@tarbagan,
ich mag noch einmal antworten auf dein eingegrenztes Beispiel 100 Menschen zu opfern, damit 10 000 überleben, da du aus meiner Sicht bisher nicht auf das eigentliche Dilemma und damit die größere Frage eingegangen bist. Und es ging ja im Ausgangsthread auch um Prinzipien. Mein ethisches Prinzip >> Die Ehrfurcht vor dem Leben << ist unverkäuflich. Verstehe ich deine letzte Antwort recht so sind unsere Ansichten vielleicht gar nicht so verschieden. Wem dem so wäre dürftest Du mir auf folgende Zeilen kaum widersprechen können. Sollte es doch anders sein so fordere ich Dich heraus inhaltlich Stellung zu nehmen.
Das Grundthema deiner Aussage existiert ja seit eh und je. Wir kommen immer wieder in die ZWANGSNOTWENDIGKEIT Leben zu töten um anderes Leben zu erhalten. Das ist so. Die ethische Frage ist eine Frage des wie, mit welchem Bewusstsein. Tun wir es im tiefsten Ringen und Mitgefühl und der Frage, als auch einer zutiefst innersten Prüfung, im Hintergrund ist das zu tun tatsächlich meine Aufgabe im Sinne der NOT-WENDUNG oder gibt es eine Lösung die ich übersehen habe, was ist meine wahre Intention.
Dies Tarbagan kann ich aus deinen Antworten so nicht wahrnehmen, was aber nicht bedeutet, dass dieses Mitgefühl und Ringen bei dir nicht existiert. Hängen geblieben bin ich nur daran, dass du glaubst aus reiner Ratio und freiem Willen Werten und Entscheidungen treffen zu können das stelle ich in Frage, auch weil an diesem Punkt die genannte Ratio und der Frei Wille gegenläufig wären, da solch eine Entscheidung zu fällen nur aus Zwangsnotwenigkeit und dem Leben antworten zu müssen im Sinne von wirklicher Verantwortung, erfolgen kann !
Hier zitiere ich gerne noch mal Albert Schweitzer.
Besonders befremdlich findet man in der Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben, dass sie den Unterschied zwischen höherem und niederem, wertvollerem und weniger wertvollem Leben nicht geltend mache. Sie hat ihre Gründe dies zu unterlassen.
Das Unternehmen, allgemeingültige Wertunterschiede zwischen den Lebewesen zu statuieren, läuft darauf hinaus, sie danach zu beurteilen, ob sie uns Menschen nach unserem Empfinden näher oder ferner zu stehen scheinen, was ein ganz subjektiver Maßstab ist. Wer von uns weiß, was das andere Lebewesen an sich und in dem Weltganzen für eine Bedeutung hat ?
Im Gefolge dieser Unterscheidung kommt dann die Ansicht auf, dass es wertloses Leben gäbe, dessen Schädigung und Vernichtung nichts auf sich habe. Unter wertlosem Leben werden dann, je nach Umständen, Arten von Insekten oder primitive Völker verstanden.
Dem wahrhaft ethischen Menschen ist alles Leben heilig, auch das, das uns vom Menschenstandpunkt aus als tieferstehend vorkommt. Unterschiede macht er nur von Fall zu Fall und unter dem Zwange der Notwendigkeit, wenn er nämlich in die Lage kommt, entscheiden zu müssen, welches Leben er zur Erhaltung des anderen zu opfern hat. Bei diesem Entscheiden von Fall zu Fall ist er sich bewusst, subjektiv und willkürlich zu verfahren und die Verantwortung für das geopferte Leben zu tragen zu haben. .....
Mit der gesamten Kreatur unter dem Gesetz der Selbstentzweiung des Willens zum Leben stehend, kommt der Mensch fort und fort in die Lage, sein eigenes Leben wie auch Leben überhaupt nur auf Kosten von anderem Leben erhalten zu können. Ist er von der Ethik vor der Ehrfurcht vor dem Leben berührt, so schädigt und vernichtet er Leben nur aus Notwendigkeit, der er nicht entrinnen kann, niemals aus Gedankenlosigkeit. Wo er ein Freier ist, sucht er nach Gelegenheit, die Seligkeit zu kosten, Leben beistehen zu können und Leid und Vernichtung von ihm abzuwenden. ......
Die in diesem Denken entstehende Ethik ist als nicht verstandesgemäß, sonder irrational und enthusiastisch. Sie steckt keinen klug abgemessenen Kreis von Pflichten ab, sondern legt dem Menschen die Verantwortung vor allem Leben, das in seinem Bereich ist auf und zwingt ihn, sich ihm helfend hinzugeben.
Namastee
Siegmund