Leukämie ist kein Todesurteil mehr
(0) Von Eva Maria Siefert 8. September 2007, 09:00 Uhr
Wenn die weißen Blutkörperchen sich gegen einen wenden, hatte man früher kaum Überlebenschancen. Heute sind die Prognosen zu Heilung von Blutkrebs zumindest in Deutschland weitaus besser: Neue Medikamente und Knochenmarkstransplantationen halten die Krankheit in Schach.
Noch Anfang der Siebzigerjahre bedeutete die Diagnose Leukämie fast immer das Todesurteil. Heute heilt man etwa 70 bis 80 Prozent aller kindlichen Leukämien, bei Erwachsenen ist die Prognose etwas schlechter, sagt Professor Andreas Neubauer von der Uniklinik Marburg-Gießen.
Beim Blut- oder Knochenmarkkrebs überwuchern weiße Blutzellen Knochenmark und Blut. Unterschieden wird dabei zwischen eher schleichend verlaufenden, meist gut behandelbaren chronischen Leukämien und akuten Leukämien, die unbehandelt innerhalb von Wochen zum Tode führen.
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Überlebenschancen bei Krebs sind gestiegen Wir haben hinsichtlich der Häufigkeit zwar einen kleinen Gipfel im Kindesalter, aber Leukämien sind eine typische Alterskrankheit, sagt Professor Gerhard Ehninger von der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie. Allerdings lassen sich die kindlichen Leukämien besser behandeln.
Schuld sind fehlerhafte Blutkörperchen
Verursacht werden Leukämien durch Veränderungen im Erbgut der Blutzellen. Die Blutkörperchen werden ständig erneuert, sie teilen sich viel schneller als alle anderen Zellen im menschlichen Körper: Weiße Blutkörperchen erneuern sich innerhalb von acht Tagen, die roten Blutkörperchen alle drei Monate.
Das sind Millionen Zellteilungen pro Tag, alle auf engstem Raum in einer ziemlich klebrigen Masse, sagt Leukämieexperte Ehninger von der Uniklinik Dresden. Logisch, dass dabei Fehler passieren. Normalerweise aber werden diese Fehler erkannt und aussortiert, typisch für eine Leukämie ist daher auch der Verlust von Reparatur- und Kontrollmechanismen.
Woher diese gefährlichen Schäden? Umwelteinflüsse, Chemikalien wie Benzol, radioaktive Strahlen, Viren, aber auch Vererbung spielen eine Rolle. Wir haben nicht nur eine Leukämieform, sondern kennen unzählige Subtypen, die für Verlauf, Prognose und das Ansprechen auf die Therapie eine ganz entscheidende Rolle spielen, sagt Ehninger.
Die Forschung lässt auf Heilung hoffen
Am weitesten ist die Forschung bei der sogenannten chronisch-myeloischen Leukämie (CML), sie geht von den Vorläufern der weißen Blutkörperchen aus. Verursacher ist fast immer ein einziges fehlerhaftes Chromosom. Wir kennen hier das Tumorgen, sagt Ehninger. Wenn ich das ausschalte, dann blockiere ich auch das Krebswachstum. Den Hemmstoff für das Tumorgen, Imatinib, gibt es schon, er ist seit sechs Jahren zur Behandlung der chronisch-myeloischen Leukämie zugelassen.
Mit ein bis zwei Tabletten täglich wird diese Form der Leukämie zwar nicht geheilt, aber zu einer gut beherrschbaren Krankheit, mit der die Betroffenen nahezu normal leben können vorausgesetzt die bösartigen Zellen werden nicht resistent gegen die Arznei.
So weit wie bei der CML sind die Forscher bei den anderen Leukämieformen noch nicht. Mittel der Wahl ist die Chemotherapie, gelegentlich auch zusammen mit Strahlen. Damit wird der Krebs allerdings nur eingedämmt die Gefahr, dass er zurückkommt, bleibt hoch.
Studien als neue Behandlungskonzepte
Heilen lässt sich Blutkrebs nur durch Transplantation von Knochenmarkstammzellen, entweder von geeigneten Familienangehörigen oder fremden Spendern. Vor der Übertragung muss das gesamte blutbildende System des Patienten durch eine Chemo- oder Strahlentherapie zunächst weitgehend zerstört werden. Verräterische Hinweise auf Leukämie können Nachtschweiß, Fieber, starker Gewichtsverlust, Milzschwellung und vergrößerte Lymphknoten sein.
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Medizin Blutkrebs Krebs Leukämie Behandlung Bei den Therapien geht Deutschland voran und weist aufschlussreiche Studien vor. Mit dem Begriff Studie sind jedoch keineswegs ungeprüfte Therapien gemeint, sondern strukturierte Behandlungskonzepte auf der Basis neuester Erkenntnisse.
Nehmen Sie auch an Studien teil?, das ist nach Ansicht des Kölner Krebsspezialisten Reiser die entscheidende Frage an seinen Arzt: Das bedeutet nicht, dass der Patient quer durch Deutschland reisen muss, wir behandeln beispielsweise viele Patienten nach Konzepten aus München, Mannheim oder Dresden. Nicht zuletzt diese seit Jahren gewachsenen Netzwerke sind der Grund, dass die Patienten in Deutschland deutlich bessere Überlebenschancen haben als in den USA.
http://www.welt.de/wissenschaft/article1166420/Leukaemie_ist_kein_Todesurteil_mehr.html