StudienArbeit: Ritueller Ayahusca-Gebrauch in ausgewähten Stammeskulturen

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nasruddin

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Um den letzten Thread von Chollo mit "Ayahuasca und anderes" unnötig zu belasten, möchte ich hier eine Studienarbeit als Grundlage für diejenigen, die Ihr Interesse an Ayahuasca entdeckt haben, und diejenigen, die es hier immer besser Wissen (es aber nicht zu "gaxen" vermögen ) hineinkopieren.

Es ist eine Studienarbeit, die im Grin Publiziert wurde und ich eine Kopie davon besitze.

http://www.grin.com/de/e-book/96039...nahme-und-ersten-orientierung-ueber-rituellen

Gemäss der Anmerkung des Authors, darf diese Publikation an jeden weitergegeben werden, der daran Interessiert ist.
Siehe das Copyright am Schluss des Textes.

Vorab möchte ich folgendes Erwähnen. Es werden Schamanen darin erwähnt.
Und fairerweise, beide Gattungen der Schamanen. Jene die Schaden an anderen Wesen anrichten und diejenigen die sich als Heiler betätigen.
Die Dualität ist überall. Wer auf dem einen Auge blind ist, sieht mit dem Anderen nicht mehr in 3D...

Beginnen wir:

Silvio Rohde

Versuch einer Bestandsaufnahme und ersten Orientierung
über rituellen Ayahuasca-Gebrauch in ausgewählten
stammeskulturellen Arealen und sozio-ökonomischen
Umwelten Südamerikas


Studienarbeit

Dokument Nr. V96039
http://www.grin.com/
ISBN 978-3-638-08716-2
9 783638 087162

Hochschule : Universität Bremen
Studiengang : Religionswissenschaft (Diplom)
Veranstaltungstitel : Einführung in die Religionspsychologie
Seminarleiter : Prof. Dr. Hermann Schulz
Datum : 29.03.1996

Versuch einer Bestandsaufnahme und ersten Orientierung über
rituellen Ayahuasca-Gebrauch in ausgewählten stammes
kulturellen Arealen und sozio-ökonomischen Umwelten Südamerikas
von - Silvio Rohde -
Autor : Silvio Rohde
Fachsemester : 03
Studiengang : Religionswissenschaft
Art des Abschlusses : Diplom
*Luminary Art by an artist whose name i can´t find in my notes anymore.
 
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Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung 1
II. Das Entheogen Ayahuasca
a.) Botanik und Phytochemie von Banisteriopsis caapi 2
b.) Ayahuasca-Additive 3
c.) Psychopharmakologie von Harmin und DMT 4
III. Ayahuasca im Schamanismus amazonischer Stammesgesellschaften
a.) Indigene Verbreitung von entheogenen Ayahuasca-Tränken in 6
Südamerika
b.) Intention des Ayahuasca-Gebrauchs in südamerikanischen 6
Stammeskulturen
IV.Beispiele des Gebrauchs von Ayahuasca in amazonischen Tribalkulturen
1.) Ayahuasca im Schamanismus der Desana
a.) Das Siedlungsgebiet der Desana 8
b.) Schamanismus der Desana 8
c.) Ayahuasca im religiösen Ritual bei den Desana 10
d.) Konzepte und Assoziationen der Desana hinsichtlich der entheogenen 11
Erfahrung
e.) Mit der Einnahme von Ayahuasca verbundene Beschränkungen 12
2.) Die Verwendung von Ayahuasca bei dem Stamm der Shuar
a.) Allgemeine Angaben zu den Shuar-Indianern 13
b.) Der Schamanismus der Shuar 13
c.) Die Bedeutung von Ayahuasca bei den Shuar 14
d.) Heilungen mit Ayahuasca bei den Shuar 16
e.) Ayahuasca und Hexerei bei den Shuar 17
3.) Ayahuasca bei den Shipibo-Conibo in Peru 18
V. Ayahuasca und seine Verwendung in urbanen Lebensräumen Südamerikas
1.) Heilung mit Ayahuasca in Iquitos, Peru 20
2.) Ayahuasca als Sakrament in der synkretistischen Santo Daime Religion
22
VI. Zusammenfassung 24
 
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I. Einleitung
Es besteht Grund zu der Vermutung, daß der Ayahuasca/Yaje-Komplex Südamerikas
den größten und elaboriertesten, auf der Einnahme eines Entheogens1 beruhenden,
magisch-religiösen Kult weltweit darstellt. Neben der Verwendung von Ayahuasca unter
den indigenen Ureinwohnern Pan-Amazoniens treffen wir auf eine tief verwurzelte Einbettung
zahlreicher psychoaktiver Substanzen in die Volksmedizin, sowohl der ländlichen
als auch der urbanen Mestizenbevölkerung in Süd- und Mittelamerika. Seit den
zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts entstehen im amazonischen Brasilien schließlich
synkretistisch geprägte Ayahuasca-Kirchen, die den traditionellen Gebrauch des Halluzinogens
mit christlicher Symbolik und regelmäßigen Gottesdiensten ausstatten, bei
denen das Entheogen als Sakrament verehrt wird.
In der vorliegenden Arbeit werde ich den Versuch unternehmen, die Verwendung von
Ayahuasca
in den verschiedenen sozio-kulturellen Kontexten darzustellen. Ich werde dabei
zunächst eine überblicksartige Einführung in die Naturgeschichte, Phytochemie und
Psychopharmakologie von Ayahuasca voranschicken. Im weiteren Verlauf der Arbeit
wird dann zunächst der Gebrauch von Ayahuasca bei verschiedenen Stammesgesellschaften
des Amazonasgebietes, so wie er in den von mir benutzten Quellen wiedergegeben
ist, dargestellt. Im Anschluß daran werde ich in geringerem Umfang die Bedeutung
von Ayahuasca in städtischen, nicht indigenen Lebensräumen skizzieren.
1 Der Neologismus Entheogen wurde 1970 von R. Gordon Wasson, Jonathan Ott u.a. als Ersatz für pejorative
Bezeichnungen wie Halluzinogen oder Psychotomimetikum, welche Konzepte von Wahnidee und
Täuschung akzentuieren (lat. (h)alucinari = ‘faseln’), vorgeschlagen. Entheogen bildet sich aus dem griechischen
entheos, einem Begriff, der prophetische und poetische Inspiration umschreibt, und erscheint
daher eher geeignet, traditionelle
schamanistische Vorstellungen hinsichtlich psychoaktiver Substanzen zum Ausdruck zu bringen
(Ott, 1996:113; Rosenbohm, 1991:14).
 
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II. Das Entheogen Ayahuasca
a.) Botanik und Phytochemie von Banisteriopsis caapi
Ayahuasca ist ein Quechua2-Terminus und wird meist mit „Liane der Toten“, gelegentlich
auch als „Ranke der Seele“ übersetzt. Ayahuasca ist der vorwiegend in Peru und
Ecuador verwendete Name, der sowohl mehrere verschiedene Spezies der Schlingpflanze
Banisteriopsis bezeichnet, als auch das entheogene Getränk, das aus Banisteriopsis
gewonnen wird (Dobkin de Rios, 1972: 141). Im nord-westlichen Amazonasgebiet
ist das Halluzinogen meist unter der Bezeichnung „Yaje“ oder „Yage“ bekannt, während
es in Brasilien oft „Caapi“ genannt wird. Es existieren zahlreiche andere Bezeichnungen
für Banisteriopsis und seine halluzinogenen Auszüge bei den verschiedenen
Indianerstämmen (Rosenbohm, 1991: 121). Von den verschiedenen Arten der Schlingpflanze
findet am häufigsten Banisteriopsis caapi Verwendung, gelegentlich auch B.
muricata und B. martiniana.3 Von weiteren Arten wird berichtet, sie fänden in halluzinogenen
Tränken Anwendung. Verschiedene Banisteriopsis Arten haben eine Bedeutung
in ethnomedizinischen Zusammenhängen unabhängig von ihren psychoaktiven Wirkeigenschaften,
oder sie werden etwa als Zaubermittel beim Fischfang gebraucht
(Ott,1995:19). Banisteriopsis caapi wächst in den Tiefland-Regenwäldern Südamerikas.
Im Süden reicht die Verbreitung des Gewächses bis nach Bolivien, im Norden findet
man es bis nach Venezuela und Panama, und gen Westen reicht die Verbreitung
der Liane in die Küstengebiete Ecuadors westlich der Anden (Ott, 1995:21).
Der erste Forscher der Belegexemplare der Pflanze sammelte war der britische Botaniker
Richard Spruce. Spruce wohnte im Jahre 1851 einem Fest der Tukano-Indianer
im brasilianischen Amazonasgebiet bei, als er einen „Caapi“ genannten Trank selbst
kostete. Spruce nahm nur eine geringe Dosis des Getränkes, das ihm Geboten wurde
zu sich, und er verspürte keine nennenswerte Wirkung außer Übelkeit und Benommenheit.
Diese resultierte wohl auch aus der Kombination von Ayahuasca, einem großen
Becher Palmwein und einiger Züge aus einer armdicken Zigarre, die der Nichtraucher
im Rahmen des Festes zu sich nehmen mußte (Dobkin de Rios, 1972: 121). Spruce
2 Quechua ist eine indigene Sprache, die von Millionen Bewohnern des andinen Hochlandes von Peru,
Bolivien und Ecuador (hier Quichua) in einem ihrer Dialekte gesprochen wird (Perkins,1995:228).

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bezeichnete die Pflanze, die Ausgangsstoff des im rituellen Zusammenhang verwendeten
Getränks war mit dem Namen Banisteria Caapi. Auch vor der Identifizierung der
Pflanze durch Spruce gab es frühe Erwähnungen eines „teuflischen Getränkes“ durch
jesuitische Missionare.
Die phytochemische Erforschung von Banisteriopsis caapi begann im Jahre 1905 mit
der Isolierung eines Präparats aus einem Ayahuasca-Trank, das der kolumbianische
Pharmazeut R. Zerda Bayon mit dem romantischen Namen Telepatina belegte. Nach
zahlreichen taxonom-ischen und terminologischen Wirrungen zeigen die Chemiker A.L.
und K.K. Chen 1939, daß aus Banisteriopsis isolierte Stoffe Telepathin, Yajein und Banisterin
allesamt mit Harmin identisch sind, welches seit Mitte des neunzehnten Jahrhunderts
bekannt war, und erstmals 1927 synthetisch hergestellt wurde (Ott, 1995: 42).
Das Hauptalkaloid von Banisteriopsis ist also die Substanz Harmin, weitere Wirkstoffe
in der Pflanze sind Harmalin und d-Leptaflorin.
b.) Ayahuasca- Additive
Ayahuasca bezeichnet ein Getränk, das aus wäßrigen Auszügen des Malpiphigiengewächses
Banisteriopsis caapi hergestellt wird. In den meisten Fällen werden dem gewonnenen
Sud weitere Pflanzen beigemengt, die psychotrope Wirkstoffkomponenten
enthalten und im entscheidenden
Maße für die entheogenen Wirkungen mitverantwortlich sind. J. Ott klassifiziert
diese Ayahuasca-Beimischungen in drei Kategorien:
1.) Nicht psychoaktive und möglicherweise therapeutische Additive
2.) Stimulanzien
3.) Entheogene und visionäre Drogen
Die erste Kategorie bezieht sich auf Pflanzen, die unter Umständen einen spezifischen
therapeutischen Zweck haben entweder durch pharmakologische Mechanismen
oder durch ihre Bedeutung in Zusammenhang mit Heilungsmagie. Ott zitiert eine neuere
Untersuchung von Ayahuasca-Zusätzen, die zeigt, daß vier der fünf meistgebrauchten
phytotherapeutischen Anti-Rheumamittel in Amazonien auch als Ayahuasca-Additive
dienen (Ott, 1995: 25).
3 Die in der Literatur häufig genannten Banisteriopsis ‘Arten’: B. inebrians und B. quitensis gelten heute
als Synonyme für B. caapi (Ott, 1996:19).

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Das in reinen Banisteriopsis Aufgüssen wirksame Harmin hat eine ausgeprägt sedative
Wir-kung. Somit werden den Tränken gelegentlich stimulierende Pflanzen zugefügt,
bspw. die Blätter von Ilex guayusa, welche eine der potentesten koffeinhaltigen Pflanzen
ist. Auch das koffeinhaltige Guarana und kokainhaltige Gewächse finden bei verschiedenen
Indianerstämmen ihren Weg in Ayahuasca-Tränke, um „Kraft beim Umgang
mit Ayahuasca zu geben“ (Ott, 1995: 26).
Die dritte Gruppe der visionären und entheogenen Ayahuasca-Additive kategorisiert
Ott in vier Untergruppen, die alle die Funktion haben, die Visionserzeugende Wirkung
von Ayahuasca zu verstärken oder spezifische Qualitäten des Ekstaseerlebnisses zu
evozieren. Die vier Untergruppen sind (Angaben in Klammern bezeichnen die psychoaktiven
Wirkstoffe). :1.)Nicotiana (Nikotin); 2.)Brugmansia (Tropanalkaloide);
3.)Brunfelsia (Skopoletin) ; 4.)Chacruna/ Chagropanga (DMT).
Tabak ist nicht nur wie Ayahuasca im Amazonischen sondern im Pan-Amerikanischen
Schamanismus tief verankert(Wilbert, 1987). Häufig wird Tabakrauch zu zeremoniellen
Anläßen inhaliert, auch die orale Einnahme von Tabaksud ist nicht selten anzutreffen
(Harner, 1972). Teilweise schätzen die Indianer den Tabak in seiner Qualität als „Pflanzenlehrer“
sogar höher ein als Banisteriopsis (Wilbert, 1987).
Verschiedene Brugmansia-Arten haben ein halluzinogenes Wirkungsspektrum und
werden im andinen Hochland auch einzeln als wahrsagefördernde Droge genutzt. Bei
den Shipibo- Conibo in Peru wird Brugmansia suaveolens von den Schamanen gelegentlich
verwendet, im
allgemeinen jedoch aufgrund ihrer angeblichen Wahnsinns oder gar todbringenden Eigen-
schaften gemieden. Hier wird sie auch mit „brujeria“, schwarzer Magie in Zusammenhang
gebracht (Illius,1987:106).
Brunfelsia findet ebenfalls bei einigen Indianerstämmen für sich allein Anwendung als
En-theogen, aber auch in Mixtur mit Banisteriopsis Abgüssen (Schultes/
Hofmann,1980:68-69).
Die vierte Kategorie von Ayahuasca-Additiven wird häufig mit dem Quechua-Wort
Chacruna bezeichnet, welches dem Rötegewächs Psychotria viridis zugeordnet ist.
Chagropanga bezeichnet Pflanzen der Spezies Diplopterys cabrerana. Beide Pflanzen
enthalten das extrem intensiv- und kurzwirkende Entheogen DMT (Dimethyltryptamin).
DMT wird dem Ayahuasca zugegeben, um die visionsschenkende Wirkung zu „verlän

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gern und zu verstärken“ (Ott, 1995: 29). Psychotria viridis und Diplopterys cabrerana
sind klassische und weit verbreitete Zusätze von Ayahuasca, und es ist zu vermuten,
daß sie das eigentliche entheogene Prinzip der Droge Ayahuasca ausmachen.
c.) Psychopharmakologie von Harmin und DMT
Der deutsche Giftkundler Louis Lewin, der durch die Erforschung des Entheogens Meskalin,
daß im Peyotl enthalten ist, bekannt wurde, war der erste der die Substanz Harmin
am Menschen ausprobierte. Zusammen mit Paul Schuster testet er die Droge als Mittel
gegen Parkinsonismus4, und tatsächlich wurde bei den Versuchsobjekten eine zeitweilige
Besserung festgestellt (Ott, 1995: 52). 1958 beschreibt Sydney Udenfriend, daß
Harmin die Eigenschaften von MAO-Hemmern5 besitzt, daher als Enzymhemmer im
menschlichen Organismus wirksam wird. In den Sechzigern führte der Psychiater Claudio
Naranjo eine Studie der psychischen Wirkungen von Harmalin durch und kommt zu
dem Ergebnis, daß das Wirkprofil von Harmalin schwer zu interpretieren sei, und am
ehesten einem Beruhigungsmittel gleicht. Es sei jedoch nicht mit Halluzinogenen wie
etwa LSD oder Meskalin vergleichbar (Naranjo,1967). Maja Maurer referiert die psychischen
Effekte von Harmin als nicht in stärkerer Weise mit denen von Meskalin oder Psilocybin
vergleichbar. Optisch-halluzinatorische Phänomene fänden nur in begrenztem
Maße statt, und der durch Harmin hervorgerufene Zustand sei vor allem durch Rückzug
von der Umgebung und durch eine wohlige Entspanntheit charakterisiert. Maurer vermutet,
daß neben Harmin andere Substanzen für die in der Literatur beschriebenen Wirkungen
von Ayahuasca verantwortlich sein müssen (Leuner/ Schlichting, 1992: 236).
Im Jahre 1955 wurde N,N- Dimethyltrytamin als Inhaltsstoff der Samen und Schoten
eines Baumes aus der Familie der Leguminosae identifiziert. Diese Samen wurden in
entheogenen Schnupfpulvern Yopo, Vilva oder Cebil bei Eingeborenen Südamerikas
4 Interessant sind in dieser Hinsicht die neueren Forschungsergebnisse über die Langzeitfolgen von Ayahuasca-
Gebrauch. Demnach konnte bei Angehörigen der Uniao do Vegetal, einer synkretistischen Ayahuasca
Bewegung aus Brasilien, ein signifikant höherer Anteil von Serotonin Rezeptoren im Gehirn gefunden
werden. Es ist kein anderes pharmakologisches Modell bekannt, daß eine vergleichbare Wirkung
hätte (Grob, 1995).
5 Der Gebrauch von irreversiblen medizinischen MAO-Hemmern ist mit diätetischen Maßnahmen verbunden,
da bestimmte Nahrungsmittel bei langandauerndem Verlust von bestimmten Enzymen lebensbedrohliche
Zustände auslösen können. Die häufig mit der Benutzung von Ayahuasca im Amazonasgebiet
verbundenen diätetischen Restriktionen haben jedoch keine funktionale Bedeutung, sondern sind symbolisch-
spirituell begründet. Das Harmin im Ayahuasca bewirkt eine kurzzeitige, reversible MAOHemmung,
die einen Verzicht auf tyraminreiche und fermentierte Lebensmittel nur während der Zeit der
unmittelbaren Drogenwirkung nötig macht (Ott,1996:84).

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verwendet (Ott, 1995: 56; De Smet, 1985). 1956 testete eine Gruppe um Stephen I.
Szara zum erstenmal synthe-tisches DMT, das bereits 1931 zum erstenmal hergestellt
worden war, aber bis dahin noch nicht auf seine Psychoaktivität hin untersucht war. Szara
beschrieb eine „psychotische Wirkung, zum Teil ähnlich der, die von Meskalin oder
LSD- 25 verursacht wird“. (Ott, 1995: 56). DMT wurde von Szara intramuskulär injiziert,
später fand man, daß es oral verabreicht keinerlei Wirkung hervorruft. Wie kann also
DMT seine Wirksamkeit in Ayahuasca-Tränken entfalten, die ja oral eingenommen werden?
Erinnern wir uns an die enzymhemmende Qualität von in Banisteriopsis enthaltenem
Harmin und Harmalin. Diese Beta-Carboline blockieren das Enzym Monoaminooxidase,
das bspw. Tryptamine wie DMT oxidiert bzw. abbaut, bevor sie das zentrale
Nervensystem erreichen können. Harmin ermöglicht also durch die Hemmung eines
DMT zersetzenden Enzyms dessen Stabilität in unserem Körper, so daß es seine psychotrope
Wirkung im Gehirn entfalten kann (Ott, 1995: 58) . Jonathan Ott charakterisiert
die Entdeckung dieser elaborierten Wirkstoffsynergie durch die präliteraten indigenen
Kulturen des Regenwaldes als eine der größten pharmakognostischen Entdeckungen
der Vorzeit:
Kraft großer Sensitivität, tiefer Einsicht und eines abenteuerliebenden Geistes entdeckten
die amazonischen schamanistischen Psychonauten (Jünger 1970), daß ausnahmslos
Blätter
von Psychotria viridis und Diplopterys cabrerana, die normalerweise ziemlich harmlos
sind, zu potententen Entheogenen werden, wenn man sie in einem Topf zusammen
mit
einigen Stücken von Banisteriopsis caapi kocht; und das ohne irgend etwas über
Enzyme
oder Alkaloide zu wissen! Das war in der Tat eine der meisterhaftesten Arbeiten und
sicher
eine der größten pharmakognostischen Entdeckungen der gesamten Vorzeit !
(Ott,1995: 58).
Betakarboline wie Harmin verlängern die Wirksamkeit von Tryptaminen im Organismus
und ermöglichen die Entfaltung ihrer intensiven Visionen auch bei oraler Einnahme.
III. Ayahuasca im Schamanismus amazonischer Stammesgesellschaften
a.) Indigene Verbreitung von entheogenen Ayahuasca-Tränken in Südamerika

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Spruce hat die Verbreitung von Ayahuasca östlich bis zum Gebiet des Rio Negro in
Brasilien, westlich bis zu den Ausläufern der ecuadorianischen Anden, und nördlich bis
in das Orinocobecken in Venezuela hinein, angegeben. Aus heutiger Sicht kann man
das Areal bis zu den Pazifikküsten Ecuadors, Kolumbiens und Panamas ausdehnen,
wo Ayahuasca unter den Namen Pilde und Dapa bekannt ist (Reichel-Dolmatoff, 1972:
84). Weiterhin liegen Berichte über Ayahuasca-Gebrauch in Peru und Bolivien vor. L.E.
Luna zählt mindestens 72 indigene Gruppen auf, die Ayahuasca verwenden (Ott, 1995:
18). In Kolumbien werden Tränke auf Banisteriopsis Basis häufig als Yaje/ Yage bezeichnet
(Reichel-Dolmatoff, 1972; 85), und im brasilianischen Amazonien finden wir
den Terminus Caapi. Bei den Jivaro-Indianern in Ecuador wird der Trank Natema genannt,
Nishi bei den Shipibo-Conibo in Peru, Biaxi bei den Sibundoy in Kolumbien etc.
(Harner, 1972 ; Illius, 1987; Bristol, 1966).
b.) Intention des Ayahuasca-Gebrauches in südamerikanischen Stammeskulturen
 
Marlene Dobkin de Rios (1972: 45) faßt die Literatur, die die verschiedenen Kontexte
des Ayahuasca-Gebrauches darstellt zusammen, und kategorisiert die Daten in der folgenden
Art und Weise:
I. Ayahuasca und das Übernatürliche
a.) Verwendung im magischen und religiösen Ritual: Um göttliche Führung zu erhalten
und in Beziehung zu den Tier- und Pflanzengeistern zu treten; Um besondere
Schutzgeister
zu erhalten.
b.) Gebrauch zur Divination: Um vorauszusagen, ob Fremde kommen; um Aufenthaltsorte
von Feinden zu erfahren und ihre Pläne vorauszusehen; um festzustellen ob Ehefrauen
untreu waren; Voraussage der Zukunft.
c.) Hexerei: Um Krankheiten und Tod auszulösen; Verwendung als vorbeugender
Schutz
gegen Angriffe anderer Schamanen/ Zauberer.
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II. Ayahuasca und die Behandlung von Krankheiten: Einnahme um die Ursache einer
Krankheit
festzustellen und/oder eine Heilung vorzunehmen.
III. Profaner Gebrauch von Ayahuasca: um aphrodisische bzw. angenehme Zustände zu
erreichen,
zur Verbesserung sexueller Aktivität, Berauschung und Ermöglichung
sozialer
Interaktion.
Die dritte Kategorie mag etwas verwundern, da häufig die Meinung zu hören ist, in
traditionellen
Kulturen würden halluzinogene Drogen nicht aus einer hedonistischen Motivation
heraus eingenommen. Dobkin de Rios präzisiert ihre Angaben in dieser Hinsicht leider
nicht, außer daß sie auf ethnographische Hinweise in der Literatur verweist6 (Goldmann,
1963: 210; Reinburg, 1921: 31; Whiffen, 1915: 187).
Wie auch der Gebrauch entheogener Pflanzen in anderen traditionellen Gesellschaften
(Rosenbohm, 1991) findet Ayahuasca seine hauptsächliche Nutzung im Rahmen ritualisierter
Handlungsabläufe sozialer oder religiöser Natur. Einen besonderen Status nimmt
dabei der Schamane ein, der die entheogene Erfahrung häufig führt und interpretiert,
wenn sie im Kol- lektiv stattfindet (Reichel-Dolmatoff, 1975: 198).
Divination ist ebenfalls eine vielfach anzutreffende Motivation, Ayahuasca zu benutzen.
Berichte über die Induktion von prophetischen Träumen durch Ayahuasca liegen von
zahlreichen amazonischen Indianer-Stämmen vor (Reinburg, 1921: 31; Masters, 1966:
114-5).
Die Bedeutung von Ayahuasca im Bereich der Schadensmagie beschreibt bspw. M.J.
Harner (1972: 157ff.) bei den ecuadorianischen Shuar.
Zentral ist die Nutzung des durch die Droge hergestellten Kontaktes zur überirdischen
Welt im Bereich der Diagnose und Heilung von Krankheiten. Hierbei kommen besondere
Techniken zum Einsatz, vielfach saugt der Schamane oder Heiler unter dem Einfluß
von Ayahuasca an bestimmten Körperstellen des Patienten, um pathogene Objekte wie
kleine Dornen oder Pfeile hervor zu holen, von denen geglaubt wird, sie seien Ursachen
von Krankheit (Reinburg, 1921: 31; Harner, 1972:160ff.).

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IV. Beispiele des Gebrauchs von Ayahuasca in amazonischen Tribalkulturen
1.) Ayahuasca im Schamanismus der Tukano
a.) Das Siedlungsgebiet der Tukano-Indianer
Die Tukano-Indianer leben im Gebiet des Flusses Vaupes im nordwestlichen Amazonien
von Kolumbien und Brasilien. Die wesentliche Quelle für die folgenden Informationen
über Ayahuasca bei den Tukano stellen die Forschungen von Gerardo Reichel-
Dolmatoff dar, der jahrelange Feldforschungen im Vaupes-Gebiet betrieb und umfangreich
dokumentierte. Insbesondere
führte er seine ethnographischen Studien bei dem Stamm der Desana durch,
die zusammen
mit circa 20 anderen Stämmen der linguistischen Gruppe der Ost-Tukano zugeordnet
werden. Diese einzelnen Gruppen haben eher den Charakter von Phratrien, d.h. die Exogamie
sicherstellenden Heiratsklassen, und sie teilen daher zahlreiche kulturelle Traditionen
mit ihren Nachbarstämmen (Reichel-Dolmatoff, 1971: 4).
 
b.) Der Schamanismus der Desana
Reichel-Dolmatoff beschreibt den Schamanen bei den Tukano als den wichtigsten
Spezialisten ihrer gesamten Gesellschaft, in dessen Verantwortungsbereich zahlreiche
Tätigkeiten fallen, die er mit außergewöhnlicher Energie wahrnimmt. Er ist nicht nur Medizinmann
und Heiler, der seinen Einfallsreichtum benutzt um seine Stammesgenossen
zu dominieren, sondern ein pflichtbewußtes Individuum, das von seiner heiligen Mission
überzeugt ist. Im Gebiet des Flusses Vaupes wird der Schamane mit dem Terminus
Paye7 bezeichnet (Reichel- Dolmatoff, 1971: 125). Der Paye unterscheidet sich von
seinem Kollegen dem Kumu, der eine priesterliche Funktion ausführt, und den höchsten
Grad der Desana Religion verkörpert. Der Kumu wird als erhabene Persönlichkeit, die
6 Einen Hinweis darauf finden wir auch bei Illius, der von einem Schamanen der Shipibo berichtet, der
seine ersten Erfahrungen mit Ayahuasca unter mestizischen Holzfällern „nur zum Vergnügen“ machte
(1987:117).

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über der profanen Alltagswelt angesiedelt ist verehrt. Er führt keine Krankenheilungen
aus, und enthält sich magischer Manipulationen (Reichel-Dolmatoff, 1971: 135ff.). Der
Paye ist vielmehr ein praktisch orientierter Mensch, der kontinuierlich mit den Ereignissen
und Beanspruchungen der Alltagswelt seines Stammes in Kontakt steht.
Das Amt des Paye ist nicht vererbbar, sondern ein potentieller Anwärter muß seit seiner
Kindheit ein profundes Interesse an den religiösen Traditionen seines Stammes
demonstriert haben, und eine gute Kenntnis der Stammesmythen aufweisen. Er sollte
ein guter Tänzer und Sänger, ferner zu sexueller Abstinenz in der Lage sein. Die wichtigste
Qualität des angehenden Schamanen ist wohl seine Fähigkeit klare und bedeutungsvolle
Visionen erlangen und interpretieren zu können, Visionen deren Inhalt in der
Kultur der Desana eine positive Bewertung erfahren (Reichel-Dolmatoff, 1971: 127).
Die Schamanenausbildung dauert mehrere Monate, während der der Novize Gesänge,
An-rufungen und Tänze lernt. Er lernt die verschiedenen Rituale des Lebenszyklus
kennen und wird mit einem Wissen über Heilpflanzen ausgestattet. Nach etwa drei Monaten
beginnt der Neophyt, Erfahrungen mit Entheogenen zu machen. Der lehrende
Schamane trinkt zusammen mit seinem Schützling viele male Ayahuasca, bei den Desana
als Gahpi bekannt. Auch das halluzinogene Schnupfpulver Viho wird geschnupft.
Dem Lehrling werden diätetische Reglementierungen, die mit der Drogeneinnahme
verbunden sind, vermittelt. Die Lehrzeit des Novizen ist mit starkem physischen und
psychischem Streß verbunden, hervorgerufen durch Schlafmangel, Diäten und die Effekte
der entheogenen Substanzen, die er zu sich nimmt.
Im weiteren Verlauf der Ausbildung erhält der Schüler seine magischen Projektile,
pfeilartige Splitter oder Dornen, und erhält die Instruktionen in den Gebrauch dieser
Flugobjekte. Sie dienen bspw. dazu, Krankheit in Angehörigen der Stammesgemeinschaft
auszulösen, die gegen moralische Konventionen verstoßen haben. Die Schamanenausbildung
endet damit, daß der Neophyt eine Dosis Ayahuasca einnimmt und dann
in einen Fluß hinab taucht, wo er unter Wasser ein Objekt findet, welches von nun an
seine Macht beinhaltet und seinen Status als Paye öffentlich anzeigt. Dies ist häufig ein
Pfeil, eine Rassel oder ein polierter Stab, der vorher vom Schamanenlehrer versteckt
wurde. Reichel-Dolmatoff deutet diese Machtobjekte als phallische Symbole, und das
7 Der Ausdruck Paye bezeichnet eigentlich eine Qualität oder Eigenschaft, wenn bspw. gesagt wird jemand
sei Paye, so bedeutet dies nicht diese Person habe die Rolle eines Schamanen, sondern sie ist
„erfüllt mit schamanischer Macht“(Vitebsky,1996:23).

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Eintauchen in den Fluß habe sowohl die Bedeutung eines sexuellen Aktes als auch den
einer Wiedergeburt (Reichel-Dolmatoff, 1971: 128ff.).
Die Obliegenheiten des Schamanen sind bei den Desana zahlreich. Seine zentrale
Aufgabe ist die eines Mediators zwischen der Welt des Übernatürlichen und der Stammesgemeinschaft.
Der Paye leitet die Zeremonien des Lebenskreises, bei den Desana
in der Hauptsache Pubertätsriten und Begräbniszeremonien. Weiterhin ist er Heiler von
Krankheiten. Zentral ist seine Funktion als Mittler zwischen den Jägern des Stammes
und den übernatürlichen „Herren der Tiere“. Laut Reichel-Dolmatoff ist diese Aufgabe
eine der wichtigsten des Paye. Sie hat einen ökonomischen Charakter, denn der
Schamane fungiert hier als eine Art Wildhüter, der die Herrscher der Tiere so beeinflussen
muß, daß sie einige ihrer Tiere hergeben, und er instruiert die Jäger in der Weise,
daß sie keine der zahlreichen Vorschriften hinsichtlich der Jagd verletzen. Somit stellt
der Paye das Ausbleiben einer übermäßigen Jagd bestimmter Tiere sicher, und sorgt
für die Arterhaltung der Tiere (Reichel-Dolmatoff, 1971: 15-16).
c.) Ayahuasca im religiösen Ritual bei den Desana
Ayahuasca wird bei den Desana zu religiösen Festen und zur Heilung von Krankheiten
verwendet.
Die Basis der Religion der Desana ist die Interpretation der von Entheogenen
in-duzierten Visionen. Ayahuasca, im nordwestlichem Amazonas allgemein als Yaje,
bei den Desana als Gahpi bekannt, steht hier im Mittelpunkt des religiösen Lebens
(Reichel-Dolmatoff, 1971: 172). Zu spezifizierten Anlässen kommt auch ein Viho genanntes
halluzinogenes Schnupfpulver zum Einsatz.
Die kollektiven Feiern der Desana finden in der Maloca, der gemeinschaftlichen
Großhütte des Stammes statt. Die ausschließlich männlichen Teilnehmer finden sich bei
Einbruch der Nacht geschmückt mit Federn und Körperbemalungen dort ein. Sie nehmen
auf kleinen Hokkern
Platz und beginnen die Mythen ihres Stammes zu rezitieren und zu singen. Manchmal
er-heben sich einige Männer und beginnen zu tanzen. Das sakrale Getränk wird von
ein oder zwei Eingeborenen portioniert und verteilt. Die Kommunikanten spülen das
Getränk mit Ekel im Gesicht hinunter (Reichel-Dolmatoff, 1972). Während des Trinkens
müssen die Partizipanten zusätzlich Tabak rauchen, weil gesagt wird, dies helfe die
gewünschten Visionen zu produzieren. Obwohl die Frauen selber kein Ayahuasca trin

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ken, kommt ihnen im Verlauf der Zeremonie eine wichtige Rolle zu. Sie sitzen im Hintergrund
und animieren die Männer indem sie etwa singen (Reichel-Dolmatoff, 1971:174):
Trink, Trink! Dies ist es weshalb wir geboren sind. Trink, Trink! Weil dies unsere Aufgabe
ist. Durch das Trinken werden sie all die Traditionen ihrer Väter kennenlernen. Durch
das
Trinken werden sie tapfer. Wir werden ihnen helfen.8
Die Zeremonie ist in verschiedene Runden aufgeteilt, die jede etwa der Zeitdauer von
einer Stunde entsprechen. Nach jedem Teilabschnitt des Rituals gibt es eine kurze Unterbrechung,
in der erneut Ayahuasca eingenommen wird. Dies geschieht etwa 6-7 mal
während einer Nacht (Reichel-Dolmatoff, 1972).
Wenn das Entheogen nach ungefähr einer halben Stunde beginnt, seine Wirkung zu
entfalten, fängt der Paye oder Kumu an, mit einer lauten Stimme zu sagen: „Ich bin die
zentrale Person, Ich bin der einzige der übrig ist. Deswegen werde ich euch nun belehren.“
(Reichel-Dolmatoff, 1971: 173). Der Schamane hebt also seine besondere Stellung
und Autorität in der Vermittlung der religiösen Traditionen seines Stammes hervor.
Im weiteren Verlauf der Sitzung erklärt und interpretiert der Schamane die Verläufe der
Visionen, und deren diverse visuellen und akustischen Begleiterscheinungen. Er spricht
in einem hypnotischem Tonfall, mit großer Präzision und Bestimmtheit (Reichel-
Dolmatoff, 1971: 173). So sagt er beispielsweise, der anfangs erfahrene starke Luftstrom
sei der Aufstieg zur Milchstraße, nur der Wind besitze die Macht, die Teilnehmer
des Rituals aus dem Diesseits hinweg zu tragen. Die zweite Phase der Visionen beginnt
mit der Ankunft in Ahpikondia, der Anderswelt, wo leuchtende Gestalten in verschiedenen
Farben und in ständiger Veränderung begriffen wahrgenommen werden.
Dies sind laut Interpretation des Schamanen die Töchter der Sonne. Im weiteren Verlauf
der Reise treffen die Visionäre viele wichtige Gestalten der Tukano-Mythologie (Reichel-
Dolmatoff, 1971: 173).
d.) Konzepte und Assoziationen der Desana hinsichtlich der entheogenen Erfahrung
Die Desana nennen das Einnehmen von Ayahuasca „trinken, um zu sehen“. Reichel-
Dolmatoff gibt die Konzepte der Indianer hinsichtlich der entheogenen Erfahrung in der
folgenden Weise wieder (1971: 174): Die visionäre Reise mit Ayahuasca will zurück in
8 Eigene Übersetzung aus dem Englischen.

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die Zeit der Entstehung der Dinge und der Geburt des Menschen führen. Das Erlebnis
unter dem Einfluß der Substanz wird als eine Reise in den kosmischen Uterus, eine
Rückkehr zum Urquell der Dinge gedeutet. Jeder Ayahuasca-Trinker nimmt noch einmal
an der Schöpfung der Welt teil, mit seinem Ganzen9 eigenem Erleben. Der Kessel indem
das Entheogen gebraut wird symbolisiert für die Desana die weibliche Vagina, auf
dem Grund des Gefäßes befindet sich die Zeichnung des Sexualorgans. Das Trinken
von Ayahuasca wird von einem Informanten als spiritueller Beischlaf bezeichnet (Reichel-
Dolmatoff, 1972). Wahrscheinlich sind diese Beschreibungen auch ein Ausdruck
von pränatalen Erfahrungen10, wie sie unter dem Einfluß von Halluzinogenen wie LSD
gemacht werden (Grof, 1975). Die Kommunikanten unternehmen eine Reise in den
embryonalen, pränatalen Zustand, und von dort aus geht es weiter zum Beginn des Universums.
Das Ayahuasca gilt den Indianern als göttliches Sperma, und der Rauschzustand
selbst als ein Orgasmus, der dem Ertrinken gleicht (Reichel-Dolmatoff, 1975:
147).
Entsprechend dem Schöpfungsmythos der Tukano wird sowohl die Entstehung der
ersten Menschen und Tiere miterlebt, als auch die Konstituierung der sozialen Ordnung,
insbesondere die der Exogamiebeschränkungen. Die Drogenerfahrung wird auch als
Tod interpretiert und empfunden, der von einer anschließenden Wiedergeburt gefolgt
wird (Reichel-Dolmatoff, 1971,174).
Ayahuasca wird bei den Desana personifiziert und als Yaje-Wesen, Yaje-Kind und
dergleichen bezeichnet. Dies findet sich bereits in der Entstehungsmythe der Pflanze
wieder (Rosenbohm, 1991: 134). Diese Mythe berichtet von der göttlichen Herkunft des
Yaje, davon wie die ersten Männer des Stammes, die mit dem Anakonda-Kanu in die
Welt gekommen waren, sich im „Haus des Wassers“ versammelten und verschiedene
Getränke brauten. Die Gottheit „Sonnen-Vater“ hatte ihnen ein wunderbares Getränk
versprochen, das sie für immer mit der spirituellen Welt verbinden sollte, sowie mit deren
Mächten und Wesen. Die erste Frau der Schöpfung, „Yaje-Frau“, war zu dieser Zeit
schwanger, sie war vom Sonnen-Vater durch einen Blick befruchtet worden. Im Wald
gebar sie ein männliches Kind. Dies war die entheogene Pflanze Banisteriopsis. Als
die Frau mit ihrem leuchtendem Kind ins „Haus des Wassers“ kommt, wo die Männer
9 Der Ayahuasca-Trinker ist mit allen Sinnen an der syästhetischen Entheogenerfahrung beteiligt.
10 Vgl. Andritzky, W., Die Heilrituale mit ayahuasca im oberen Amazonasgebiet. In: Jahrbuch des ECBS
1993/94, VWB-Verlag, Berlin.

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sich aufhielten, entspringt ein Streit unter ihnen, da jeder der Vater des überirdisch
schönen Wesens sein will. Jeder Mann zerrt an dem Kind und reißt ein Stück von ihm
ab, und seitdem hat jeder Stamm seine eigenen Yaje-Pflanzen (Rosenbohm,
1991:132).
Von Yaje wird häufig wie von einem lebendigen Wesen gesprochen, es wird bspw.
gesagt: „Das Yaje ist sehr eifersüchtig“, oder „das Yaje gibt dir seine Bilder nicht“ (ders.,
1991:135).
 
e.) Mit der Einnahme von Ayahuasca verbundene Beschränkungen
Die Schamanen der Tukano müssen vor der Einnahme von Ayahuasca eine spezielle
Diät halten. Sie dürfen kein Fleisch oder mit Pfeffer gewürzte Nahrung zu sich nehmen.
Bestimmte Fische und Enten sind erlaubt, allerdings keine Larven. Es darf kein geröstetes
Essen in der Nähe des Paye zubereitet werden, Geruch und Geschmack von
Rauch (jedoch nicht der von Tabak) wird als unrein angesehen (Reichel-Dolmatoff,
1971: 128). Alexandra Rosenbohm weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß
ähnliche Diätvorschriften wie vor der Halluzinogen-
Einnahme, für die Männer auch vor dem Geschlechtsakt bestehen, wenn sie ein
Kind zeugen wollen (Rosenbohm, 1991: 127). Weiterhin darf der Schamane keine von
menstruierenden oder schwangeren Frauen zubereiteten Speisen zu sich nehmen.
Mit der Einnahme von Ayahuasca ist das Gebot der vorherigen sexuellen Abstinenz
verbunden. Es existieren Vorstellungen vom Ayahuasca als einem eifersüchtigen Wesen,
und werden die Vorschriften hinsichtlich sexueller Enthaltsamkeit nicht beachtet, so
wird befürchtet man habe leidvolle Visionen oder könne gar an der Einnahme des
Entheogens sterben (ders., 1991:128). In dieser Hinsicht ist es wichtig zu bedenken,
daß das Trinken von Ayahuasca selbst eine starke sexuelle Symbolik aufweist, was die
Beschränkungen im Vorfeld plausibel erscheinen läßt.
Das Trinken von Ayahuasca wird weder Frauen noch präpubertären Kindern gestattet,
sie können allerdings anwesend sein, wenn das Entheogen konsumiert wird. Es sollten
auch keine Kontakte mit schwangeren oder menstruierenden Frauen im Vorfeld der Halluzinogen-
Ein-nahme stattfinden (Rosenbohm, 1991:129).
 
2.) Die Verwendung von Ayahuasca bei dem Stamm der Shuar

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a.) Allgemeine Angaben zu den Shuar-Indianern
Die Shuar sind ein indigenes Volk, das im westlichen Stromgebiet des Amazonas
hauptsächlich entlang der östlich der Anden gelegenen Cutucu-Bergkette im Grenzgebiet
von Ecuador und Peru lebt. Die Shuar waren wegen ihrer Wildheit und ihrer
Schrumpfköpfe bekannt. Das brachte ihnen die in der Literatur vielfach anzutreffende
Bezeichnung Jivaro ein, was soviel wie „wild“ oder „primitiv“ bedeutet, und daher ein
pejorativer Begriff ist, den ich hier nicht weiter verwenden werde (Perkins, 1995:229;
Harner,1972: 14).
b.) Der Schamanismus der Shuar
Bei den Shuar gibt es im wesentlichen zwei Klassen von Schamanen, Heiler und Hexer.
Der behexende Schamane wird yahauci uwisin, der heilende pener uwisin genannt.
Die ersteren gewinnen ihren sozialen Einfluß hauptsächlich aus der ihnen von ihren
Stammesgenossen entgegengebrachten Furcht, während der Heiler seine soziale
Macht daher bezieht, daß er als für das Wohlergehen des Stammes notwendig betrachtet
wird (Harner,1972:117).
Die Schamanen sind die Personen mit dem größten Wohlstand in der Gesellschaft
der Shuar, laut Harner gestehen sie freimütig ein, daß sie ihre Dienste hauptsächlich zur
Verfügung stellen, um mit materiellen Gütern belohnt zu werden(1972: 117). Für Heilungen
oder die Verhexung von Feinden erwarten die Schamanen eine hohe Bezahlung im
voraus. Die Schamanen der Shuar nutzen ihren Reichtum und sozialen Einfluß häufig,
um bestimmte Dienste von ihren Nachbarn zu erhalten.
Der Status des Schamanen wird bei den Shuar zu einem Gutteil käuflich erworben.
Um Schamane zu werden, wird einem etablierten Schamanen ein beachtliches Geschenk
gemacht. Dafür wird der Aspirant in seinem neuem Beruf instruiert, und wird
vom Schamanen mit magischer Kraft in der Form von Hilfsgeistern (tsentsak) ausgestattet.
Diese Hilfsgeister sind die Essenz der schamanischen Macht, und sie treten in
einer äußerst vielfältigen Form auf. Häufig manifestieren sie sich in der Form unsichtbarer
Flugobjekte, den magischen Pfeilen, die der Schamane aussendet, um Schaden
zuzufügen, oder die er aus dem Körper eines Kranken saugt, um ihn zu heilen. In der
Betrachtungsweise der Shuar residieren diese Hilfsgeister im Körper des Schamanen,
und während der Ausbildung eines Lehrlings gibt der Schamane einen Teil seiner magischen
Kraft an diesen weiter. Dabei wird eine strenge Hierarchie in der Rangfolge der

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Schamanen aufrechterhalten, und der ausbildende Schamane ist jederzeit in der Lage,
seine Kraft zurück zu fordern, wenn er in Streitigkeiten mit dem Rezipienten seiner
Macht gerät, oder durch einen Feind des niederen Schamanen bestochen wird (Harner,
1972:121).
Um einen plötzlichen Verlust seiner Macht zu verhindern, ist der niedere Schamane
ständig
bemüht, durch Geschenke ein gutes Verhältnis zu seinem ehemaligen Lehrer aufrecht
zu er-halten. Harner schätzt, daß jeder vierte Shuar ein Schamane ist, und diese somit
einen signifikanten Anteil der männlichen Bevölkerung der Shuar ausmachen (Harner,
1972:154).
c.) Die Bedeutung von Ayahuasca bei den Shuar
Die Shuar glauben, daß die wahren Determinanten von Leben und Tod unsichtbare
Kräfte sind, die nur mit Hilfe von entheogenen Pflanzen erkannt und beeinflußt werden
können. Das alltägliche Wachbewußtsein wird als „Lüge“ oder „Illusion“ bezeichnet, und
die Ursachen für die Manifestationen und Ereignisse des normalen Lebens werden in
einer übernatürlichen Welt vermutet, die für die Shuar die reale Welt darstellt11 (Harner,
1972:134).
Die Verwendung von entheogenen Substanzen hat eine zentrale Bedeutung in der
Kultur der Shuar. So wird zum Beispiel neugeborenen Babys ein paar Tage nach ihrer
Geburt eine halluzinogene
Substanz verabreicht, um ihnen den Übergang aus der überirdischen „realen
Welt“ in die irdische zu erleichtern, und um Hilfe durch Geistwesen bei der Bewältigung
der Widrigkeiten der frühen Kindheit zu erhalten. Ältere Kindern müssen im Falle eines
Fehlverhaltens eine Droge konsumieren, die sie befähigen soll, die Wirklichkeit zu sehen,
auf der die Erwachsenen ihre Autorität und ihr Wissen gründen. Selbst Jagdhunde
werden mit einer speziellen Substanz gefüttert, um ihnen den essentiellen Kontakt mit
der anderen Welt zu ermöglichen (Harner, 1972:134-35).
Die Shuar verwenden eine Vielzahl von psychoaktiven Pflanzen. In ihrer Pharmakopoeia
wird ein Halluzinogen namens Maikua (Datura arborea) als das Machtvollste aber
auch Gefährlichste angesehen (Harner, 1972: 137ff.). Im schamanistischen Kontext wird
11 Diese Vorstellung vom illusionären Charakter der Alltagswelt findet sich bspw. auch bei den Stämmen
der Yagua und Siona (Luna,1991:13).

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Ayahuasca dem Maikua vorgezogen, weil es leichter zu kontrollieren ist. Die Shuar
nennen das Getränk Natema. Von Datura sagen die Schamanen, daß zu häufiger Genuß
krank macht. Es induziert einen delirienhaften Zustand, der das agieren in Trance,
bspw. singen und behandeln von Kranken, ferner auch das Interagieren mit Patienten
unmöglich macht.
Die Benutzung von Ayahuasca macht es für fast jeden Stammesangehörigen möglich,
den für die Praktizierung schamanistischer Handlungen notwendigen Trancezustand zu
erreichen. Wie bereits im vorigen Abschnitt beschrieben, überträgt ein Schamane gegen
ein entsprechendes Präsent einen Teil seiner Hilfsgeister auf den Schamanenanwärter.
Dies geschieht im Trance mittels der Hilfe von Ayahuasca. Um den Novizen mit
Tsentsak, dem Machtprinzip der Schamanen zu versorgen, erbricht der agierende
Schamane eine schillernde Substanz, die nur unter der Wirkung der Droge sichtbar ist,
in der die Hilfsgeister (Tsentsak) enthalten sind. Der Schamane schneidet mit einer
Machete einen Teil davon ab, und der Novize schluckt diesen Teil hinunter. Der erfährt
nach der Einnahme dieser Substanz Schmerzen und bleibt für etwa zehn Tage in seinem
Bett, während dessen er immer wieder Ayahuasca trinkt. Der auszubildende
Schamane muß für mehrere Monate inaktiv bleiben, und sich des Geschlechtsverkehrs
enthalten (Harner,1972: 155). Am Ende des ersten Monats entspringt ein Tsentsak seinem
Mund. Die Shuar sagen, dieser dem neuen Schamanen zur Verfügung stehende
magische Pfeil löse ein starkes Verlangen aus, jemanden zu verhexen. An diesem
Punkt der Schamanenlehre entscheidet sich, ob der Novize zu einem behexenden
Schamanen wird, was der Fall wäre, sollte er dem Verlangen nachgeben. Kann er aber
seine Lust zu verhexen kontrollieren und bringt seinen Tsentsak in seinen Körper zurück,
wird er ein heilender Schamane (Harner, 1972:156).
In der Vorstellung der Shuar haben die Tsentsak, die magischen Pfeile, einen natürlichen
und einen übernatürlichen Aspekt. Einerseits sind es materielle Objekte, wie
bspw.Pflanzen und Insekten, die von jedem auch im nicht berauschtem Zustand gesehen
werden können. Als der „wahre“ Aspekt eines Tsentsak wird aber die Form angesehen,
die unter dem Einfluß von Ayahuasca wahrgenommen wird. Die materiellen Objekte
erscheinen dann als Hilfsgeister in verschiedenen Formen, wie riesige Schmetterlinge,
Jaguare oder Affen, die dem Schamanen in der Ausführung seiner magischen
Handlungen assistieren.

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Ayahuasca hat bei den Shuar primär eine Bedeutung, um Heilungen auszuführen oder
im Bereich der Hexerei. Es ist das wesentliche Instrument, welches der Schamane benutzt
um in Kontakt mit der Geisterwelt zu gelangen. Zwar finden sich in der Literatur
auch Angaben über die Nutzung von Ayahuasca bei den Shuar um die Zukunft vorauszusehen
(Dobkin de Rios, 1972: 46), oder im Verlauf des Tsantsa Festes, bei dem es
um die Erlangung der Arutam Seele geht, die den einzelnen Shuar vor Angriffen seiner
Feinde schützt (Dobkin de Rios, 1972: 46; Harner, 1972: 135ff.), ich konnte jedoch keine
Hinweise auf kollektive religiöse Zeremonien in Zusammenhang mit Ayahuasca finden.
d.) Heilungen mit Ayahuasca bei den Shuar
Wenn bei den Shuar ein Heiler gerufen wird, um einen Patienten zu behandeln, stellt er
als erstes fest, ob die Krankheit durch Hexerei verursacht wurde. Um die Diagnose zu
stellen, trinkt der Schamane Ayahuasca und Tabakwasser. Diese Substanzen ermöglichen
es ihm, in den Körper des Patienten hineinzusehen. Ist die Krankheit die Folge
einer Verhexung, so sieht der Heiler ein pathogenes Objekt, und er kann dann entscheiden
ob seine Macht ausreicht, um zu helfen (Harner,1972:160).
Nach Sonnenuntergang beginnt der Schamane Heillieder zu pfeifen, die seine Tsentsak
er-wecken sollen. Später fängt er an zu singen. Laut Harner tendieren diese Lieder
dazu, Selbst-ermunterungen des Schamanen zu sein. Er intoniert etwa in der folgenden
Weise: „My tsentsak are like birds and the wings and bodies are dreams. With these I
am now ready. My tsentsak are sitting all over me and as I become cold I shall have
power. I can easily suck out Tsentsak. I, I, I, I.“ (Harner,1972: 162).
Wenn der Heiler bereit ist, seine Behandlung zu beginnen, würgt er zwei Tsentsak in
seine Kehle und in seinen Mund. Diese müssen identisch mit denen sein, die er im Körper
des Patienten wahrgenommen hat. Die Tsentsak werden im Mund aufbewahrt, damit
sie den übernatürlichen
Aspekt der pathogenen Objekte auffangen, die der Schamane aus dem
kranken Körper heraus saugt. Sollte die spirituelle Essenz der krankheitsverursachenden
Objekte in den Körper des Heilers gelangen, so glaubt er, würde das ihn töten. So
aber wird diese Essenz in die materielle Entsprechung der Tsentsak des Schamanen
aufgenommen, die er dann dem Patienten und seiner Familie präsentiert. Harner gibt

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an, das die Nicht-Schamanen daran glauben, das der Heiler tatsächlich dieses
materielle Objekt aus dem Körper des Kranken hervorgeholt hat. Die Schamanen aber
wissen, daß nur der spirituelle Aspekt der Tsentsak aus dem Körper befreit wurde, und
nur dieses für die Behandlung relevant war. Die als Beweis der Heilung ausgewiesenen
Objekte positioniert der Heiler heimlich vorher in seinem Mund (Harner, 1972: 162ff.).
e.) Ayahuasca und Hexerei bei den Shuar
Um einen magischen Angriff auf eine Person auszuführen, trinkt der Schamane Ayahuasca
und begibt sich dann heimlich in die Nähe des Opfers. Dort trinkt er Tabakwasser,
was ihn befähigt seine Tsentsak aus dem Körper zu holen. Diese werden dann in Richtung
des Opfers geschleudert, wo sie innerhalb weniger Tage oder Wochen Tod oder
Krankheit auslösen, abhängig von der Stärke der Tsentsak des Hexers (Harner, 1972:
157).
Charakteristisch ist die Heimlichkeit, mit der die Shuar magische Angriffe vornehmen.
Das Opfer soll nach Möglichkeit nichts von der Attacke auf seine Gesundheit erfahren,
um nicht frühzeitig Hilfe bei einem Heiler suchen zu können12.
Den Schamanen der Shuar stehen unter Einfluß von Ayahuasca zahlreiche weiter
Maß-nahmen zur Verfügung, um ihren Opfern zususetzen. So kann er speziellen Hilfsgeistern
befehlen,
nach einem Angriff in der Form eines Insekts oder Tieres in der Nähe eines Verhexten
zu verweilen. Sollte das Opfer von einem Heiler geheilt werden, so kann dieser
Hilfsgeist selbstständig pathogene Objekte aussenden, die das Opfer unmittelbar wieder
krank werden lassen (Harner,1972:158).
Bei den Schamanen der Shuar existiert ein ausgefeiltes System von Magie und Gegenmagie.
Sowohl den Heilern als auch den Hexern stehen zahlreiche Möglichkeiten zur
Verfügung, den Handlungen des anderen entgegenzuwirken. Dabei steht das Konzept
der Tsentsak, d.h. Hilfsgeister
im Mittelpunkt, die unter dem Einfluß entheogener Substanzen sichtbar und kontrol-
lierbar werden.
 
3.) Ayahuasca bei den Shipibi-Conibo in Peru
12 Trotzdem berichten die Stammesangehörigen von der absoluten Wirksamkeit der magischen Angriffe
(Harner,1972:158).

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Bei den ostperuanischen Stämmen der Shipibo und Conibo werden die Schamanen
fast aus-schließlich zur Krankenheilung herangezogen. Es werden verschiedene Arten
von Krankheit unterschieden, und die in den Aufgabenbereich der Schamanen fallenden
sind hauptsächlich psycho- und soziosomatischer Natur. So gilt bspw. ein junger Mann,
der eines Liebeszaubers bedarf, weil er die Liebe einer Frau nicht aus eigenen Kräften
gewinnen kann, als krank. Seine soziale Identität ist in Frage gestellt, er fühlt sich nicht
wohl. In diesem Falle greift typischer-weise ein Schamane ein, der einen Mangel an
Shinan (Selbst-Bewußtsein, Selbst-Identität) diagnostizieren wird (Illius,1987: 104).
Bei den Shipibo sind wichtige Komponenten des Weltbildes, Vorstellungen über verschiedene
kosmische Regionen und Identitätsaspekte des Menschen maßgeblich vom
Ayahuasca-
Gebrauch geprägt. Das wiederholte Erleben von veränderten Bewußtseinszuständen
hält die Überzeugung von der Realität der traditionellen Vorstellungen aufrecht (Illius,
1987:105).
Den meisten Schamanen der Shipibo ist außer der Verwendung von Entheogenen
keine Technik mehr bekannt, um Kontakt mit den Yoshinbo, den Geistern aufzunehmen.
Ayahuasca wird bei den Shipibo meist als Nishi sheati (Lianengetränk) bezeichnet.
Dem Trank werden verschiedene pflanzliche Zusätze beigemengt, um bestimmte Spezialeffekte
zu bewirken, oder um unerwünschte Nebenwirkungen zu verhindern (Illius,
1987:109).
Viele junge Männer des Stammes trinken im Alter von 15 bis 20 Jahren Ayahuasca
aus Neugier. Nur einige von ihnen werden regelmäßige Trinker, und nur ein Teil von diesen
strebt eine Ausbildung zum Schamanen an (Illius,1987:114).
Das Erlernen des Umgangs mit Ayahuasca ist ein zentraler Bestandteil der Ausbildung
zum Schamanen. Die ersten Erfahrungen des Novizen mit der Droge werden häufig
als bedrohlich erlebt. Diese erschreckenden Visionen gelten als Prüfstein, erfahrene
Ayahuasqueros verstehen es, ihre Visionen zu steuern und treten in Beziehung zu den
Geistern der überirdischen Welt. Viele Schamanennovizen geben ihre Ausbildung nach
kurzer Zeit auf, weil sie zu sehr unter den Visionserlebnissen leiden (Illius, 1987:115).
Zur Ausbildung gehört die Einhaltung diätetischer Vorschriften, der Lehrling ernährt
sich fast ausschließlich von unreifen, gerösteten Bananen und kleinen gerösteten Fi

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schen. Die Enthaltung von sexuellen Handlungen, sowie das Meiden sozialer Kontakte
ist ebenfalls Bestandteil der Ausbildung (Illius, 1987: 115).
Der Novize trinkt bis zu sechsmal die Woche Ayahuasca und trinkt regelmäßig Tabakwasser
und schluckt Tabakrauch. Der Tabak dient dazu, die übernatürliche Substanz
Quenyon, die in der Vorstellung der Shipibo Träger der schamanistischen Kraft ist, aufzubauen
und im Körper zu bewegen (Illius, 1987: 116).
Bruno Illius weist darauf hin, das ein Meisterschamane durch seine Lieder, die Icaro,
auf die Visionen seiner Schüler Einfluß nimmt. Dies geschieht sowohl durch den Inhalt,
als auch durch die Tonhöhen und Rhythmen der Lieder. Die Texte der Lieder haben
auch die Funktion, eine unmittelbare Erklärung bzw. Interpretation für die Wahrnehmungen
der Schüler zu leisten.
Die Fähigkeit, die Visionen durch Lieder bewußt zu manipulieren, und gleichzeitig erklären
zu können, ist eine der wesentlichen Fertigkeiten, die es in der Schamanenausbildung
zu erlangen gilt (Illius, 1987:119).
Die angestrebten Inhalte von Ayahuasca-Visionen werden in hohem Maße von
kulturellen Variablen beeinflußt. Bestimmte Visionen gelten als nicht erwünscht, sie
werden als jacoma, schlecht bezeichnet, und sollen vermieden werden. Tauchen solche
Wahrnehmungen bei einer Person immer wieder auf, so gilt diese als ungeeignet zum
Curandero (Heiler). Schamanen-
Novizen werden lange und sorgfältig auf die angestrebten Ayahuasca-Erlebnisse vorbereitet,
das breite Spektrum möglicher Visionen wird im voraus aufgezeigt (Illius,
1987:110).
Ein Ausgeliefertsein an die Wirkungen der Droge wird nicht angestrebt, sondern die
positiv besetzten Bilder und Symbole der Shipibo-Kultur gelten auch in den
Visionsinhalten als erstrebenswert. Das Merkmal eines unerfahrenen Ayahuasca-
Trinkers ist das passive Erleiden von Visions-Themen, z. B. das Verschlungen werden
durch eine Schlange. Erfahrene Trinker, die die ersten 10-12 als gefährlich geltenden
Reisen überstanden haben, erwerben im Verlauf vieler weiterer Seancen eine
zusätzliche Identität in der Welt der Yoshinbo (Illius, 1987:111).
Erfahrene Ayahuasca-Trinker sprechen nur von einigen wenigen Visionsinhalten, die
sie für wichtig halten. Hierzu gehören bspw. Gespräche und Tänze mit den Geistern,
Kämpfe mit Geistern und Maßnahmen zur Heilung von Kranken. Einen erfolgreichen

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Schamanen zeichnet aus, das er zu Aktionen und Handlungen in der Welt der Geister
und damit im Ayahuasca Rausch in der Lage ist (Illius, 1987:111).
V. Ayahuasca und seine Verwendung in urbanen Lebensräumen Südamerikas
Viele der indigenen Glaubenssysteme der verschiedenen Stammesgesellschaften
des amazonischen Regenwaldes haben ihren Weg in die Vorstellungen der vorwiegend
armen Mestizenbevölkerung der südamerikanischen Städte gefunden. Der Glaube, daß
der Dschungel, die Seen und Flüsse sowie die Luft von Geistwesen bevölkert wird, ist
weitverbreitet, und häufig noch mit spanischen oder portugiesischen, manchmal auch
afrikanischen kulturellen Merkmalen vermischt (Luna,1991:10).
Auch das Entheogen Ayahuasca folgte den Indianern aus ihren angestammten Gebieten
in die Städte von Peru, Kolumbien und Brasilien, zusammen mit den schamanistischen
Techniken, um Kontakt mit der Welt der Geister herzustellen und Heilungen von
Krankheiten vorzunehmen.
1. Heilung mit Ayahuasca in Iquitos, Peru
Marlene Dobkin de Rios untersuchte die Verwendung von Ayahuasca in Belen, einem
Slum der peruanischen Großstadt Iquitos. Einer Umfrage zu Folge ziehen 25% der Einwohner
von Belen die Volksheiler der westlich orientierten Medizin vor. Dobkin de Rios
sieht einen noch stärkeren Einfluß der Curanderos und Ayahuasqueros (Dobkin de Rios,
1972:67).
In Belen werden zeremonielle Heilungen mit Ayahuasca13 von spezialisierten Heilern,
die
Ayahuasqueros14 genannt werden, ausgeführt. Ihre Fähigkeiten werden von Männern
und Frauen vorwiegend der armen, aber auch der Mittelklassesegmente der Bevölkerung
in Anspruch genommen. Die Sitzungen finden 2-3 mal die Woche zumeist auf
Dschungellichtungen außerhalb der Stadt statt (Dobkin de Rios,1970:296). Gruppen mit
einer stärke von 4 bis etwa 30 Personen finden sich dort abends zusammen. Ein Grund
für die Wahl von Waldlichtungen ist die Abwesenheit von Verkehrslärm und anderen
13 Auch in Iquitos wird Ayahuasca meist mit Additiven wie Diplopterys cabrerana oder Datura suaveolens
zubereitet.
14 Häufig finden wir auch die Bezeichnung Vegetalista (Luna,1991).

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möglichen Störquellen der Rituale. Die Heiler betonen auch, daß das Singen von Liedern
unter Umständen die Aufmerksamkeit der Polizei auf sie lenken könnte. Viele städtische
Ärzte seien neidisch auf die Ayahuasqueros, und würden daher häufig Anzeige
erstatten. Zwar ist es nach peruanischem Gesetz nicht verboten, bewußtseinsverändernde
Substanzen auf natürlicher Basis zu verwenden, wohl aber das Praktizieren und
Heilen ohne Lizenz (Dobkin de Rios,1972:69).
Die Patienten bringen kleine Geschenke mit zur Sitzung, wie etwa Mapacho15-
Zigaretten, oder parfümiertes Wasser. Die Teilnehmer lassen sich kreisförmig nieder,
viele Heiler glauben, dies sei notwendig um böse Geister abzuhalten. Während der Becher
mit der Droge herumgereicht wird, werden für jede Person die trinkt Schutzformeln
ausgesprochen. Die Dosierung des entheogenen Getränks wird nach zahlreichen Faktoren
abgewogen, unter anderem spielen dabei das Körpergewicht und die allgemeine
physische Konstitution der Patienten eine Rolle. Weiterhin wird auch die Anzahl der
schon absolvierten Sitzungen mit Ayahuasca und die Art der Krankheit mit berücksichtigt.
Der Heiler trinkt gemeinhin als letzter Ayahuasca (Dobkin de Rios,1972:71).
Die Wirkung der Substanz setzt etwa nach einer halben Stunde ein. Die Zeit bis dahin
nutzt der Heiler unter Umständen, um zu erläutern, daß es wichtig ist das Ayahuasca
solange wie möglich im Magen zu behalten, um gute und starke Visionen zu erhalten.
Die Atmosphäre bei den Seancen wird von Dobkin de Rios als unförmlich und gelöst
beschrieben. Die Teilnehmer sitzen herum, rauchen Zigaretten und unterhalten sich,
während sie auf die einsetzenden psychotropen Wirkungen warten. Manchmal erhebt
sich ein Teilnehmer um sich zu übergeben oder um zu defäkieren. Dies ist nicht von
Scham oder Peinlichkeit begleitet, sondern wird als normal betrachtet oder gar als erstrebenswertes
Zeichen einer Reinigung des Körpers angesehen (Dobkin de Rios,
1972:71). Wenn ein Partizipant keinerlei Wirkung verspürt, erhält er eine weitere Dosis,
was manchmal 6-7 mal notwendig sein kann. Dies kann auch mit der Stärke des
Ayahuasca zusammenhängen, die eine große Varianz aufweist und welches nicht selten
eine minderwertige Qualität16 besitzt.
15 Mapacho wird ein milder Tabak aus der peruanischen Provinz Loreto genannt (Dobkin de Rios,
1972:143).
16 Die Beschaffung von Banisteriopsis ist für die Ayahuasqueros nicht immer ohne Probleme. Obwohl
einige Heiler ihre eigenen Pflanzen ziehen, müssen andere weite Ausflüge zu Farmen außerhalb der
Stadt unternehmen,
oder Helfer dafür bezahlen, daß sie die gesuchten Pflanzen besorgen (Dobkin de Rios,1972:71-72).

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Die zeremoniellen Handlungen des Heilers bestehen aus Liedern, die häufig in Quechua-
Sprache gesungen werden. Pfeifen von Melodien ist auch häufig anzutreffen. Der
Curandero kontaktiert während der Sitzung jeden Teilnehmer, wobei er immer von seiner
klappernden Schacapa-Rassel17 begleitet wird. Er bläst den Rauch von Mapacho-
Zigaretten über schmerzende Körperregionen der Patienten und saugt mit seinem Mund
an diesen Stellen. Oft fördert er dabei einen Stachel oder Dorn an die Oberfläche, von
denen geglaubt wird sie seien auf magische Art und Weise in den Körper des Kranken
eingedrungen. Die Patienten werden individuell beraten und es werden rituelle Austreibungen
von bösen Geistern vorgenommen (Dobkin de Rios,1972:72).
Diätetische Vorschriften sind ein integraler Bestandteil der Ayahuasca-Heilung, wegen
des Glaubens, die Liane besäße einen eifersüchtigen Geistwächter. Um diesen zu
besänftigen nehmen die Patienten für mindestens 24 Stunden vor und nach der Sitzung
kein Salz, Schweinefett oder Süßigkeiten zu sich. Zusätzlich werden bestimmten Patienten
spezielle Diäten auferlegt, oder es wird sexuelle Abstinenz vor einer Seance verlangt
(Dobkin de Rios,1972:72).
 
Werbung:
Es gibt in Iquitos zahlreiche Ayahuasqueros, die ihre schamanistischen Fähigkeiten
teilweise oder ganz dazu verwenden, anderen Personen Schaden, Krankheit oder Tod
zu bringen. Diese Schwarzmagier werden Brujos genannt. Sie werden von Frauen und
Männern angeheuert, die durch Rachegefühle, Neid oder Haß dazu motiviert werden,
Unglück über bestimmte Personen bringen zu wollen (Dobkin de Rios,1972:93ff; 1970:
296ff.).
2.) Ayahuasca als Sakrament in der synkretistischen Santo Daime Religion
Die Santo Daime Bewegung geht auf die zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts zurück,
als Raimundo Irineu Serra (1872-1971) im brasilianischen Bundesstaat Acre, im
Grenzgebiet zu
Peru und Bolivien, das Entheogen Ayahuasca kennenlernte. Serra arbeitete als Kautschuksammler
und Beamter der brasilianischen Regierung, um das Grenzgebiet zu
markieren. Er traf zwei Brüder, die durch einen peruanischen Schamanen in den Gebrauch
von Ayahuasca eingeweiht worden waren, und später eine Kirche gegründet
17 Eine Rassel, die aus Blättern einer Schacapa genannten Pflanze hergestellt wird (Dobkin de Rios,
72:144).

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hatten18, mit denen Serra seine ersten Erfahrungen mit Ayahuasca sammelte
(Ott,1995:95).
Mestre Irineu, wie er von seinen Anhängern genannt wird, hatte unter der Wirkung der
halluzinogenen Substanz eine Marienvision, bei der ihm die heilige Jungfrau in der Form
der Königin des Waldes erschienen war, und erhielt von ihr Anweisungen, Ayahuasca in
einer besonderen Weise zu verwenden, verbunden mit spezifischen Ritualen und Gesängen,
die Irineu von ihr vermittelt bekam. In der Folge sammelte Serra einige Jünger
um sich, und begann Lieder und Anrufungen aus der Astral-Ebene, wie die Santo Daime
Anhänger, die durch das Entheogen erschlossene Sphäre nennen, zu empfangen.
Diese Lieder sind ein integraler Bestandteil der Rituale der Ayahuasca-Kirchen (Beynon,
1992).
Anrufungen und Gebete wie etwa - „Dai-me forca, dai-me amor, dai-me luz,“19 führen
Serra schließlich dazu, seine Doktrin und deren Sakrament Daime zu nennen. Um 1940
gründet Irineu in der Stadt Rio Branco seine eigene Ayahuasca-Kirche20, die als Alto
Santo bekannt wurde. In den folgenden Jahren entstehen einige Ableger der ursprünglichen
Kirche von Irineu, so zum Beispiel die Uniao do Vegetal (UDV), die heute mit 7000
Mitgliedern die größte Ayahuasca-Kirche in Brasilien darstellt, oder die Colonia 5000,
die auch Cannabis21 und andere Entheogene mit in die Liturgie aufnimmt (Ott,1995:96).
Die Ayahuasca-Kirchen waren immer wieder Anfeindungen von Denunzianten ausgeliefert,
die behaupteten, die Gruppen beständen aus Millionen von „Fanatikern, Toxikomanen
und Ex-Guerilleros“, die während der Rituale Haschisch rauchen und LSD einnehmen
würden. Daraufhin wurden wiederholt Untersuchungskomissionen der brasilianischen
Arzneimittelbehörde eingesetzt, die verschiedene Kirchen besuchten und die
abgehaltenen Rituale beobachteten. Sie kamen zu dem Schluß, daß das Ayahuasca
einen positiven Einfluß auf die Gemeinschaften ausübt, indem es die soziale Harmonie
verstärkt, und betonten, das es keinerlei Hinweise auf schädigende Auswirkungen22 des
Ayahuasca-Gebrauchs festzustellen gäbe. Im Jahre 1992 wurde schließlich eine defini-
18 Diese Kirche wurde Circulo de Regeneracao e Fe (CRF) genannt, und existiert heute nicht mehr
(Ott,1996:95).
19 „Gib mir Kraft, gib mir Liebe, gib mir Licht“.
20 Die Centro de Illuminacao Crista Luz Universal.
21 Dies führte in Brasilien zu einer zeitweiligen Illegalisierung der Colonia 5000 und von Ayahuasca im
Allgemeinen in den achtziger Jahren (Ott,1996:95).
22 Die Daten einer interdisziplinären Untersuchung der Persönlichkeiten von Mitgliedern der Uniao do
Vegetal in Manaus deuten in die gleiche Richtung. Demnach gibt es unter den regelmäßigen Ayahuas

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tive Entscheidung gefällt, die den Ayahuasca-Kirchen ausdrücklich den Gebrauch ihres
Sakraments gestattet (Beynon,1992; Ott,1995:97).
Es gibt verschiedene Typen von Ritualen in den Santo-Daime Messen. Diese Rituale
werden manchmal „Arbeiten“ genannt, daher etwa „Heilarbeiten“, in denen die Teilnehmer
um einen Altar herum sitzen, und eine oder mehrere Personen die Heilung empfangen.
Die Messen finden wöchentlich statt, und nachdem das Ayahuasca als Ersatz für
die Eucharistie andächtig verteilt wurde, beginnt die Gemeinde je nach Typ des Rituals
bestimmte Lieder zu singen. Weiterhin sind spezifische streng festgelegte Tanzschritte
Bestandteil der Liturgie, die über lange Zeit durchgehalten werden müssen. Eine Messe
kann eine ganze Nacht hindurch bis zu zwölf Stunden andauern, und während dieser Zeit
wird wiederholt das Daime getrunken.
Auch die Herstellung des Daime, wie das Ayahuasca hier genannt wird, wird innerhalb
eines rituellen Zusammenhangs vorgenommen, bei dem Lieder gesungen werden. Die
Ayahuasca-Kirchen haben meist eigene Pflanzungen von Banisteriopsis caapi und
Psychotria viridis. Es wird gesagt, das die Liane den solaren, maskulinen Aspekt des
Getränkes ausmacht, während die lunare Seite von Ayahuasca im Chacruna, also den
Blättern von Psychotria verkörpert sei (Ott,1995:97; Beynon,1992).
Seit einigen Jahren gibt es auch einführende Messen mit Ayahuasca in Europa, die
von der offenbar einen Missionsgedanken verfolgenden Santo-Daime Bewegung abgehalten
wurden. Das zog naturgemäß die Aufmerksamkeit von einigen Behörden nach
sich, da zumindest das im Ayahuasca enthaltene DMT in den Betäubungsmittelgesetzen
der meisten europäischen Länder enthalten ist. Hier kommt es offensichtlich zu einem
Konflikt zwischen dem Recht auf freie Religionsausübung und der Drogengesetzgebung,
bei der die vorliegenden Forschungsergebnisse über den Gebrauch des
Entheogens bei brasilianischen Gruppen in die Diskussion mit einbezogen werden sollten23.
Vor allem in den Niederlanden, aber auch in anderen Ländern Europas gibt es
mittlerweile Santo Daime-Gemeinden, die sich regelmäßig zu Messen zusammenfinden.
 
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