Ich habe mir noch nicht den ganzen Beitrag angehört, hatte aber gleich zu Beginn einen Gedanken, den ich loswerden möchte. Ausgangspunkt der Überlegungen von Ingrid Robeyns ist, dass wir uns zwar mit Chancengleichheit und Diskriminierung beschäftigen und durch sozialen Ausgleich eine Art Untergrenze für Armut geschaffen haben, aber keine Obergrenze für Reichtum.
Was in den USA gerade geschieht, läuft aber genau in die entgegengesetzte Richtung. Es geht nicht darum, eine Obergrenze einzuführen, sondern es wird im Gegenteil versucht, die Untergrenze abzuschaffen. Die Superreichen wollen nicht nur den Staat und mit ihm sämtliche Regulierungen ihres Reichtums loswerden, sondern wenden sich auch ganz explizit gegen die, die nicht so reich sind. Wenn z.B. das Bildungsministerium abgeschafft wird, dann nicht wegen des bisschen Geldes, das damit eingespart wird, sondern weil man Kindern ärmerer Familien keine Bildungschancen geben will.
Das für mich Unheimliche daran ist, dass sie das meiner Meinung nach gar nicht nur aus wirtschaftlichem Interesse heraus tun, sondern ebenfalls aus moralischen Überlegungen, nur dass es aus ihrer Sicht eben unmoralisch und schädlich ist, dem Kapitalismus nicht seinen Lauf zu lassen. Wer arm ist, ist nicht nützlich für die Gesellschaft und hat keine Unterstützung verdient. Mit moralischen Argumenten ist dem schlecht beizukommen.
Und ich fürchte, dass diese Überzeugungen bei einigen Figuren wie Elon Musk & Co. so tief verwurzelt sind, dass sie auch wirtschaftlichen Argumenten kaum zugänglich sind. Ob sie nun 500 oder 200 Milliarden besitzen, ist ihnen letztlich egal.
Vielleicht zerstört sich der Kapitalismus nicht von selbst, sondern verwandelt sich in eine Art vom Finanzadel beherrschte Ständegesellschaft. Nur dass sich die herrschende Klasse nicht wie im Mittelalter auf göttliche Fügung als Rechtfertigung für ihre Privilegien beruft, sondern auf wirtschaftlichen Erfolg als Ausdruck dafür, zu den Gewinnern eines sozialdarwinistischen Ausleseprozesses zu gehören.