Hallo Allegrah
> Und was erhoffst du auf diesen Ebenen des Bewusstseins zu finden?
> Was verstehst du unter Ebenen der Wirklichkeit?
Um das Grundprinzip zu verdeutlichen, möchte ich ein ganz einfaches Beispiel verwenden:
Wenn ein Vorschulkind ein normales Buch aufschlägt, dann kann es den Text komplett SEHEN. Es gibt zumindest keinen Buchstaben, den es optisch nicht sehen könnte. Aber das Vorschulkind kann den Text noch nicht inhaltlich ERFASSEN, weil es noch nicht lesen kann.
Es gibt also in diesem Fall zwei Wahrnehmungsebenen:
- Wahrnehmungsebene 1: Bildhaftes Erfassen der Textseite
- Wahrnehmungsebene 2: Inhaltliches Erfassen der Textseite
Dieses Ebenenschema könnte man noch weiter untergliedern: Ein Schrifterkennungsprogramm kann z.B. die Buchstaben und Worte erkennen, aber nicht die Bedeutung der Worte. Das wäre also eine Ebene zwischen Ebene 1 und 2. Weiterhin kann man das Schema nach oben erweitern. Man kann den Inhalt in der ersten Stufe wörtlich nehmen und in der zweiten Stufe allegorisch. Usw.
Daraus ließe sich folgendes Ebenen-Schema herleiten (von unten nach oben):
7: Erkennen des allgemeinen Prinzips, das in allegorischer Weise dargestellt wird
6: Erkennen der allegorischen Bedeutungsebene
5: Erkennen der wörtlichen Bedeutungsebene
4: Erkennen der grammatikalischen Struktur (die Beziehung der Worte zueinander).
3: Erkennen der Worte (Schrifterkennung mit Wörterbuch)
2: Erkennen der Buchstaben (Einfache Schrifterkennung)
1: Optisches Erfassen der Seite
Es geht also um ein Schichten-Modell der Erkenntnisstufen vom optischen Erfassen (auf der unteren Stufe) bis hin zum Erkennen des allgemeinen (göttlichen) Prinzips (auf der oberen Stufe). .
Das Interessante ist nun, dass man auch die materielle Schöpfung in einer ähnlichen Weise erfassen kann. Das, was wir unmittelbar mit unserer Augen sehen können, das entspricht der untersten Stufe in diesem Schema. Und es gibt natürlich auch allgemeine Prinzipien, die dieser Schöpfung zugrunde liegen (z.B. Naturgesetze, mathematische Gesetze, logische Gesetze, ...)
Wir können dieses Schema auch auf unser Schicksal anwenden. Die konkreten Ereignisse des Alltags wären in diesem Fall die untere Ebene. Und auch darin offenbaren sich höhere Prinzipien.
Und wir können das Schema auch noch auf viele andere Dinge anwenden (z.B. Träume, Märchen, esoterische Texte, ... und wenn wir diese Denkweise auf die Kommunikation zwischen zwei Computern anwenden, dann erhalten wir ziemlich exakt das OSI-Referenzmodell der Datenkommunikation: Siehe:
http://de.wikipedia.org/wiki/OSI-Modell )
Manchmal begegnen uns aber auch vereinfachte Modelle (mit weniger Schichten):
Die Methode des dreifachen Schriftsinns, die uns von Origenes überliefert wurde, entspricht z.B. etwa den Stufen 5-7 in diesem Schema. (Man kann aber auch ein weiteres Ebenenschema auf der wörtlichen Bedeutungsebene aufbauen, das dann in noch höhere Bereiche vordringt.)
Bei der Ideenlehre des Platon gibt es eine Welt der Dinge (das entspricht Ebene 1) und eine Welt der Ideen (das entspricht Ebene 7).
Letztendlich geht es darum, das Göttliche zu erkennen, das sich in der Schöpfung offenbart. Oder wie Goethe es im Faust ausdrückte:
Dass ich erkenne, was die Welt
im Innersten zusammenhält,
schau alle Wirkungskraft und Samen
und tu' nicht mehr in Worten kramen.
Die Methode des dreifachen Schriftsinns ist übrigens ein sehr effektives Hilfsmittel, um unser Denken so zu strukturieren und vorzubereiten, dass es die höheren (göttlichen) Prinzipien erfassen kann. Es ist zwar durchaus möglich, dass man diese Ebene auch ohne diese Vorbereitung ERLEBEN kann (z.B. in der Meditation). Aber ohne eine entsprechende Vorbereitung kann man sie nicht ERFASSEN. Das Erlebnis bleibt in diesem Fall unverstanden, weil unsere Denkstrukturen nichts damit anfangen können. Es fällt (bildlich gesprochen) auf unfruchtbaren Boden und verdorrt. Man bekommt in diesem Fall etwa soviel mit, wie ein Vorschulkind, das ein Lexikon vor sicht sieht. Das Lexikon mag zwar beeindruckend aussehen aber das Kind wird so gut wie nichts davon ERFASSEN können.
Wenn ich die aktuelle Diskussion hier im Forum betrachte, dann sehe ich, dass von vielen Teilnehmern sehr viel darüber spekuliert wird, wie es denn rein theoretisch sei, wenn man erleuchtet wäre. (Das ist etwa so, als ob zwei Vorschulkinder über den Inhalt diskutieren, den sie im Lexikon vermuten.) Ich denke jedoch, dass es sehr viel sinnvoller wäre, wenn wir uns stattdessen mehr mit diesen Hilfsmitteln beschäftigen würden, die uns zum Licht hinführen können (= wenn wir also bildlich gesprochen lesen lernen). Es bringt nämlich deutlich mehr, wenn man den ersten Schritt (gemeinsam) geht, als wenn man endlos über den siebten Schritt spekuliert (und streitet). Die vielfältigen Spekulationen können sogar manchmal blockierend wirken, wenn man sie falsche Vorstellungen und Erwartungshaltungen erzeugen.
Das Beispiel mit dem Lesenlernen zeigt uns auch, welche grundsätzlichen Probleme es geben kann, wenn man die Existenz der höheren Wahrnehmungsebenen beweisen will. Wenn jemand nicht lesen kann und wenn er die Seite nur optisch erfassen kann, wie kann man ihm dann beweisen, dass es diese erweiterte bzw. inhaltliche Wahrnehmungsebene tatsächlich gibt? Rein mit optischen Mitteln ist diese inhaltliche Ebene nicht wahrnehmbar auch dann nicht, wenn wir den Text unter ein Mikroskop legen. Natürlich könnte man die Seite vorlesen aber ist das wirklich ein Beweis? Es bleibt eine Frage des Glaubens, ob die gehörten Worte tatsächlich etwas mit den Zeichen auf dem Papier zu tun haben.
Es gibt nur eine Art, wie man es tatsächlich beweisen kann indem man jemandem beibringt, wie er die Texte selbst lesen kann. Übertragen auf das aktuelle Thema bedeutet das: indem man jemandem beibringt, wie er selbst die Sprache erkennen kann, in der sich das Göttliche offenbart.
Und das ist tatsächlich lernbar und lehrbar. Und eines der besten Lehrbücher ist tatsächlich die Bibel. (Wenn man die Bibel auf diese Weise nutzt, dann kann sie tatsächlich ein sehr nützliches Buch sein.) Es geht darum, die allegorische Sichtweise an der Bibel einzuüben und dann kann man im nächsten Schritt diese Sichtweise auch auf die eigenen Träume und auf das Schicksal anwenden, um auf diese Weise das Göttliche zu erkennen, dass sich in uns und in unserem
Schicksal offenbart.
> Und was erhoffst du auf diesen Ebenen des Bewusstseins zu finden?
Ich habe schon einiges auf diesen Ebenen gefunden und ich hoffe, dass ich noch etwas mehr davon finden kann.
Es ist eine Welt der allgemeinen Prinzipien, Ideen, Strukturen, ... Das mag sich sehr abstrakt anhören, aber interessanterweise ist diese Welt trotzdem erlebbar jedoch auf eine ganz andere Weise als wir es hier gewohnt sind.
Nehmen wir als Beispiel eine Baumstruktur, wie wir sie z.B. bei Familienstammbäumen kennen. Eine solche Struktur ist natürlich in unserer materiellen Welt kein real existierendes Objekt, das man direkt mit den Augen sehen könnte, sondern diese Baumstruktur ist hier nur eine gedachte Struktur. In der geistigen Welt kann man jedoch mit diesen Strukturen so ähnlich umgehen, wie wir mit realen Bäumen umgehen. Man kann sie im übertragenen Sinne pflanzen, pflegen, beschneiden, veredeln, abernten, ... Auf dieser Ebene gibt es auch Gedankengebäude, die man regelrecht betreten kann, um sich darin umzuschauen. (Die Art und Weise, wie ich diese Strukturen erlebt habe und wie ich sie hier beschreibe, sind natürlich Projektionen der tatsächlichen Strukturen auf die Begriffe und Bilder unserer Erfahrungswelt. Aber anders können wir diese Strukturen nicht wahrnehmen.)
> Was verstehst du unter Ebenen der Wirklichkeit?
Es gibt abstraktere Strukturen/Prinzipien auf den höheren Ebenen und konkretere Strukturen/Prinzipien auf den unteren Ebenen. Am konkretesten sind natürlich die Ereignisse auf der materielle Ebene.
Das Prinzip des Lebens ist z.B. ein sehr abstraktes Prinzip. Der Begriff Säugetier ist schon sehr viel konkreter.
Bei Schöpfungsprozessen geht es immer darum, dass allgemeine Prinzipien (= Ebene 7) konkretisiert werden (= Abstieg auf Ebene 1). Bei Erkenntnisprozessen geht es hingegen darum, dass man die allgemeinen Prinzipien erkennt, die sich in der konkreten Situation offenbaren.
Weil es viele konkrete Beispiel für ein abstraktes Prinzip gibt, ist der Prozess der Konkretisierung immer auch ein Prozess der Teilung weil aus dem EINEN Prinzip eine Vielzahl der Erscheinungen und Perspektiven entsteht. Umgekehrt sind spirituelle Erkenntnisprozesse immer auch Vereinigungsprozesse.
Herzliche Grüße
Elias