Gerade hatte ich eine erneute Offenbarung. Als mich vorhin ein Anfall großer Traurigkeit überkam, begab ich mich in die Meditation und gab mich ganz der Traurigkeit hin. Ich sah vor mir all die Dinge, die ich mir erhofft hatte, nun aber nicht mehr bekommen kann und darunter leide, dass ich sie trotzdem noch nicht loslassen konnte. Zunächst einmal war da das Leben in einem Eigenheim, heile Familie mit Kindern, eine Frau zum Gemeinsam-Alt-Werden und das Ganze. Nachdem ich das verloren hatte, wollte ich es ersetzen durch ein Leben zu dritt in einer Mitwohnung mit den Kindern, aber auch das wurde mir sehr schnell wieder entrissen. Das war meine letzte Chance auf ein Familienleben, darauf, meine Kinder selbst großzuziehen, auf einen gemeinsamen Alltag mit ihnen.
Ich erkannte also, dass ich all dies loslassen musste, wenn es jemals in meinem Leben wieder vorwärts gehen sollte. Ich sah einen Rennwagen am Rand einer Rennstrecke, der mit laufendem Motor nur darauf wartete, dass ich ihn endlich besteigen sollte. Ich sah außerdem einen Bus, in dem meine Kinder saßen und mir zum Abschied winkten. Ich hatte vertrauen, dass sie wieder zurückkommen würden, ließ sie fahren und wollte in den Rennwagen steigen.
Aber irgendwas stimmte nicht, es war zu einfach gewesen. Ich hatte das Gefühl, wieder nicht ehrlich zu mir selbst gewesen zu sein. Und so war es denn auch: Als ich mir die Szene mit dem Bus erneut anschaute, merkte ich, das sich nicht der Bus von mir entfernte, sondern mein inneres Kind. Ich muss mich heimlich ohne Fahrschein in den Bus geschlichen haben, und mein inneres Kind hatte ich am Straßenrand zurückgelassen, jetzt nicht nur ohne seine beiden Spielkameraden, sondern auch ohne seinen Beschützer, mein Erwachsenen-Ich. Ich war wie gesagt nicht deshalb im Bus, weil ich befürchtete, meine Kinder würden nicht zurückkommen. Ich war im Bus, weil ich befürchtete, dass sie mich brauchten und ich dann nicht da wäre.
Sie wirkten aber vergnügt und heiter und schienen mich überhaupt nicht zu brauchen. Bei einem Blick zurück aus dem Fenster erblickte ich aber mein inneres Kind mit einem vor Angst vollkommen entsetzten Gesichtsausdruck. Ich begriff, dass ich es nicht zurücklassen konnte, weil es mich dringend brauchte, sprang aus dem fahrenden Bus und lief zum Kind zurück. Es fragte mich, ob ich jetzt bei ihm bleiben würde. Ich antwortete, dass ich das gern versprechen würde, dass ich aber beim ersten Mal auch nicht gemerkt hatte, dass ich es zurückgelassen hatte. Ich versprach aber, mir in Zukunft mehr Mühe zu geben. Das Kind war sehr erleichtert, umarmte mich und sagte, das reiche ihm erstmal. Es war so glücklich und dankbar, dass ich verstand, warum es wichtig ist, sich nicht einfach nur Mühe zu geben, sondern sich richtig ins Zeug zu legen. Das Kind und ich haben nur noch einander, meine echten Kinder sind weg. Damit müssen wir jetzt klarkommen, und das geht nur gemeinsam.
Mein inneres Kind saß auf meinem Schoß, ich hielt es fest, und wir vermissten gemeinsam meine realen Kinder, aber diesmal ohne Schmerz, sondern mit liebevollen Gedanken. Anschließend stiegen wir gemeinsam in den Rennwagen und drehten ein paar Runden auf der Rennstrecke. All meine Chakren öffneten sich eins nach dem Anderen, das Herz, der Nabel, der Unterleib, der Steiß, das Kronenchakra, die Stirn und schließlich auch der Hals. Der Energiekreislauf war wiederhergestellt, zum ersten Mal seit vielen Wochen. Was für ein herrliches Gefühl der Freude das war!
Ich erwischte mich später noch ein paar Mal dabei, wie ich doch wieder im Bus saß. Aber ich bin jedes Mal wieder ausgestiegen und zu meinem inneren Kind zurückgelaufen. Einmal habe ich sogar die Notbremse gezogen, weil der Bus mich nicht rausspringen lassen wollte.
Natürlich berührt auch dieses Szenario wieder nicht wirklich das Thema der Schuld. Wobei, eigentlich dann irgendwie doch: Die tatsächliche Schuld, mein inneres Kind zurückgelassen zu haben, und die befürchtete Schuld, meine realen Kinder im Stich zu lassen. Ich bin mir noch nicht sicher, inwieweit das eine Rolle spielt, aber bestimmt eine Wichtige! Es ist noch nicht vorbei.