21. September 2011 um 11:01 Uhr
Glücksatlas auf allen Kanälen  ein weiterer Beleg für die weite Verbreitung des gesteuerten Kampagnenjournalismus
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Gestern Abend habe ich mir das zweifelhafte Vergnügen gegönnt, das heute journal anzuschauen. Ich hätte nicht gedacht, dass der Charakter dieser Sendung als Propagandamedium noch zu steigern ist. Ist es aber. Die erste (!) Meldung war ein Bericht über einen so genannten Glücksatlas Deutschland 2011. Der Beitrag über diese so genannte Studie im Auftrag der Deutschen Post, unter Führung von Bernd Raffelhüschen und bei Mitwirkung von Allensbach und DIW dauerte 8 min und 10 s (!); darin enthalten ist ein lammfrommes Interview des Moderators Kleber mit dem Professor genannten Interessenvertreter Raffelhüschen von über 4 (!) min Länge.  Das ZDF und seine Hauptnachrichtensendung ist nur die Spitze des Eisbergs. Alle wichtigen Medien sind voll von unkritischen Meldungen zur Studie. Albrecht Müller.
Zum Medienecho auf die Studie:
Hier beispielhaft der Link auf einen Artikel im Tagesspiegel, der typisch ist für die vielen Meldungen. Eine Google News Suche zum Stichwort Glücksatlas ergab um 9:48 Uhr 252 Ergebnisse. Das erste Ergebnis sieht so aus:
    Glücksatlas: Die Deutschen sind so zufrieden wie lange nicht
    ‎
    WELT ONLINE  vor 1 Stunde
    Glücksatlas Deutschland 2011″ vorgelegt Die Hamburger sind zu beneiden. Die Hanseaten sind deutschlandweit die glücklichsten Menschen  und sie haben auch 
    Glücksatlas : Das große Glück: Hamburger sind die Dänen Deutschlands‎ Hamburger Abendblatt
    Glücksatlas 2011: Was die Deutschen glücklich macht‎ RP ONLINE
    Glücksatlas Deutschland 2011: Mit Geld und Ehe glücklich werden‎ FOCUS Online
    BILD  ZEIT ONLINE
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Das ist für die Strategen im Hintergrund ein durchschlagender Erfolg.
Zur Strategie im Hintergrund:
Sowohl die Macher der neoliberalen Ideologie wie auch ihre politischen Arme, die CDU/CSU, die FDP und die Bundeskanzlerin, brauchen Belege für den Erfolg ihrer Rezepte. Deshalb haben sie penetrant von Boom und Aufschwung XXL geredet, auch wenn die Daten dies überhaupt nicht hergaben. Sie  übrigens auch ihre Mitstreiter bei SPD und Grünen  haben behauptet, die Agenda 2010 und die Reformpolitik insgesamt sei ein großer Erfolg. Sie haben, um möglichst viel Licht auf ihre Arbeit zu lenken, andere Völker und Volkswirtschaften diskreditiert und herunter gemacht  ohne Rücksicht auf Verluste. Das funktioniert nach dem berühmten Wippschaukeleffekt. Je tiefer man den andern taucht, umso höher, größer und glänzender erscheint mal selbst. Helmut Schmidt und seine Leute haben das früher mit der SPD so gemacht. Ein bewährtes Prinzip.
Den unwissenden Bürgern wird mit der Studie wie dem Glücksatlas Deutschland 2011 suggeriert: Jammert nicht, es geht euch doch allen gut. Nach der CDU-Kampage Deutschland geht es gut folgt damit der nächste Streich.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie solche Studien zustande kommen. Da setzen sich die Strategen von Bundespresseamt, Parteizentrale der Union, Kanzleramt und die einschlägigen PR Agenturen zusammen und überlegen, wie die Hauptbotschaften für die nächste Wahlauseinandersetzung direkt und indirekt unter die Leute gebracht wird. Dabei spielt dann die Basisbotschaft  es geht uns gut, die Reformpolitik ist erfolgreich  eine zentrale Rolle. Jetzt kommt es darauf an, diese Botschaft A in Variationen unter die Leute zu bringen. Die Variationen B, C, etc. sind: wir sind glücklich, die Hamburger sind glücklicher als die Thüringer usw.. Das ist alles Beiwerk und unterstützendes Material für die Hauptbotschaft.
Dann überlegt man sich, auf welche Vorfeldorganisationen eine solche Studie abgestützt werden kann und wer sie finanzieren könnte und wer ihr besondere Glaubwürdigkeit verleiht. Die einschlägigen Unterstützer sind schnell gefunden. Raffelhüschen macht bei solchen Sachen immer mit, auch Allensbach und vermutlich auch die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit greift man auf die umfangreichen Datenreihen des Sozioökonomischen Panals zugrunde, die vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung seit 1984 erhoben werden (WeltOnline). Und zur Finanzierung der Propaganda Aktion stellt sich die Deutsche Post AG zur Verfügung. Das kennen wir schon. Die Deutsche Post finanziert auch wesentlich das Institut für die Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn, über das wichtige Agitationslinien für den Niedriglohnsektor gelaufen sind.[...]