Liebe Angie,
mit dem Gedanken, dass Jesus auch Gott sein kann, liegst Du nach der christlichen Lehre ja schon einmal nicht falsch. Was hält dich also davon ab, das so zu sehen? Der Beweis liegt darin, dass mit dieser Vorstellung auch ein reales Gefühl vorhanden ist. Du wärst gut beraten, wenn Du beginnen würdest, die Dinge aus einer rationalen und auch aus einer spirituellen Sicht heraus betrachten zu können.
Nehmen wir dazu einmal als gutes Beispiel die Seele. Schon in ferner Vergangenheit haben unser Altvorderen durch Beobachten erkannt, dass es in uns etwas gibt, das uns mit Leben und unserm Wesen erfüllt. Etwas, das wir auch nicht willentlich bestimmen können. Sie hatten das dann aus ihrem Weltbild und ihrer Sprache heraus versucht zu ergründen.
Was sie damals als ein Wesen aus dem See (See_le) oder als Lufthauch (Psyche) umschrieben hatten, ist ja gar nicht so falsch. Heute wird dieses Etwas als das Unbewusste bezeichnet. Aus der Neurobiologie wissen wir auch, dass der Solarplexus (Sonnengeflecht) in Sachen Gefühle eine wesentliche Rolle spielt. Hier wird dieser unbewusste Bereich auch für unsere bewusste Wahrnehmung erfahrbar. Wenn also unsere Altvorderen das Herz als Sitz der Seele bezeichneten, lagen sie doch eigentlich nicht falsch – oder? Die Seele ist also nicht etwas der reinen Fiktion, sondern etwas Reales.
Der Unterschied liegt hier auch in der Sprache, mit der diese Dinge beschrieben wurden. Die blumige Bildersprache, in der auch Gefühle mit eingepackt wurden, wurde in unserer abgeklärten Zeit zu einer distanzierten nüchternen Sprache ohne Wärme. Etwas, das unsere Seele nicht mehr berühren soll. So ist es auch mit den anderen spirituellen Dingen, von denen wir zwar gerne reden, aber nicht mehr erfahren.
Wir glauben, dass Erfüllung etwas Geistiges ist und dabei geht es um Gefühle und Emotionen. Gut, es ist nützlich diese Dinge zu verstehen, um sie auch gestalten zu können, aber das Erfahren und das Erfülltsein geschieht aus dem Herzen. Auf diese Weise werden alle spirituellen Dinge durch dein Erfahren zur Realität. Es liegt also an dir, ob Du zum realen Kern vordringen möchtest, um ihn zu verstehen oder es bei dem Erfahren belässt.
Wenn Du dich aufmachst, Dinge auch in eine spirituelle Welt zu stellen, solltest Du auf deine innere Logik achten. Diese lässt sich nicht bestechen oder überzeugen. Darin dürfte auch der Grund für dein Problem mit diesem Gott liegen.
Diese innere Logik aber nun bitte nicht mit der rationalen Logik verwechseln, Du begegnest ihr auch in deinen Träumen. Die Traumwelt ist ohnehin ein guter Lehrmeister, wenn es darum geht, die Bildersprache der Seele zu verstehen. Ein anderes Beispiel für die innere Logik findest Du in den Gesetzmäßigkeiten der Märchen, Fantasiegeschichten oder den Reisen der Entspannungstechniken. Dort ist auch alles akzeptabel, solange nicht gegen diese Regeln verstoßen wird.
Da wir soziale Wesen sind, versuchen wir immer ein Teil einer Gemeinschaft zu sein, wobei es keine Rolle spielt, ob sie real oder abstrakt sind. Es ist jedoch effektiver, wenn diese Gemeinschaft mit einer personellen Vorstellung verbunden ist, denn damit bekommt sie ein Gesicht. Mit einer Persönlichkeit fällt es uns leichter, bestimmte Werte ohne große Erklärungen darzustellen. Für die wichtigen Dinge in unserem Dasein haben wir deshalb auch einen Namen.
In der Spiritualität geht es im Prinzip also immer um die Sehnsüchte und Bedürfnisse der eigenen Innenwelt. Ich halte es deshalb für wichtig, die sicherlich notwendige Distanz des Übernatürlichen nicht zu überdehnen, denn damit reist der feine Faden zur Seelenwelt. Aus all diesen Gründen halte ich es auch für nicht besonders klug, einen Gott oder andere Wesen da draußen in den unendlichen Weiten des Universums zu suchen, sondern lieber im kleinen Universum des Herzens.
Wenn Du auf deine innere Stimme der Engel achtest, wirst Du auch deinen spirituellen Weg erkennen können. Ich hatte auch über lange Zeit das Problem, dass ich immer wieder ein spirituelles Ziel vor Augen hatte und wenn ich ihm schon zu Greifen nahe war, sah ich in der Ferne schon wieder eine neues. Auf einer Traumreise hatte ich dann einmal eine Vision von einem Wanderer und da erinnerte ich mich an eine alte Weisheit, dass das eigentliche Ziel der Weg ist.
Sicherlich eine Erkenntnis, die etwas ausgelaugt klingt, aber die Wahrheit liegt meist im Einfachen und Nächstliegenden. Seitdem verstehe ich mich als ein Wanderer durch die Zeiten, um die spirituelle Welt zu erkunden. Waren nicht auch die Handwerksburschen der Vergangenheit drei Jahre und ein Tag in der Fremde unterwegs, um etwas vom Leben zu lernen?
Ich fand diese Vision als etwas Befreiendes, denn ich musste meine Kraft nicht mehr danit verschwenden, um nach einer Erklärung zu suchen, warum ich gerade diesen oder jenen Weg eingeschlagen hatte. Wie der Wanderer in meiner Vision an einer Wegegabel saß und darüber nachdachte, welchen Weg er nun gehen möchte – so sehe ich mich nun auch. Das Schöne daran ist, dass man auf dieser Wanderung auch viele Begleiter trifft, mit denen man ein Stück des Weges gehen kann.
Merlin