Hallo Chris,
So eine ähnliche Einstellung wie Du hatte ich auch mal. Alles Mist, alles Sch**, die Menschen blöd und blind, das System zum k****. Arbeiten fand ich anstrengend, weil ich viel Zeit für mich gebraucht habe und weil es nicht das war, was ich eigentlich tun wollte. Ich habe mich in diese Einstellung gesteigert und gar keine andere Sichtweise mehr zugelassen. Wollte nur noch weg. Ziel war Indien. Ich wußte so gut wie nichts über dieses Land, nur das was mein damaliger Partner erzählte. Es hatte mich fasziniert, also beschlossen wir eine Auszeit zu nehmen. Wir sparten, kauften ein Hinflugticket, ich kündigte (unter anderem auch die Krankenkasse) und flogen los ohne zu wissen, ob und wann wir wieder zurück kommen würden.
Wir haben es acht Monate geschafft (damals haben ca. 1500,- DM pro Person gereicht für diese Zeit, inklusive ein Flugticket von Indien nach Istanbul und von Rumänien nach Deutschland).
Gehaust haben wir meist in preiswerten Unterkünften und zwei Monate in einer Höhle. Gereist sind wir mit den lokalen Bussen, selten auch mal mit dem Zug (für längere Strecken). Allein waren wir nirgendwo, auch nicht in der Höhle (da lebte schon ein Aussteiger und bei den Rucksacktouristen (wie wir es waren) sprach es sich auch rum, daß man dort kostenlos wohnen kann), also gesellten sich andere dazu. Auch nicht später im Himalaya (wobei wir nicht bis zu den Schneebergen kamen, dort wird es dann sicher irgendwann leerer).
Nepal war ähnlich. Da saßen dann noch die Maoisten in den Bergen, es gab ab Sonnenuntergang Ausgangssperren und direkt Zonen, vor denen die Einheimischen warnten. Auch kein Plätzchen für ein schönes Leben also, wobei wir danach auch nicht suchten. Wir wollten unterwegs sein und unsere Ruhe haben. Das mit der Ruhe hat nicht geklappt. Was nicht heißen muss, daß es nicht geht. Wenn man einen Plan hat und weiß, wo man suchen muss.
Wenn ihr mit Wohnwagen dort reisen würdet, macht euch auf abenteuerliche Straßen gefasst (das könnte auch andere Länder betreffen). Die bestehen zum Teil mehr aus Schlaglöchern als Asphalt - wenn es diesen überhaupt gibt. Inzwischen mag sich das verändert haben. Aber Geld für Reifenwechsel und Schäden durch aufsetzen solltet ihr einplanen. Ehrlich gesagt weiß ich nicht wie und wo man dort tankt. Tankstellen finden sich nicht an jeder Ecke, so wie man es von hier kennt.
Und ich würde auch nicht dafür garantieren, daß der Wohnwagen am Ende noch dort steht, wo ihr ihn gelassen habt, um einkaufen zu gehen. Gibt es dann eine Alternative, wenn euer Zuhause sozusagen geklaut oder zerstört wurde?
Krank wurden wir durch Amöben (und da gäbe es noch etliches anderes, was man sich einfangen kann - so wie in anderen "exotischen Ländern" auch. Ihr seid nicht geimpft ...). Und wir haben aufgepasst, Wasser abgekocht etc. War nicht sehr schön, konnte aber durch den Kauf der Chemiekeule letztendlich behandelt werden. (ayurvedische Ärzte konnten nicht helfen). Von Beinbrüchen, Schlangenbissen oder Skorpionstichen blieben wir verschont - wäre sonst das Ende unserer Reise gewesen. (also auch mal schauen, was für Tiere wo leben)
(ein Holzsplitter im Auge kann aber auch ganz schön nerven, es muß gar nicht so etwas dramatisches sein)
In Indien ist es 12 Stunden hell, 12 dunkel. D.h. wenn ihr keinen Strom im Wohnwagen habt, so kann das eine lange Zeit werden (je nach dem, wo ihr dann lebt). Gut, Kerzen schaffen vielleicht Abhilfe. Es kann auch eine Weile dauern, bis man weiß, was man mit der ganzen Zeit macht, die man nun hat, vor allem wenn man nur sich selbst hat. (wenn man sich selbst versorgen muss, stellt sich diese Frage wohl nicht mehr)
Wir hatten es einfach, weil wir einfach nur unterwegs waren. Wir hatten unser Geld (was auch hätte geklaut werden können, also müsste auf längere Sicht wahrscheinlich ein Bankkonto her, oder wie wollt ihr euch da absichern?) und lebten davon. Wir wollten uns dort nichts aufbauen.
Man wird durchaus von den Einheimischen eingeladen, man bekommt etwas geschenkt oder auch mal einen kostenlosen Schlafplatz. Aber nicht auf Dauer, nicht ständig. Die Leute können nett und neugierig sein, sich aber auch lustig machen und lästern. In seltenen Fällen wirkten sie feindlich.
Es gab eine Frau, die pendelte seit Jahren zwischen Indien und Nepal umher - wegen dem Visum, was nach 6 Monaten auslief und neu beantragt werden mußte. (Gut, daß fällt weg, wenn man wirklich einwandern tut. Was für Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen, weiß ich nicht.) Sie hat in den Touristenorten Massagen angeboten und sich so ihr Leben finanziert und auch viel in Höhlen gelebt, da umsonst. Ich weiß aber nicht, ob sowas heute noch möglich ist. Und vermutlich kann man auf diese Weise keine Familie durchbringen, sondern gerade so sich selbst. Und mit Kindern in einer Höhle leben? Der eigene Besitz ist nicht geschützt, es gibt ja keine Türen. Es kann auch mal Besuch von wilden Tieren vorbei kommen. Und wie lange sich die Einheimischen das ansehen und dulden, weiß man auch nicht).
Da Du mal Yogi werden wolltest, käme vielleicht ein Ashram für Dich in Frage. Es gibt welche, wo man gegen geringe Bezahlung ein Zimmer mieten kann. Ob das mit Kind geht, weiß ich allerdings nicht. Oder es gibt Pilgerunterkünfte, die sehr preiswert sind. Toilette mußt Du Dir dann mit allen anderen teilen (ebenso im Ashram, wobei es Ausnahmen geben mag) und die waren in Indien eine riesen Katastrophe (ich war froh, daß es dort Hockklos gibt, auf die man sich nicht setzen muß). Dusche ebenso. In der Pilgerunterkunft kann man aber glaube ich nicht ewig bleiben. Ashram ist vermutlich auch keine Dauerlösung, wenn man nur Gast ist.
Inwieweit sich diese Möglichkeit auf andere Länder übertragen läßt, weiß ich nicht. Es wäre zumindest vorübergehend eine Unterkunft, eine Art Basislager.
Aussteigerdörfer oder sowas in der Art gibt es dort mit Sicherheit massig. Haben wir aber nicht kennengelernt/gesucht. Ich schätze mal, dort ist vor allem alles "peace und Freude". Womit ich sagen möchte, daß es vielleicht je nach Gegend/Land unterschiedliche Aussteigermentalitäten geben könnte.
Die Zeit war intensiv, auch schön, auch anstrengend, aber am Ende hatten wir die Nase voll (ich habe mir geschworen, nie wieder nach Indien zu reisen. Leben könnte ich dort dauerhaft nicht.).
Den Reichen geht es dort gut, die Armen schuften. So wie überall. Aber es ist dennoch kein Vergleich mit hier. Hier muß niemand den ganzen Tag Steine zerhauen und schleppen für eine Straße, nur um eine warme Mahlzeit zu bekommen.
Die Mentalität der Menschen ist auch eine andere. Damit kann man klar kommen, oder auch nicht.
Du hast geschrieben ihr wollt an den Strand, Dein Kind mag diesen. Wird das für immer so bleiben? Ich weiß nicht, was für eine Krankheit er (?) hat, wie selbstständig er ist. Aber Kinder wollen irgendwann mehr. Zumindest brauchen sie eine Beschäftigung.
Die inneren Konflikte nimmt man mit. Es mögen sich einige auflösen, dafür kommen andere. Aber damit schreibe ich ja nichts neues. Geglaubt habe ich das erst, als ich unterwegs war. Und sich dann mit sich selbst auseinander setzen zu müssen fand ich sehr hart. Aber so habe ich es wenigstens getan.
Ich habe diese Reise gebraucht. Um hier ankommen zu können.
Andere bleiben.
Ich weiß nicht, ob ich es noch mal so machen würde. Wir waren in gewisser Weise schon ziemlich naiv und hatten wahrscheinlich eine Menge Glück, dass nichts weiter passiert ist. Mit Kind würde ich nicht gehen wollen. Das ist schon hier eine Herausforderung. Und wenn meine Kinder irgendwann in die Welt aufbrechen wollen, werde ich sehr zwiegespalten sein. Einerseits weil ich die Erfahrung auf keinen Fall missen möchte und mein Leben lang davon zehren werde und dadurch ein Stück weit gewachsen bin (und ihnen eine solche Erfahrung durchaus gönne), andererseits weil ich weiß, wie dumm man sein kann oder wie dumm es kommen kann. In diesem Sinne war es gut, daß ich damals manche Dinge noch nicht wusste. Aber mit Kind kann man sich keine Unwissenheit erlauben und sollte genau wissen, was man tut. Es ist nicht mehr nur das eigene Leben, welches man verändert - und die Richtung die es nehmen wird ist ungewiss. Dafür müsst ihr als Eltern die Verantwortung übernehmen. Könnte ihr dies (er)tragen?
Wäre der Beruf Yogalehrer was für Dich? Du kannst beliebig auf diese Grundausbildung aufbauen in Richtung Meditation, Entspannung, Wellness, Ayurveda. Ausbildungsmodelle gibt es viele von bis zu zwei Wochen bis zu mehreren Jahren (wobei ich mich frage, ob die Crashkurse wirklich sinnvoll sind). Du könntest Dich privat machen oder durch eine schon bestehende Schule fördern lassen (wärst dann aber auch von dieser abhängig). Aber es entspräche vielleicht eher Deinem Lebensmodell.