Ich weiß ja nicht, ob ich als Sieger über die Krankheit hervorgehe iwann.
Muss ich aber auch nicht .... Aber ich werde mich nicht von ihr besiegen lassen und sie für alles zur Verantwortung ziehen, was mit mir passiert.
Konnt ich das irgendwie verständlich formulieren???
Noch nicht.
Versuch's doch nochmal.
Lach, ich mach ja Taichi. Das ist die Kunst des Widerstandslosen Kämpfens.
Hinnehmen, Annehmen, über den vom Angreifer gewünschten Weg zu Ende führen, was er begonnen. Das ist Taichi.
Und genau so: Hinnehmen, Annehmen, über den von der Krankheit gewünschten Weg zu Ende führen, was sie begonnen - genauso finde ich, daß man auch mit chronischer Krankheit umgehen kann.
Man muß sie hinnehmen und sie in das restliche Leben einplanen. Man muß sie annehmen - ein bisschen wie eine Braut, weil es langfristig keinen Sinn macht, sich ihr zu wiedersetzen. In einem Leben mit chronischer Krankheit ist zumeist keine Energie übrig, um sich gegen Krankheit zur Wehr zu setzen. Wenigstens in manchen Phasen nicht. Von daher ist der Widerstand gegen eine chronische Erkrankung wohl ein Weg, der potentiell negativer verlaufen wird.
Und dann der letzte Schritt: zu Ende führen, was er begonnen heißt, daß der Angreifer eingeladen wird, seine Bewegung zu Ende zu führen, aber bitte nicht an's gewünschte Ziel seiner Faust, sondern an das gewünschte Ziel meiner an die seine angepasste Bewegung. Die Energie des Angriffs wahrnehmen und das Harte an der Bewegung ins Weiche ableiten - das ist Taichi. Ncht kämpfen.
Wahr- und Aufnehmen, was die Krankheit mir gibt: Symptome, Phasen, Spitzen. Und das nicht nur im Bereich der Krankheit, sondern auch im Rahmen von Gesundheit: die Krankheit gibt mir besondere Möglichkeiten, sie zeigt mir Zusammenhänge auf, sie gestaltet meine Sensibilität, sie definiert meine Grenzen. Sie ist im Grunde ein neuer Wegweiser, der in meinem Leben hinzukommt und der mich begleitet.
Ein weiterer interessanter Zusammenhang: bei mir ist es so, daß ich auf meine Krankheit verzichte. Verzicht ist ein interessantes Phänomen, hab ich erst durch Kranksein gelernt. Früh wohl. Es hat natürlich diverse Jahrzehnte gedauert, bis ich wußte, daß ich auch auf die Krankheit verzichten kann. Und zwar, indem ich mein Leben sowie meine Gewohnheiten auf sie anpasse. Ich verzichte auf Dinge, die ich tuen würde, wenn ich gesund wäre. Zum Beispiel soziale Pläne machen im Privatleben: tue ich nur spontan, so gut wie nie langfristig. Weil ich nie weiß, ob ich dann wenn es geplant ist überhaupt die Energie habe, oder für mich sein will. Und: wann immer ich etwas Neues mache, erfahre ich dabei auch meine Krankheit neu.
Ich hab also sozusagen immer einen neben mir laufen, der prüft, ob der Weg, den klein Christian gerade einschlägt, auch der Weg des grossen Christian mit seiner Erkrankung ist. Das Leben ist deutlich mehr vernunftgesteuert auf diese Weise - was ich nicht unbedingt als einen Gewinn an Lebensqualität empfinden kann. Die Spontaneität geht teilweise flöten, wenn man sich an chronische Krankheit anpassen muß. Aber was sich dadurch festigt ist, daß man erfährt, wer man genau ist, was die eigenen Stärken und Schwächen sind. Und weder mit den Stärken gegen etwas nicht zu kämpfen noch gegen die Schwächen anzukämpfen: das ist die Kunst. Bringt letztlich inneren Frieden.
Hach ja. Aber die Wut, nicht wahr? Innendrin ist sie doch.
lg