Menge Äste und Bündel kleiner Zweige in der Nähe liegen. Er zerrte ihn zu sich mit aller Macht, legte die Äste und kleinen Zweige oben auf die Öffnung und versperrte so den Weg ins Tageslicht sowohl nach drinnen wie nach draussen, und sperrte so sich mit dem Löwen in die Höhle. Dann wandte er sich dem Löwen zu.


Rasch packte er den Löwen mit seinen beiden Händen, hielt ihn fest und würgte ihn. Nahe kam ihm sein Atem und versengte sein Gesicht. Er aber hielt immer noch die Kehle fest in seinem Würgegriff. Schwächer und schwächer wurde das Gebrüll des Hasses und der Furcht, schwächer und schwächer wurde der Feind der Menschen; tiefer und tiefer sank der Löwe zu Boden, doch Herkules hielt stand. So tötete er den Löwen mit seinen blossen Händen, ohne Waffen, nur durch die eigene grosse Stärke.


Er tötete den Löwen, zog ihm das Fell ab und zeigte es dem Volk vor dem Eingang der Höhle. «Der Löwe ist tot!» riefen sie. «Der Löwe ist tot! Jetzt können wir leben, unser Land bebauen, die nötige Saat bestellen und in Frieden miteinander wandeln. Der Löwe ist tot, und gross ist unser Retter, der Sohn der Menschen, der ein Sohn Gottes ist, mit Namen Herkules!»






So kehrte Herkules im Triumph zurück zu dem Einen, der ihn ausgesandt hatte, seine Stärke zu prüfen, zu dienen und denen zu helfen, die in bitterer Not sind. Er legte die Haut des Löwen zu Füssen dessen nieder, welcher der Lehrer seines Lebens war und erhielt die Erlaubnis, das Fell anstelle des schon abgenutzten zu tragen.


«Die Tat ist getan, das Volk ist frei. Es gibt keine Furcht mehr, der Löwe ist tot. Mit eigenen Händen würgte ich den Löwen und tötete ihn.»


«Wieder, o Herkules, schlugst du einen Löwen. Wieder würgtest du ihn. Der Löwe und die Schlangen müssen wieder und wieder erschlagen werden. Gut gemacht, mein Sohn. Geh, und ruhe dich aus in Frieden mit denen, die du von der Furcht befreit hast. Die fünfte Arbeit ist vorüber. Ich gehe, dem Grossen es zu sagen, der den Vorsitz führt und wartend in der Ratshalle des Herrn verharrt. Ruhe jetzt aus in Frieden.»


Und von der Ratshalle kam die Stimme: «Ich weiss.»
 
Wir finden das Herkules wieder und wieder das Reh zu seinem Ursprung trägt.
Es ist eine Form der Hilfe die er anbietet und für die er sich entscheidet. Es ist eine Wahl, denn die Freiheit den Schmerz zu wählen, das anzuerkennen bedeutet nicht, keine Hilfe zu sein. Es bedeutet nur, sie nicht auf zu zwingen und auch die eigene Bereitschaft die angebotenen Hilfe selbst stets zu hinterfragen. Doch das Reh wird zahm..es muss nicht mehr gejagt werden.
Die Hilfe des Aspiranten wird Schritt für Schritt akzeptiert, verstanden, angenommen.
Es sind nur kleine Schritte, keine großen, doch das Wirken zieht Kreise.
Das Erschlagen des nemeischen Löwen?
Was ist der Löwe in unserem Bild...es ist der Ausdruck und der Wunsch zu herrschen.
Die STRUKTUR dieser Herrschaft, die der Aspirant vorfindet.
Sie beherrscht die Menschen. Man beugt sich dieser Struktur und diese Struktur ist nicht liebevoll nährend.. sie wird als gefährlich, als bedrohlich empfunden.
Die Bevölkerung beugt sich der Macht der Ihnen vorgegebenen Strukturen und empfindet zugleich große Not.
Der Aspirant hat NIEMALS DAS ZIEL(!!) diese Struktur zu stürzen!!!
Das ist nicht sein Ziel...wir sehen das gut an Herkules der sich berechtigt fragt: was tue ich hier?? Warum sollte ich ÜBERHAUPT mit dieser Struktur in Konflikt kommen?
Doch der Ruf ist ausgegangen .... die Not der Menschen.
Das mögen höhere Motive sein, aber keine bewusst gewählten.
Der Aspirant ist kein Rebell.
Er bekämpft diese Struktur nicht FÜR die Menschen, sondern an Ihrer statt.
Der Aspirant wird sich (OHNE ES ANZUSTREBEN ODER ES ZU WOLLEN!!) in Konflikt mit diesen Strukturen finden.
Will er sie im außen bekämpfen, so prallen die Pfeile ab und der Löwe bleibt unverwundet. Nur in der Höhle.......in der eigenen Begegnung mit diesen das Volk niederdrückenden Strukturen, wird er den Löwen FÜR SICH besiegen.
Und WEIL das so ist, sieht das VOLK nur das Resultat. Es sieht das es möglich ist dem Zwang des Systems NICHT nachzugeben...das es möglich ist, den Löwen zu erschlagen.
Die ART des Aspiranten NICHT der Furcht nachzugeben, UNBEEINDRUCKT zu bleiben,
an seinem Weg festzuhalten, hat Vorbildwirkung.
Herkules trägt fortan das FELL des Löwen, weil so wie das System einen WILLEN ausdrückt und den freien Willen erstickt, er zeigt, das SEIN WILLE stärker ist.
Darum trägt er nun (erneut) das Fell des Löwen.
Die Willenskraft des Aspiranten wurde so herausgefordert, nach vielen Prüfungen die Demut forderten.
Er besiegt die Kraft die den individuellen Willen beugen will mit dem Instrument der Angst IN SICH.
Nicht indem er dagegen ankämpft(!!) sondern indem das System, der ausgeübte Zwang, nichts an seinem WILLEN/seiner Überzeugung, seinem Leben ändern kann.
Das ist das verdunkeln der Höhle..der Kampf wird im INNEREN geführt und das Erwürgen mit blosen Händen.

Wir finden noch ein wichtiges Bild..er legt die Haut des Löwen ab..zu Füssen seines Lehrers.
DIESEM LEHRER..der Stimme seines Herzens, seine innere Führung /Gott, wie IMMER man es nennen will, unterwirft sich der Aspirant.
IMMER.
Er erhält die Erlaubnis bedeutet auch....sein Wille ist es Gott zu dienen.
Er macht so seinen Willen zum Willen Gottes.
So ist es beides...er setzt seinen Willen ein und unterwirft sie doch Gott.

Es ist schwierig für so etwas passende Worte zu finden ohne in Gefahr zu laufen missverstanden zu werden.....

Regina
 
Die sechste Arbeit


Das Ergreifen des Gürtels der Hippolyta


Die Sage


Der grosse Eine Ratsvorsitzende rief den Lehrer, der über Herkules wachte. «Die Zeit rückt näher, sagt er. «Was macht der Menschensohn, der ein Sohn Gottes ist? Ist er bereit hinauszuzieh'n und seinen Mut mit einem Feind and'rer Art nun zu erproben? Kann er das sechste grosse Tor nunmehr durchschreiten?»


Der Lehrer sagte «Ja». In seinem Innern war er sich gewiss, der Jünger sei bereit zur neuen Arbeit, wenn das Wort an ihn erginge. Dies sagte er dem grossen Einen in der Ratshalle des Herrn.


Sodann erging das Wort. «Erhebe dich o Herkules, durchschreite nun das sechste grosse Tor.» Und gleicherweise ging ein and'res Wort, doch nicht an Herkules, sondern an jene, die an den Ufern des grossen Ozeans wohnten. Sie lauschten und hörten.





An jenen Ufern lebte die grosse Königin, die alle Frauen der damals bekannten Welt regierte. Sie waren ihre Vasallen und ihre tapf'ren Kriegerinnen. Innerhalb ihres Reiches fand sich kein einziger Mann. Nur die Frauen, um ihre Königin versammelt. Im Tempel des Mondes verrichteten sie täglich ihr Gebet und opferten dem Mars, dem Gott des Krieges.


Sie waren von ihrem jährlichen Besuch am Wohnort der Männer zurückgekehrt. Im Bereich des Tempels warteten sie auf ein Wort Hippolytas, ihrer Königin, die auf den Stufen des Hochaltars stand, den Gürtel tragend, den Venus, die Königin der Liebe, ihr gegeben hatte. Dieser Gürtel war ein Symbol, das Symbol der Einheit, die durch Ringen, Kampf und Streben erreicht wird, Symbol der Mutterschaft und des heiligen Kindes, zu dem sich alles menschliche Leben wahrhaft wendet.


«Das Wort ist ausgegangen», sagte sie. «Ein Krieger ist auf seinem Weg hierher. Sein Name ist Herkules, ein Sohn der Menschen und dennoch ein Sohn Gottes; ihm muss ich diesen Gürtel übergeben, den ich trage. Wollen wir dem Wort gehorchen, o Amazonen, oder sollen wir gegen das Wort Gottes kämpfen?» Und während sie auf ihre Worte lauschten und das Problem bedachten, kam erneut Kunde. Er sei schon da, vor seiner Zeit, und warte draussen, um den heiligen Gürtel der kämpferischen Königin sich nun zu holen.


Hinaus zu dem Sohn Gottes, der auch ein Sohn der Menschen war, trat jetzt Hippolyta, die Kriegerkönigin. Er focht und rang sogleich mit ihr und hörte nicht die schönen Worte, die sie bestrebt war ihm zu sagen. Den Gürtel, den sie ihm mit den Händen bot, die seltene Gabe des Symbols der Einheit und der Liebe, des Opfers und des Glaubens, entriss er ihr mit seinen eignen Händen. Und im Entreissen mordete er sie, und tötete damit die eine, die ihn mit dem beschenkte was er gewollt. Als bei der Sterbenden er stand, entsetzt über die eigne Tat, hörte er den Lehrer sprechen:


«Mein Sohn, warum erschlägst du was dir frommt, was nahe dir ist und teuer? Warum die Eine töten, die du liebst, die Geberin der guten Gaben, die Hüterin des Möglichen? Warum die Mutter des heiligen Kindes töten? Wieder verzeichnen wir ein Versagen. Wiederum hast du nicht verstanden. Dieser Augenblick muss wieder gutgemacht sein, ehe erneut du mir vor Augen trittst.»


Dann Schweigen. Und Herkules machte sich auf, den Heimweg anzutreten, den Gürtel fest an seine Brust gedrückt. Die Frauen liess er trauernd und ihrer Führerin und ihrer Liebe beraubt, zurück.




Wieder kam Herkules an die Gestade des grossen Ozeans. Nahe beim felsigen Strand sah er ein Ungeheuer in der Tiefe, das zwischen seinen Kiefern die arme Hesione festhielt. Ihre Schreie und Seufzer stiegen bis hoch zum Himmel und drangen an das Ohr des Herkules, der reuevoll dahinschritt, ohne auf seinen Weg zu achten. Rasch eilte er hinab, um ihr zu helfen, jedoch er kam zu spät. Sie verschwand im Höhlenrachen der Seeschlange, des Untiers von so üblem Ruf. Sich selbst vergessend, stürzte der Sohn der Menschen, der ein Sohn Gottes war, sich in die Flut, durchschnitt die Wogen und erreichte das Ungeheuer, das sich in raschem Angriff nach dem Menschen wandte und brüllend weit das Maul aufriss. Herkules stürzte sich in den roten Schlund seiner Kehle auf der Suche nach Hesione und fand sie tief im Bauch des Ungeheuers. Mit seinem linken Arm ergriff er sie und hielt sie fest. Dann bahnte er mit seinem treuen Schwert den Weg sich aus dem Bauch der Schlange in das Licht des Tages. So rettete er sie, zum Ausgleich für die frühere Tat des Todes. So ist das Leben, - eine Tat des Todes, eine Tat des Lebens - so lernen die Söhne der Menschen, die Söhne Gottes sind. Sie lernen Weisheit, Ausgleich und lernen dadurch, den Weg mit Gott zu wandeln.


Aus der Ratshalle des Herrn sah der Eine Grosse, der den Vorsitz führt, ihm zu. Und auch der Lehrer, der an dessen Seite wirkt, sah zu. Durch das sechste Tor ging wieder Herkules. Da er dies sah, und beides sah, den Gürtel und die Jungfrau, sprach der Lehrer und sagte: «Die sechste Arbeit ist vollbracht. Du tötetest was dich umsorgte, was ohne dass du's wusstest und erkanntest die nötige Liebe und die Macht dir gab. Du hast gerettet, was dich brauchte, und so sind beide wieder eins. Denke erneut über die Wege des Lebens nach, indem du die Wege des Todes bedenkst. Geh, ruhe nun mein Sohn.»
 
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Also ich fürchte mit der Interpretation der 6.Arbeit des Aspiranten werde ich einige überraschen.
Sie schildert nämlich.........
den Tod des Aspiranten aus der Sicht des Geistes.

Mit dem Verfehlen in der 6.Arbeit endet das Leben des Aspiranten und beginnt neu (in einer erneuten Inkarnation) geschildert im Suchen und Retten von Hesione. Es schildert die Entscheidung dieser Verfehlung (Fehleinschätzung) entgegenzuwirken und NEU zu inkarnieren.

Ich werde ..morgen.. genauer auf die Symbole eingehen.
 
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