Hi Eric,
eric30 schrieb:
was hat sich bei dir seit dem geändert, als du mit der meditation angefangen hast? hast du dich mental sehr verändert?
Das ist keine einfache Frage.
Einerseits: Ja, ich habe mich sehr verändert. Andererseits: Nein, ich habe micht nicht verändert.
Eine der Schwierigkeiten liegt hier herauszufinden, was Ursache ist, was Wirkung ist, was überhaupt in einem oder keinem Zusammenhang zur Meditation steht. Es gibt mehrere Veränderungen an mir, die ich in den Zusammenhang zur praktizierten Meditation stelle, aber ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob nicht vielleicht eher einfach sowieso ich mich verändert hätte - auch ohne Meditation.
Was sich verändert hat in den letzten 4 Jahren (so lange, wie ich meditiere): Ich bin innerlich ruhiger geworden, ausgeglichener, mein ewig schwatzender Geist wurde vom Strom zum Flüsschen, schweigt öfter, hat viel weniger Macht über mich.
Ich weiss je länger desto weniger. Ich kann nicht mehr mit Bestimmtheit sagen, wer "Ich" bin, ich verstehe das schlicht nicht mehr. Auch über den Rest der Welt kommt mir immer mehr "Wissen" abhanden. Dinge, die für mich früher völlig offensichtlich waren, sind jetzt plötzlich merkwürdig, fragwürdig, unsinnig. Überhaupt ist vieles sehr unsinnig geworden.
Ich sehe viele Menschen in einem andern Licht. Vieles, vor allem Meinungen, Ansichten u.ä. hat sich relativiert für mich. Plötzlich sind da oft keine grundsätzlich richtigen oder falschen Meinungen mehr, sondern nur noch solche, die falsch/richtig in Bezug auf etwas sind. Dieselbe Sache, aber falsch für Person X und richtig für Person Y.
Mein Ego ist gleichzeitig stärker und schwächer geworden. Stärker gegen aussen, schwächer gegen innen.
Kurz: Ich habe den Eindruck, Meditation hätte in mir drin eine ganze Menge von Dingen endlich ins richtige Verhältnis zueinander gerückt. Dies sind aber alles Langzeitänderungen. Und wie gesagt, möglicherweise hat das meiste oder alles gar nichts direkt mit Meditation zu tun, sondern schlicht mit dem Älterwerden.
Andererseits mache ich immer noch dieselben Fehler wie früher. Habe genau dieselben Schwächen wie früher, habe denselben Charakter und dieselben Interessen wie früher. Da hat sich nicht die Bohne geändert.
Ich muss aber auch darauf aufmerksam machen: Meditation darf/soll/kann nicht dazu benutzt werden, um ein Ziel zu erreichen in dem Sinne, dass du dir sagen kannst: "Ich möchte ein glücklicherer Mensch werden". Das wird nicht funktionieren, ich hab's probiert und bin gescheitert. Meditation kann dir nicht sagen, wer du bist, was du tun sollst, was du willst. Damit Meditation ein Segen für dich wird, ist es notwendig, dass du selbst im Voraus diese Fragen klärst. Meditation führt dich nirgendwo hin, wenn du diese Fragen nicht geklärt hast, oder noch schlimmer, sie führt dich in die Irre. Meditation ist wie in einem Irrgarten magische Schuhe anzuziehen, mit welchen du schneller gehen kannst. Sie können dich nicht ans Ziel bringen, sie können dir nicht den Weg zeigen, das ist unmöglich. Du musst selbst entscheiden, wohin du willst. Aber sie werden dich schneller dorthin bringen, sie werden dich in deinem Vorhaben unterstützen.
Ganz viele Menschen erhoffen sich von Meditation ein glücklicheres Leben, aber das geht nicht! Es funktioniert nicht! Sie bleiben immer dieselben Menschen, einzig ihr Erfahrungshintergrund bzgl. Meditation ändert sich. Und im Grunde genommen merken sie das ganz genau, aber sie wollen glauben, dass sie schon Riesenfortschritte gemacht hätten und darum beginnen sie, sich irgendwas Dummes einzureden. Ich gehe ab und an ein paar Vorträge über den Buddhismus hören. Schaut man sich die Leute dort an, so gibt's ein paar, welche ständig himmlisch Dauerlächeln. Die Armen! Sie müssen mit aller Gewalt all das Negative in ihnen unterdrücken. Was für ein Dauerstress...
Du siehst: Wenn du dich belügst, wird auch deine Meditation eine Lüge sein. Wenn du ehrlich bist, wird Meditation diese Ehrlichkeit unterstützen.
Das wichtigste: DU stehst im Zentrum deiner selbst. Alles andere, auch Meditation, ist Beigemüse.
wie oft praktizierst du es am tag?
2x täglich ca. 15 bis 25 Min. Morgens nach dem Aufstehen und Abends vor dem Ins-Bett-Gehen im Sitzen. Wenn ich kann auch noch ein drittes Mal nach dem Mittagessen.
Aber ich brauche mich dafür nicht künstlich zu motivieren oder anzustrengen, ich mach's völlig gerne. Und ich habe kein Problem auch mal einen oder mehrere Tage nicht zu meditieren, wenn ich keine Lust habe. Allerdings würde ich zu Beginn eher eine gewisse Disziplin empfehlen, also auch dann meditieren, wenn du grade keine Lust hättest.
Ausserdem kannste Meditation immer überall praktizieren: Sei einfach aufmerksam, wo du bist, was um dich abgeht, was in dir abgeht. Sei einfach aufmerksam, das ist die beste Meditation. Natürlich gelingt's meistens nicht so gut, aber das macht ja nichts. Ist ja kein Leistungsmarathon.