Das sind religiöse Begriffe, besonders die Gnade. Es droht, sie zu verweltlichen.
Vielleicht wäre die Frage, ob es tatsächlich nur so etwas wie religiöse Begriffe wären.
Wenn es ein Begriff ist, wäre die Frage, ist es lediglich eine abstrakte Annahme, eine Konstruktion, oder gibt es hinter dem Begriff, der Codierung auch eine wie auch immer geartete Realität, Funktion im Kontext der Wirklichkeit.
Warum sollte es ein Problem sein, einen - auch wenn ich es anders sehe - religiösen Begriff zu verweltlichen?
Wenn Religion und Welt, spirituelle Welt und reale Welt getrennt wahrgenommen, erlebt werden, läuft meiner Ansicht nach ohnehin bereits eine Menge schief. Was nützt eine Religion, ein Glaube, der lediglich eine Art eskapistischer Gegenwelt, Scheinwelt suggeriert, aber mit dem Leben nichts zu tun hätte?
Mir ist schon klar, dass das wohl Menschen so sehen können, oder bewusst trennen, aber dann spießt sich eben meiner Ansicht nach schon ewtas.
Gnade vor Recht ergehen lassen, heißt eine Redewendung. Unter "Gnade" wird in diesem Sinne verstanden, dass der, der weltlich das Gesetz vertritt, oder im Sinne des Göttlichen das Gesetz ist, trotz des Gesetzes keine Sanktion gegen den Schuldigen veranlasst ...
Das in etwa wäre im Prinzip Gnade, ja. Eine entweder tatsächliche, oder auch vermeintliche, oder einseitig so definierte Schuld, die erlassen wird, die nicht bestraft wird.
Dafür muss es im Weltlichen wie im Göttlichen einen triftigen Grund geben.
Ist eine Sichtweise. Was aber, wenn es auch eine Gnade ohne triftigen Grund gäbe, oder gibt?
Im weltlichen Kontext vielleicht wohl eher nicht, aber was wäre, wenn es diese Art von Gnade im göttlichen Kontext auch gäbe? Zumindest unter bestimmten Umständen?
Vorstellbar, oder gar nicht, oder unfair, ungerecht?
Im Weltlichen mag das verschiedene Gründe haben, sogar Willkür des Mächtigen. Aber im Göttlichen dürfen wir Willkür wohl nicht annehmen.
Warum nicht? Wenn diese Welt tatsächlich eine göttliche Schöpfung wäre, ist - wovon ich nicht so wirklich überzeugt bin - so wäre es die Willkür, die hier herrscht, dann ja auch. Wer sagt also, dass in, sagen wir mal göttlicheren Bereichen nicht eine ebensolche Willkür herrscht? Und warum sollte das dann nicht der Fall sein können?
Ebenso könnte es sein, das wir aus unserer doch ziemlich beschränkten Perspektive etwas als Willkür erachten, wahrnehmen, das in einem größeren, für uns aber zu komplexen Kontext gar keine Willkür wäre, sondern ein Resultat diverse anderer Faktoren. Wir hier könnten das vielleicht nur nie tatsächlich zutreffend beurteilen.
Wer sagt, das "Gott" sozuagen "richtig" belohnt und/oder bestraft"? Wer gläubig ist, will es glauben. Ein IS-Selbstmordattentäter glaubt auch daran, das ihn im Paradies 99 Jungfrauen erwarten. Nur so als Beispiel.
Was also, wenn es sich mit hier gängigeren Glaubensinhalten nicht anders verhalten würde? Sie auch nur Einbildungen, Schimären, Irrtümer wären? Oder zum Teil, zum Teil nicht? Wie trennt man dann die Spreu vom Weizen?
Sie begnadigt, wenn der Schuldige nicht in der Lage ist, für seine Schuld rechtmäßig einzustehen und sie regulieren zu können.
Könnte so der Fall sein, oder auch nicht. Annahmen, Vermutungen.
Nun gibt es ja einige, die grundsätzlich davon ausgehen, das es so etwas wie Schuld ohnehin nicht gäbe. Was ist dann mit denen?
Was ist mit subjektiv empfundener Schuld, die aber im juridischen Sinn keine ist? Was umgekehrt mit eine juridischen Schuld, die subjektiv aber als Unschuld empfunden wird? Was wenn beide Seite diesbezüglich völlig konträre Sichtweisen haben?
Alo muss jemand an Schuld glauben, damit das Ganze funktioniert?
Kann jemand, der nicht an Schuld glaubt, trotzdem begnadigt werden? Und wofür dann eigentlich? Oder begnadigt derjenige sich selber im voraus, darf also ungehemmt alles tun, ohne Folgen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen?