Suche nach mir selbst

Engelswispern

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Hallo zusammen...

Ich überlege nun schon seit längerem, ob ich hier überhaupt etwas schreiben und fragen soll, es lässt mich auch nicht los. Also schreibe ich es nun einfach mal hier. Es ist etwas extrem persönliches, das mich beschäftigt, etwas, das an meine Substanz geht, also bitte ich eindringlich darum, hier nicht in sich gegenseitig zerfleischende Diskussionen zu fallen...

Es geht, wie im Titel bereits gesagt, um meine Suche nach mir selbst, nach dem, was ICH eigentlich bin. Ich muss ein wenig ausholen, um zu erklären, was ich damit genau meine.
Ich hatte keine einfache Kindheit und Jugend. Ich habe eine Mutter, die wohl am Borderline-Syndrom (wer nicht weiß, was das ist, bitte googeln, die Erklärung würde den Rahmen sprengen) leidet, was sie jedoch abstreitet und nicht einsehen möchte. Dementsprechend hat sie schon immer ihre Launen an ihrem gesamten Umfeld ausgelebt, auch an mir und meiner jüngeren Schwester - insbesondere an mir, da ich immer das "schwarze Kind" war. Das ist für ein Kind natürlich nicht sonderlich günstig, um es mal vorsichtig auszudrücken. Die Folgen für mich sind, dass ich seit mehr als 10 Jahren unter einer rezidivierenden depressiven Störung leide (ich hatte bisher 2 ernste Episoden, daher rezidivierend = wiederkehrend) und jüngst ein Bindungstrauma diagnostiziert wurde. Ich nehme auch seit ein paar Jahren bereits ein Antidepressivum und bin daher nicht oft, aber regelmäßig bei einem Psychiater.

Ich habe nun den Kontakt zu meiner Mutter gänzlich abgebrochen und mich zum dritten Mal in meinem Leben in eine ambulante Psychotherapie begeben, die nun eine Traumatherapie ist. Die beiden Verhaltenstherapien haben nicht langfristig geholfen, auch wenn diese Form bei Depressionen als DAS Mittel der Wahl hingestellt wird... Aber eben nicht bei den Ursachen, die bei mir vorliegen.
So. Nun hatte ich bisher zwei Sitzungen bei der Therapeutin (psychologische Psychotherapeutin), die bereits schon angefangen haben, einiges zu bewegen. Insbesondere die zweite Sitzung war für mich harter Tobak.

Ich erzählte ihr von meinem Alltag, der ein wenig stressig war wegen dem Uniwechsel und natürlich von meinem bewussten Kontaktabbruch zu meiner Mutter. Die Dame gibt mir immer Feedback, was sie wahrnimmt. Und sie fragte diesmal, wo ICH denn in dem ganzen gewesen wäre. Sie beschrieb, dass sie zwar hört, was ich erzähle und beschreibe, aber sie könne MICH nicht wahrnehmen. Ich berichte zwar, aber das mit einer Art Distanz und auch mit einer gewissen Härte mir selbst gegenüber, dass ich, mein Wesen und meine Persönlichkeit nicht mehr wahrzunehmen sind. Ich persönlich war erschrocken darüber, da ich selbst es natürlich nie so wahrgenommen habe. Wir besprachen dies natürlich und sie hakte genau nach, wie ich mich dabei fühle und dann in meinen Antworten gab sie mir das Feedback, dass sie mich dort endlich wahrnehmen könne, "spüren" könne. Tatsächlich sprach ich auch ganz anders, der Tonfall war ganz anders, was mir ohne das Feedback kaum aufgefallen wäre.
Das brachte mich stark zum Nachdenken und ich forschte nach, grub und grübelte, aber ich die Therapeutin hatte Recht. Ich fand mich selbst auch nicht in meinen Berichten. Ein Teil von mir hält einen anderen Teil meiner selbst offenbar klein und an der kurzen Leine, lässt Emotionen nicht zu und wenn doch, werden sie sofort kleingeredet und verharmlost.

Dieser Termin nun hat mich extrem aufgewühlt und seitdem ist ein halber Monat vergangen. Ich bin die ganze Zeit nun auf der Suche nach mir selbst, bisher erfolglos. Ich finde keinen Zugang. Ich habe keine Ahnung, wie ich den Zugang zu der Wahrnehmung meiner selbst finden soll. Ich bemerke zwar jetzt, dass ich permanent in einem Zustand leichter Dissoziation durch die Welt laufe, aber ich habe keine Ahnung bisher, wie ich da rauskommen soll. Das wird dann wohl ein Thema in der nächsten Sitzung sein (ich habe bisher nur einmal im Monat eine Sitzung), aber ich möchte gerne wissen, ob es eine Möglichkeit gibt, diesen Prozess der Selbstfindung... oder der Findung eines Zugangs zu mir selbst auf spirituellem Weg zu unterstützen. Ich schreibe bewusst unterstützen, da ich nicht vorhabe, die Therapie abzubrechen und gar zu ersetzen mit "esoterischem Kram". Das wäre wahrlich kontraproduktiv.
Ich suche eher nach einer Möglichkeit, beides zu verbinden, um mir langfristig selbst zu helfen, den Weg zu mir zurück zu finden.

Es wäre schön, wenn ihr Tipps diesbezüglich hättet.
 
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Ein Teil von mir hält einen anderen Teil meiner selbst offenbar klein und an der kurzen Leine, lässt Emotionen nicht zu und wenn doch, werden sie sofort kleingeredet und verharmlost.

Hallo du :)

Das oben markierte...trifft wohl auf die allermeisten von uns zu...da wir alle diese Erfahrung als Menschen machen, dass wir 'verkleinert' werden von unserem Umfeld...und in etwas gedrängt... und somit uns von uns selbst...zu nem kleinen oder großen Teil dissoziieren 'müssen'.

Also, was hilft:

Tue das, was dir von innen heraus Freude bereitet...was dich einfach in FLUSS bringt...sodass du nicht ständig über irgendein Zeug nachdenken musst..sondern wo du einfach ganz und gar mit dir eins bist...du spürst es, wann es bei dir soweit ist.
Das können ganz viele Dinge sein: shoppen gehen, malen, tanzen, singen, mit Freunden quatschen, ne längere Reise machen...
egal. Jeder hat eigenes, was ihn in Kontakt mit SICH bringt...wo du einfach du selbst bist.

Du merkst es daran, dass du Energie gewinnst statt verlierst...du fühlst dich einfach gut, gefestigter, stärker.
Andersrum merkst du, dass du depressiv, traurig, müde, bedrückt usw wirst, wenn du dich zu wenig lebst...dann ist wieder umswitchen angesagt und die Aufmerksamkeit auf das lenken, was dich GLÜCKLICH macht.

Ich hab angefangen, das mit kleinen Dingen zu üben. Mich immer, wenn ich die Zeit dafür hatte, gefragt:
"Was würde mich JETZT richtig gut fühlen lassen?"
Manchmal hilft schon ein Gedanke daran.

Liebe Grüße :)
maiila
 
Hallo @maiila

Vielen Dank für deine Antwort. Du hast mir damit quasi etwas in Erinnerung gerufen, was ich vergessen habe und immer wieder vergesse. Zwar mache ich bereits ab und an Dinge, die mich in dem jeweiligen Moment irgendwie glücklich machen, aber dennoch "wirkt" es dann auch nur in dem Moment, wenn überhaupt. Meist auch, ohne mich vorher bewusst zu fragen, was mich jetzt glücklich machen könnte. Und oft genug habe ich dann die Ruhe, um erst so richtig zu bemerken, wie wenig .. eigentlich sogar, dass ich mich selbst gar nicht spüre. Es ist, als wäre mir das Gespür für mich selbst und meine Bedürfnisse gänzlich abtrainiert worden. Ich nehme ja nicht mal die Grenzen meines Körper wahr, was sich darin äußert, dass ich mich ständig irgendwo stoße, weil ich einfach meine eigenen körperlichen Dimensionen nicht abschätzen kann.
 
Hallo Engelswispern.
Du schreibst deine Mutter leide - soweit deine Einschätzung - am Borderline Syndrom. Du schreibst du hast ein Bindungstrauma, was dann natürlich sicher auch sehr wahrscheinlich ist, bzw. unumgänglich.
Zusätzlich dissoziierst du, hast depressive Episoden. Du spürst dich nicht richtig, hast ein weniger gutes Gefühl für deinen Körper und du hast momentan keinen Zugang zu deiner ureigenen Identität. Habe ich das soweit richtig zusammengefasst?
Ohne dir zu nahe treten zu wollen... aber denkst du, du könntest vielleicht auch in die Borderline Richtung tendieren? Es haben ja durchaus nicht alle Menschen, die an dieser Störung leiden, dieselben Symptome, so dass Ähnlichkeiten zwischen dir und deiner Mutter nicht unbedingt in dieser Form vorhanden sein müssten.
Dennoch trifft die Beschreibung deiner Symptome in Teilen auch auf dieses Störungsbild zu.
Bitte denke nicht, dass ich dich in irgendeine Richtung drängen möchte, ich denke nur, dass es für gewisse Beschwerdebilder dann viel besser abgestimmte Therapien gibt, die dann auch viel erfolgsversprechender sind.
Da gibt es total viel was man machen kann.
Ich könnte dir empfehlen dich einmal mit Meditation auseinanderzusetzen. Das hat ganz viele positive Effekte. Du bekommst ein besseres Körpergefühl, schulst dein Konzentrationsvermögen, wirst aufmerksamer, entspannter...
Es gibt auch speziell für Menschen, die am Borderline Syndrom leiden, die DBT. Eine Therapieform, die aber sicher viele Elemente besitzt, die auch dir helfen könnten. Diese stammen meines Wissens nach auch zu einem Großteil aus dem Buddhismus.
Ich wünsche dir viel Erfolg.
 
Hallo @Suki111

Ich selbst habe kein Borderline, aber ich habe - wie es auch in der Diagnose steht - emotional instabile Züge, da ich mit meiner Mutter "mitgeschwankt" bin, ich musste mich ihren Launen ja immer anpassen. Seit ich aber keinen Kontakt mehr zu ihr habe, fällt dies gänzlich weg. Viele Elemente der DBT hatte ich bei einem Klinikaufenthalt mitmachen müssen, aber tatsächlich hatte mir das rein gar nichts geholfen, da die Probleme, die damit bearbeitet werden sollten, nicht meine Probleme sind. Ich habe zB. keine Probleme im sozialen Bereich und auch keine großen Probleme mit Stresstoleranz. Daher passt die DBT gar nicht auf mich, zumindest nicht das, was die Ärzte der Klinik dachten. Zumal ich dort nicht wegen Borderline, sondern eben wegen Depressionen war.

Du hast es schon richtig zusammengefasst, aber sind das eben nicht nur Symptome von Borderline, sondern auch tatsächlich von Depression. Hier überschneiden sich die Symptome und bei mir sind es aber die der Depression, nicht der BPS. Zumal bei mir noch sehr viele Symptome dazukamen, die nur für Depression typisch sind und gleichzeitg die meisten BPS-typische Symptome gänzlich fehlen. Wobei ich im Moment bis auf diese fehlende Selbstwahrnehmung zum Glück symptomfrei bin. Sonst hätte ich mich auch nicht getraut, jetzt endlich eine Traumatherapie in Angriff zu nehmen.

Der Tipp mit der Meditation klingt gut. Ich habe auch so schon öfter mal meditiert früher, wenn ich die Zeit fand. Und eben auch jetzt immer kurz, bevor ich Karten lege. Zeitlich ist das im Moment ein wenig problematisch... Aber vielleicht sollte ich das wirklich versuchen, fest in meinen Alltag zu integrieren. Meinst du eine bestimmte Form der Meditation oder "einfach" in Stille mich auf zunächst meinen eigenen Atem konzentrieren z.B.?
 
Hallo @Suki111

Ich selbst habe kein Borderline, aber ich habe - wie es auch in der Diagnose steht - emotional instabile Züge, da ich mit meiner Mutter "mitgeschwankt" bin, ich musste mich ihren Launen ja immer anpassen.
Ja, das kann ich verstehen. Es war sicher nicht leicht für dich. Aber schön, dass du schon so einiges probiert hast, auch wenn es für dich nicht gepasst hat mit der Therapieform. So muss man sich wenigstens nicht vorwerfen, es nicht versucht zu haben. Ich finde es sehr mutig, sich diesen Themen überhaupt zu stellen.

Ich habe zB. keine Probleme im sozialen Bereich und auch keine großen Probleme mit Stresstoleranz.
Ein Bindungstrauma hinterlässt schon sehr tiefe Spuren und das ganz besonders im sozialen Bereich. Besonders was Beziehungen zu anderen Menschen betrifft. Aber ich bin mir sicher, dass du auf einem guten Weg bist, sonst würdest du dich mit diesen Themen ja gar nicht auseinandersetzen.

Ja ganz genau, ich meine die Meditation, bei der man sich auf seinen Atem konzentriert. Die finde ich am effektivsten. Es gibt da auch sehr viel Literatur zu. Ich denke schon, dass dir das sicher gut tun wird!:)
 
Ja, das kann ich verstehen. Es war sicher nicht leicht für dich. Aber schön, dass du schon so einiges probiert hast, auch wenn es für dich nicht gepasst hat mit der Therapieform. So muss man sich wenigstens nicht vorwerfen, es nicht versucht zu haben. Ich finde es sehr mutig, sich diesen Themen überhaupt zu stellen.


Ein Bindungstrauma hinterlässt schon sehr tiefe Spuren und das ganz besonders im sozialen Bereich. Besonders was Beziehungen zu anderen Menschen betrifft. Aber ich bin mir sicher, dass du auf einem guten Weg bist, sonst würdest du dich mit diesen Themen ja gar nicht auseinandersetzen.

Ja ganz genau, ich meine die Meditation, bei der man sich auf seinen Atem konzentriert. Die finde ich am effektivsten. Es gibt da auch sehr viel Literatur zu. Ich denke schon, dass dir das sicher gut tun wird!:)

Ich habe schon ein bisschen etwas hinter mir an Therapien, eben zweimal schon eine ambulante Verhaltenstherapie, was sich für mich nur als Arbeiten an Symptomen herausgestellt hat und somit nicht langfristig half, einmal der besagte Klinikaufenthalt in einer psychosomatischen Klinik, wo auch das erste Mal erkannt wurde, dass überhaupt ein Trauma vorliegt und wo ich mit der DBT in direkte Berührung kam. Dort habe ich auch gemerkt, dass Traumatherapie das ist, was wohl das richtigste wäre, zumal ich dort überraschend der Traumagruppe statt der Depressionsgruppe zugeteilt worden war. Was sich als richtiger Glücksfall herausstellte, auch wenn die Traumagruppe natürlich sehr anstrengend und alles andere als schön war. Aber sie war heilsam und das ist, was zählt.
Und einmal war ich auch in einer Krise in der Psychiatrie, aber das war alles, nur nicht hilfreich. Es war für mich Horror.

Tatsächlich hatte ich selten Probleme, was Beziehungen zu anderen Menschen angeht. Ich hatte sogar einen sehr großen Freundeskreis (bis dann Facebook kam, aber das ist eine andere Geschichte) und habe seit nun 4 Jahren eine glückliche Beziehung, die mir auch eine wichtige Stütze ist auf meinem zukünftigen Weg.

Die Themen sind sehr unangenehm und auch die Traumatherapie, die ich nun angefangen habe, wird alles andere als angenehm... Aber ich möchte die "Wurzel des Übels" bearbeiten, damit ich in Zukunft möglichst nie wieder in eine depressive Episode abrutsche. Schon seit ein paar Jahren spüre ich, dass eine Traumatherapie das richtige ist. Und jetzt, wo ich so stabil bin und nicht mehr von der Mutter in ein Loch gestoßen werden kann, ist der richtige Zeitpunkt, jetzt habe ich die Kraft, eine solche Therapie durchzustehen.

Nochmals danke für das (Rück-)Hinweisen auf Meditation. Das hilft sicherlich auch dabei, ein wenig zur Ruhe zu kommen nach aufwühlenden Sitzungen. Die Gedanken, die da aufkommen und auch die Gefühle sind schon recht kräftezehrend und anstrengend.
 
Hallo Engelswispern,

schwierig, das auf Knopfdruck die Dissoziationen abzustellen.

Unterstützend wäre, wie Maiila schon schrieb, etwas zu machen, was dir gut tut. Etwas Kreatives ist sicher auch nicht verkehrt.
Ich habe letzten Sommer mit meiner Schwester an Dissoziationen gearbeitet. Sie ist auch die ältere und war das "schwarze Kind" in der Familie. Was hat ihr gut geholfen?
Wir haben jeden Tag nach mindestens 10 Sachen gesucht, die meine Schwester an ihr mag und diese aufgeschrieben. Dann haben wir den körperorientierten Farbdialog gemacht.
Du nimmst eine Farbe und ordnest sie spontan irgdneinem deiner Körperteile oer einer Eigenschaften (die erschwerte Variante) von dir zu. Z.B. nimmst du gelb und ordnest spontan deine Stimme dazu. Dann malst du auf einem Blatt Papier so lange und wie du willst mit gelb, anschließend schreibst du "Stimme" drauf. Dann machts du das mit einer anderen Farbe.
Bei meiner Schwester sind wunderschöne Bilder entstanden, was sie so gat nicht erwartet hat. Anschließend haben wir die Bilder besprochen und ihre Assozionen reflektiert. Du könntest diese Bilder, falls es etwas für dich sein sollte und du dich entschließt das auszuprobieren, deiner Therapeutin zeigen.

LG,

Stäbchen
 
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Es gibt etliche die Dissoziation mögen oder gern hätten, der Weg dorthin kann unterschiedlich sein.
Kannst ja nach hier-jetzt-sein googeln da ist ein Blog von jemand der das erreicht hat.
 
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