Möglich wäre, daß ich der Begriffsstutzige bin. Ich halte es aber für wahrscheinlicher, daß du es bist. Irgendwie will es dir nicht gelingen, nachzuvollziehen, daß ich keinen mathematischen Wahrscheinlichkeitsbegriff verwende, sondern einen, der der Alltagspraxis entnommen ist.
Doch, das war und ist mir durchaus klar. Ich muss aber gesethen, dass ich da nicht sauber getrennt habe, als ich anfing, von mathematischen Wahrscheinlichkeiten zu schreiben. Du hast aber nicht ganz den Sinn meiner Rechnung verstanden.
Desweiteren sind diese beiden Begriffe (mathematische Wahrscheinlichkeit und Plausibilität) durchaus verknüpft.
Für die Zukunft schlage ich wirklich eine saubere Trennung der Begriffe "Wahrscheinlichkeit" und "Plausibilität" vor... zumindest in diesem Thread.
Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache (Wittgenstein) und diese Bedeutung ist lexikalisch fixiert. Wenn ich dir nun auf einer relativ abstrakten Ebene erkläre, daß es für jeden von uns Grade der Gewißheit gibt und Wahrscheinlichkeit nichts anderes bedeutet, als Aussagen nach diesen Gewißheitsgraden einzustufen und zu bewerten, Grade des Fürwahrhaltens also, wirst du mir wahrscheinlich diesen Wahrscheinlichkeitsbegriff wieder mit irgendwelchen Formeln zerreden wollen.
Nein, das ist nicht nötig. Der Sinn meiner Rechnung mit den Wahrscheinlichkeiten war nämlich durchaus auch zu zeigen, dass weitere gut dokumentierte ungeklärte Sichtungen auch an der Plausibilität nichts ändern.
Die Rechnung zeigt, dass auch große Zufälle passieren, und auch wiederholt passieren, wenn man lange genug wartet.
Die Frage, wie lange im Durchschnitt "lange genug" ist, hängt mit der (mathematischen) Wahrscheinlichkeit der Einzelereignisse und mit der Anzahl der Versuche ab. Man kann sogar eine Zeitspanne ausrechnen, in der es geradezu an ein Wunder grenzt, dass ein bestimmtes Wunder nicht geschieht.
Über die (mathematischen) Wahrscheinlichkeiten haben wir in unserem Fall keine Informationen. Das heißt, wir können auch keine großen Aussagen darüber treffen, wie groß "lange genug" ist.
Um die Plausibilität (jetzt kommt sie ins Spiel), also dem "Grad des Dafürhaltens", zweier Hypothesen gegeneinander abzuschöätzen, müssen die beobachtbaren Folgen dieser beiden Hypothesen unterscheidbar sein, und die Beoachtungen durch eine Hypothese besser beschrieben werden als durch die andere.
Also auf eines Deiner Beispiele angewendet:
1. Mit jedem Indiz, das auf einen möglichen Täter X hindeutet, wird es für den Richter wahrscheinlicher, daß X tatsächlich der Täter ist.
Die Indizienlage sieht folgendermaßen aus: Zeugen haben einen Knall gehört, gesehen, wie ein Mordopfer zu Boden fällt. Ein paar Sekunden später wurde der Angeklagte mit einer rauchenden Pistole in der Hand und Schmauchspuren auf der Haut unweit des Mordopfers verhaftet. Im Schädel des Opfers wurde ein Projektil gefunden, dessen Laufrillen zur Pistole, die in der Hand des Angeklagten gefunden wurde, passen. Weitere Personen außer die Zeugen, der Angeklagte und der Polizist waren nicht zugegen.
Hypothese 1: "Der Angeklagte ist der Mörder"
Hypothese 2: "Der Angeklagte ist nicht der Mörder."
Spielen wir Hypothese 1 durch: Wenn der Angeklagte der Mörder ist, so muss er eine Pistole abgefeuert haben. Jemand, der eine Pistole abfeuert kann Schmauchspuren auf der Hand haben, und eine Pistole, die vor kurzem abgefeuert wurde, raucht im allgemeinen noch. Die Luftrillen auf dem Projektil passen zur Waffe in der Hand des Angeklagten. Die Beobachtungen passen also sehr gut zu dieser Hypothese.
Spielen wir Hypothese 2 durch: Wie kann der Angeklagte nicht der Mörder gewesen sein? Jemand anderes könnte geschossen haben, dem Angeklagten die Waffe in die Hand gedrückt haben und weggelaufen sein. Dann hätte der Angeklagte aber keine Schmauchspuren auf seiner Hand. Der Angeklagte hätte in die Luft schießen können, und jemand anderes hat dem Opfer in den Kopf geschossen. Dann würden aber die Laufrillen des Projektils nicht passen, und die Zeugen hätten zwei Schüsse gehört (auch mit Schalldämpfer ist eine Pistole ziemlich laut... es ist nicht so, wie man's in Krimis immer sieht). Oder ein weiteres Szenario: Der Angeklagte hat in die Luft geschossen, ein weiterer hat das Opfer erschossen, und danach haben die beiden die Waffen ausgetauscht. Hier hätten aber wieder zwei Schüsse gehört worden sein müssen, und es hätte auch bei den Zeugen eine weitere Waffe gefunden worden sein müssen. Diese Hypothese beschreibt die Beobachtungen nicht gut.
Also ist Hypothese 1 plausibler als Hypothese 2. In diesem Beispiel sogar extrem.
Kommen wir jetzt zu unserer Situation:
Hypothese 1: Wiederholte gut dokumentierte ungeklärte UFO-Scihtungen beruhen auf außerirdischen Raumschiffen.
Hypothese 2: Wiederholte gut dokumentierte ungeklärte UFO-Sichtungen beruhen nicht auf außerirdischen Raumschiffen.
Beoabchtbare Folgen von Hypothese 1: Es wird immer wieder gut dokumentierte ungeklärte UFO-Sichtungen geben.
Beobachtbare Folgen von Hypothese 2: Es wird immer wieder gut dokumentierte ungeklärte UFO-Sichtungen geben (das zu zeigen war und ist der Sinn der Rechnung gewesen).
Beide Hypothesen haben Folgen, die sich mit den Beobachtungen decken. Wenn ich jetzt also Fälle sammle, so wird mein Erfolg sowohl durch Hypothese 1 als auch Hypothese 2 vorhergesagt. Durch den Erfolg wird also keine der beiden Hypothesen plausibler.
Der einzige Unterschied der Hypothesen betrifft die Häufigkeit der gut dokumentierten ungeklärten UFO-Sichtungen. Unter der Annahme von Hypothese 2 werden sie häufiger auftreten, als unter Hypothese 1. Um das beurteilen zu können, müssen wir aber etwas über die betreffenden Wahrscheinlichkeiten wissen, oder plausible Abschätzungen darüber treffen. Daraus könnte man dann etwas über die Häufigkeit (Anzahl der Ereignisse pro Zeit) aussagen, und mit den beobachteten Häufigkeiten gut dokomentierter ungeklärter UFO-Sichtungen vergleichen. Erst dadurch würde eine der beiden hierf konkurierenden Hypothesen an Plausibilität gewinnen oder verlieren.
Die absolute Anzahl bringt hier rein gar nichts um, die Plausibilität zu erhöhen. Und darum ist auch der Satz von Dir
Tommy schrieb:
Mit jedem Fall aber, den wir dazugewinnen können, und der ähnliche Beobachtungsdaten über das beobachtete Objekt liefert, vermindert sich die Wahrscheinlichkeit, daß es sich um einen, wenn auch exotischen Radarfehler handeln könnte, weiter, bis hin zu einem Grenzwert, der denjenigen als Deppen darstehen läßt, der dennoch an ihn glaubt.
falsch.
Richtig müsste er lauten:
korrekter Satz schrieb:
Je mehr die Häufigkeit gut dokumentierter ungeklärter UFO-Sichtungen von der Erwartung unter Hypothese 1 abweicht, desto mehr sind zufällige Koinzidenzen, die die UFO-Scihtungen triggern, unplausibel, bis nur noch ein Depp daran glauben kann."
Aber wie gesagt: Über die Häufigkeiten unter Hypothese zwei können wir hier keine großen Aussagen treffen.
Mal eine ziemlich kontra-intuitive Tatsache: Das sehr langfristige Wegbleiben von gut dokumentierten ungeklärten UFO-Sichtungen wäre durchaus ein Indiz für deren außerirdische Herkunft.
Denn Hypothese 1: Sie haben das Interesse an uns verloren, oder sind sonstwie verschwunden.
Hypothese 2: Es wird weiterhin gut dokumentierte ungeklärte UFO-Scithungen geben.
Hypothese 1 beschreibt die Beobachtungen besser. Das ist zwar äußerst kontra-Intuitiv, aber wahr.
Hieran zwigt sich auch, dass die Plausibilität im Sprachgebrauch, und wie man sie intuitiv einschätzen möge, nicht immer richtig ist.
2. Wenn ich viermal hintereinander einen Mazda gekauft habe und war zufrieden mit dem Teil, dann ist die Wahrscheinlichkeit, daß ich auch mit dem fünften zufrieden sein werde, sehr hoch. Ich könnte auch sagen: Ich bin mir zu 80% sicher.
Oh, hier kann ich wieder mit Mathematik dienen. Soll ich? Ich lasse es mal lieber, das wird sonst zu OT.
3. Wenn jemand einen Grey in seinem Vorgarten sieht, dann ist die Wahrscheinlichkeit, daß es sich um eine reale Sichtung handelt noch nicht sehr hoch (Hier kann der übliche Standardkatalog ausgefahren werden, den du ja beherrscht wie kein zweiter, etwa Einbildung, Vollidiot, Wichtigmacherei, LSD-Trip, zuviel SF geguckt usw.) Wenn diese Sichtungen sich aber häufen und schließlich weltweit berichtet werden, dann wird die Wahrscheinlichkeit, daß sie keiner Realität entspricht, mit jeder Sichtung geringer. Wenn es schließlich, um das Beispiel weiter zu radikalisieren, so weit ist, daß wir nur einen Schritt vor die Tür setzen müssen und wir begegenen einem Grey, dann sind die drei, die möglicherweise sagen: "Greys? Gibt keine, sehen wir nicht" die Vollidioten und an diese müßte obengenannter Fragekatalog angelegt werden. Mit jeder Sichtung eines Greys steigt also die Wahrscheinlichkeit, daß diese Sichtung einer Realität entspricht. Oder anders formuliert: Die Wahrscheinlichkeit, daß die Aussage *Unter uns sind Greys* zutrifft, wächst mit jedem einzelnen Sichtungsfall.
Nein, sie wächst nicht mit jedem einzelnen Sichtungsfall, sondern sie wächst mit der Häufigkeit der Sichtungen, also der Anzahl der Sichtungen pro Zeit.
Hypothese 1: Die Greys sind unter uns.
Hypothese 2: Die Greys sind nicht unter uns.
Folgen von Hypothese 1: Es wird vermehrt Sichtungen geben.
Folgen von Hypothese 2: Es wird immer ein paar Idioten geben, die aus welchen Gründen auch immer behauten, einen Grey gesehen zu haben.
Die Idioten hören ja nicht auf, sowas zu behaupten. Wenn einer einen gesehen haben will, gibt es auch einige Mitläufer etc, und die Grey werden dann auch vermehrt in den diversen Haluzinationen und Träumen auftauchen, weil sie durch die vereinzelten Sichtungsberichte bekannter werden.
Da behauptet also jemand einen Grey gesehen zu haben. Nach einiger Zeit behauptet es noch jemand, aus den selben oder aus anderen Gründen. Und nach einer Weile noch jemand... und noch jemand... das hört nie auf. Und nach 10 Jahren hast Du vielleicht 100 Berichte von Grey-Sichtungen. Die steigern aber nicht die Plausibilität.
Wenn jetzt aber die Sichtungen so stark zunehmen würden, dass jeder schonmal einem Grey auf den Fuß getreten ist, so passt das nicht mehr mit Hypothese 2 zusammen.
Nochmal zum Mitdenken: Es kommt nicht auf die absolute Anzahl an, sondern auf die Häufigkeit (Anzahl pro Zeit). Bevor Du mir jetzt wieder Wortklauberei vorwirfst und behauptest, dass Du das schon immer so gemeint hast: Das habe ich auch schon weitaus vorher geschrieben, und da habe ich immer sauber getrennt.
Und? Wie hoch ist die Rate der Grey-Sichtungen?
4. (und jetzt auf unseren offenbar so schwierigen Fall bezogen): Wenn die Zahl von Sichtungsfällen wächst, bei denen die Hypothese außerirdischer Urherberschaft die Daten, die erhoben werden, am besten erklärt, weil alle anderen komkurrienden Hypothesen ausgeschlossen werden können (siehe Abschlußbericht der belgischen Luftwaffe), dann wächst mit jedem dieser Fälle die Wahrscheinlichkeit, daß die Aussage: "Wir haben außerirdische Besucher im Orbit" zurtrifft.
Die Zahl wird so oder so wachsen, unabhängig davon, ob da nun Außerirdische dahinter stecken oder nicht. Die Frage ist höchstens, wie schnell die Anzahl wächst. Kann das nicht in Deinen Schädel rein, oder willst Du das nicht verstehen?
Dies ist nun der Punkt, wo du mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen wirst: Nein, wir können nur sagen: "Da ist was Ungeklärtes. Aber Außerirdisches? Nö. Besteht überhaupt kein Anlaß zu dieser Vermutung."
Genau. Denn woher willst Du wissen, dass das Ding aus dem Weltraum gekommen ist? Wieso beschränkst Du da dann künstlich die Möglichkeiten, ohne, dass da ein Schild "Made außerhalb der Monbahn" irgendwo blinkt?
Und eben dieser Meinung bin ich nicht und stehe mit dieser Meinung, wie ich ja bereits mehrfach zitierte, auch nicht allein. Solche Aussagen: "Es ist halt ungeklärt, na und?" Oder: "warten wir auf eine Hypothese, die das erklärt (unbekannte Naturphänomene oder was auch immer), aber auf keinen Fall: Außerirdische" folgen der Logik des Prinzips "es kann nicht sein, was nicht sein darf" und halten den Denkprozess auf einem low level, der völlig überflüssig und auch unangemessen ist angesichts der Brisanz und Augenfälligkeit des Falls.
Nein, die Folgerung "es ist höchstwahrscheinlich außerirdisch" folgt gerade diesem Muster. Die Dinger in Belgien wurden nur in Erdnähe beobachtet, sogar nur innerhalb der Atmosphäre. Glaubst Du wirklich, wir wissen alles über unsere Erde? Wieso verschließt Du Dich so der Möglichkeit "unbekannte Naturphänomene"? Wieso ist diese Möglichkeit ein deus ex machina, die Außerirdischen aber nicht?
Ist der Stein, über den ich im Dunkeln falle, automatisch gelb?
Du hast unbestritten Recht, wenn Du behauptest: "Die Hypothese außerirdischer Besucher beschreibt die Beobachtungen und lässt sich nicht widerlegen." Aber das gilt für herzlich viele Hypothesen, von denen einige andere desweiteren noch schlicht und ergreifend Blödsinn sind.
Daß du selbst bei solch aufregenden Fällen mit den Schultern zuckst und immer nur die gleichen Standards raushaust wie eine hängengeblieben CD, zeigt mir, das hier sämtliche Argumentationsmühe vergeblich ist - wir werden keinen Nenner finden.
Einen Nenner müssen wir auch nicht finden. Das ist selten Ziel einer Diskussion.
Dass ich mich oft wiederhole liegt schlicht daran, dass das, was ich geschrieben habe, missverstanden oder sonstwie verdreht wurde. Dann muss ich halt ein wenig weiter ausholen und erläutern, warum doch stimmt, was ich gesagt habe. Da sind Wiederholungen an der tagesordnung. Da helfen auch Versuche mir vorzuwerfen, dass ich mathematische Wahrscheinlichkeit und Plausibilität verwechselt hätte und deswegen an Deiner Argumentation vorbei geschrieben hätte, nichts. Dann muss ich eben schreiben, warum meine Argumente auch für mit sauberer Trennung zwischen Wahrscheinlichkeit und Plausibilität für auch letztere gültig sind. Eben eine Widerholung. Und wenn man schlicht nicht kapieren kann/will, dass auch unter der Nullhypothese die Anzahl von Grey-Sichtungen und UFO-Sichtunge, so gut sie auch dukumentiert sein mögen, und so viele Fragezeichen die Experten auch haben mögen, wächst, und man nach längerer Zeit automatisch eine Sammlung davon hat, so dass es eben nicht auf die Anzahl sondern die Häufigkeit, die Rate, die mittlere Wartezeit etc. ankommt - und dann auch nur, soweit man darüber Aussagen machen kann - dann fühle ich mich berufen, das auch weiter auszuführen und zu erläutern, weil eben auf diese Punkte nicht oder falsch eingegangen wurde...
Viele Grüße
Joey