Hier ein Kommentar dazu aus der Süddeutschen Zeitung, zu finden unter:
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In Zeiten des Papstbesuchs wird viel über den Glauben diskutiert. Viele Menschen treten aus der Kirche aus, sagen aber von sich, sie sind gläubig. Kann man ohne Kirche glauben?
sueddeutsche.de/,tt1l19/muenchen/special/409/83326/index.html/muenchen/artikel/166/85081/article.html
Identifik(a)tion
Wenn ich mich öffentlich - sogar als zahlendes Mitglied - zu einer bestimmten Gruppe bekenne, dann muss ich mir gefallen lassen, dass man mein Einverständnis mit den Handlungen dieser Gruppe und ihrer Führer voraussetzt. Oder warum sonst wird Günter Grass wegen seiner zeitweiligen Mitgliedschaft in der SS als junger, naiver Mensch jetzt so heftig angegriffen? Ich war als junger, naiver Mensch glühend katholisch und habe sogar Religionspädagogik studiert, aber das Missionieren verging mir mit der Entwicklung meines autonomen Denkens und Gewissens. Die katholische Kirche erwartet nicht nur, dass sich ihre Mitglieder mit ihr identifizieren, nein, mentale Unterwerfung wird verlangt. Selber Denken und autonomes Gewissen sind auch heute noch unerwünscht, wie man an prominenten und gar nicht mal radikalen oder demagogischen Kirchenkritikern wie Hans Küng gesehen hat. Ich bin schon mit 24 aus der Kirche ausgetreten, weil ich mich geschämt habe, als ihre Anhängerin angesehen zu werden, denn das hätte bedeutet, dass ich ihre völkermordende Vergangenheit, ihre gegenwärtige volksverdummende und teilweise auch -verhetzende Propaganda, ihre politischen Machtspielchen und Andienungen, ihre lebensfeindliche, rückwärtsgerichtete Grundeinstellung und ganz besonders ihre Frauenfeindlichkeit, mit einem Wort: ihre Gottlosigkeit gutheiße. Die gesparte Kirchensteuer spende ich lieber direkt für Bedürftige, denn das scheinheilige Engagement der katholischen Kirche für die Armen steht doch sowieso nur auf dem Papier. Noch niemals hat sie etwas von ihren unermesslichen Kunstschätzen den Armen zu Liebe verkauft. ... Ich denke, dass ungemein viele "Gläubige" aller Religionsgemeinsschaften denselben sowieso nur aus Angst vor Repressalien oder gesellschaftlichen Nachteilen oder aus purer Denkfaulheit angehören. Die geforderte Identifikation ist Fiktion. Mit der Suche nach Wahrheit hat das nichts zu tun. ... Ich bin eigentlich sehr religiös, und gerade deshalb bin ich kein Mitglied der Kirche. Aber ob eine andere Gruppierung mit weniger mystischem Brimborium religiöse, d.h. ethische Erziehung leisten könnte, wage ich ebenfalls zu bezweifeln. Das sehen wir ja schon daran, dass der Ethikunterricht in den Schulen kläglich versagt und dass Sekten so viel Zulauf von autoritäts- und brimboriumssüchtigen Entwicklungsrückständlern haben. Die Kirchen sind unvollkommener Ausdruck unvollkommer Gesellschaftsformen, das macht sie nicht besser, aber mich lässt es resignativ denken. Ich kann nicht die ganze Gesellschaft ändern, nur mich selber. Und wenn Millionen Menschen anfangen würden, selber zu denken, hätte es der Papst mitsamt seinen Höflingen sehr schwer.