Wie kann ich frei sein, wenn ich mich nur dann frei fühle wenn ich Tattoos habe?
Was soll das für eine besondere Freiheit sein, die nur dann empfunden werden kann wenn ich tätowiert bin? Für mich ist das Unfreiheit.
Wenn ich ein tief empfundenes Gefühl von Freiheit und Lebensglück erlebe, dann ist das völlig unabhängig von Tattoos oder sonstigen äußeren Zeichen. Wenn ich zur Unterstützung solcher Gefühle Tattoos benötige, bin ich auch nicht frei. Im Gegenteil: meiner Meinung nach sogar sehr unfrei.
Und wenn ich als tättowierte anderen unterstellern muß dass sie tiefe Freiheit und Lebensglück nicht verstehen, laufe ich mit ziemlichen vorurteilsbehafteten Scheuklappen durch die Gegend.
Ich sehe das eigentlich auch so, doch verstehen wir die bildreichen Tättowierungen ja eigentlich nur, wenn wir quasi hinter den Tättowierungen die Motivation beobachten.
Es ist ein archaisches Gefühl, sich Bilder irgendwie anzuheften oder für sich in Anspruch zu nehmen. Wir können das auch überall beobachten, so sind Kinder manchmal regelrecht versessen darauf, sich auf die Haut ein Abziehbild zu kleben. Oder wie ist es mit dem schier unwiderstehlichen Drang macher Jugendlicher, sich einen angebotenen Sticker ans Hemd zu stecken, auf dem ein Bekenntnis steht, dem man irgendwie zusprechen kann. Bei der Jugendkleidung ist auffällig, dass auf ihnen stets irgendwelche Schriftzüge stehen, die eine Art Bekenntnis beschreiben, zu dem die Jugendlichen eine Zugehörigkeit fühlen, selbst wenn sie gar nicht recht wissen, was der Schriftzug bedeutet. Ich hatte einmal als 19-Jähriger ein buntes Oberteil gekauft, auf dem stand in großen Lettern "Colorado-University". Nicht wahr, das ist etwas Amerikanisches, Exotisches und sein Träger demonstriert damit eine Beziehung zu dem, was darauf zu lesen steht, wenn es auch aus erwachsener Sicht nicht ganz ernst zu nehmen ist, weshalb auf der Kleidung für Erwachsene nichts oder nur wenig steht.
Man fühlt sich durch ein Bild, das auch aus Schriftzügen bestehen kann, welches man für sich in verschiedenartigster Weise in Anspruch nimmt, wie es auch die Flagge des eigenen Landes sein kann, verbunden. Solche Verbundenheiten geben eine seelische Sicherheit und Zugehörigkeit, die als Freiheit empfunden werden kann. Aber gemessen beispielsweise zwischen der Jugend- und Erwachsenenkleidung, entspricht ein solches Bilderbewusstsein einem gewissen archaisch-numinosen Bewusstsein.