Liebe Ereschkigal!
Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass jemand diese übliche medienberichterstattung anders als aufdringliches, lästiges, jeglichen respekt verletzendes eindringen in den intimbereich empfindet. es geschieht seitens der medien ja auch nicht aus mitgefühl, sondern aus quotengeilheit und auflagengier. ich war selbst über viele jahre journalist bei einem massenmedium und kenne die mechanismen von innen.
ändern kann sich das sofort, wenn die media-analytiker bemerken, dass seriöse berichterstattung höhere quoten/auflagen bringt als sensationsgeilheit. die wirklichkeit sieht anders aus - ich erinnere mich noch gut an eine publikumsbefragung anlässlich des ausbaues der regionalisierung im ORF: auf die frage, was die leute denn am ehesten vor den bildschirm bringe, rangierte an erster stelle die antwort "berichte über unfälle und katastrophen", gefolgt von sendungen über volksmusik und kriminalfilmen.
dennoch meine ich, dass sich die anstalten manchesmal gehörig verschätzen. praktisch niemand machte sich die mühe, jenseits der patriotischen parolen und des nationalen schulterschlusses in den USA nach 9/11 die bush-verwicklungen ins geschehen abzuklopfen. ein paar mehr waren es schon anlässlich des irak-krieges, aber generell meinte man: das bringt uns nix. und siehe da, michael moore landet einen kassenknüller ... wobei auch seine dokumentationen nichts mit seriösem journalismus zu tun haben.
wir erfahren praktisch nie auch nur annähernd die fakten, geschweige denn, dass wir einblicke ins umfeld von "wirklichkeiten" bekommen. wir bekommen kondensierte, mehrfach gefilterte breikost für zahnlose, mit geschmacksverstärkern für die jeweilige zielgruppe aufgepeppt, so werden "meinungen" gemacht und bestärkt und wichtig ist, dass sich herr und frau leser/in gut fühlen und zustimmend nicken: "so isses!" ... sich nur ja nicht beunruhigen lassen.
das gilt m.e. auch für die trauer über todesfälle, die einen eigentlich nichts angehen. wie würden es hinterbliebene auf einem friedhof empfinden, wenn wildfremde auf sie einstürmen und ihnen, arm um die schultern gelegt, sagen: "mei, das tut mir jetzt aber schon leid! schaun's, da ham's s kerzerl!"
sarkasmus beiseite... ich denke, es hat auch viel mit dem umgang mit dem eigenen tod zu tun, was da abläuft. die wenigsten menschen haben wirklich so etwas wie eine intime beziehung zum eigenen sterben, und so arbeiten sie es halt über illusionäre intimität mit fremden schicksalen ab, gespiegelt in den massenmedien. du als beginnende astrologin: jeder hat seinen pluto im horoskop, und der steht sowohl für die unbewussten bindungen an die eigenen tiefen wie auch für massenphänomene, die ja immer auch einen hohen grad an ent-individualisierung mit sich bringen.
jede katastrophe, jede geile operation, jeder tv-gerecht inszenierte terror stellt uns unbewusst die jedermann-frage ... die kerze im fenster ist eine antwort darauf (und neben vielen anderen, zynischen, verdrängenden, verachtenden) und sicher eine, die zumindest mal ein wenig licht bringt. die frage nach dem eigenen tod bleibt. bis dahin.
alles liebe, jake