horizont, denken ist eine nur mäßig realitätsverändernde funktion des gehirns. versteh mich nicht falsch, ich liebe das denken als eine lustvolle tätigkeit und übe es als eine - für mich - wunderbare disziplin, meine blicke auf die welt zu konturieren und zu ordnen und mich in der welt zu orientieren. und das ist es dann aber auch... denken ist nicht die welt, denken verändert nicht die welt. schon deshalb nicht, weil es so ist, wie es in dem lied heißt: die gedanken sind frei. niemand denkt so wie ein anderer, die summe all der gedanken der menschen ist ein wunderbares chaos. die vorstellung, es könne gelingen, die gedanken alle gleichzuschalten... ein horror! versuche einer solchen gedankenpolizei hat es ja genug gegeben, in diversen kirchen und religionsgemeinschaften, in den diktaturen diverser ideologischer ausrichtungen von ganz rechts bis ganz links... die denker haben sich nie einfangen lassen, nur die ideologen haben sich verkauft.
was realität verändert, ist deine unbedachte, unmittelbare verbindung mit der welt. du bist so viel mehr als du zu denken in der lage bist, und die welt ist etwas so grundlegend anderes als das, was du zu denken in der lage bist. positives denken ist da eine nette beschäftigungstherapie und um häuser sympathischer als etwa das ausdenken von hassparolen, aber es geht dir nicht einmal selbst wirklich besser damit.
wirklichkeit verändern ist letztlich magie... in der astrologie das pluto/skorpion-prinzip: dort sind, tief in dir, jene affinitäten ausgebildet, die mit "der welt" in resonanz gehen und im austausch dinge bewegen. dort ist jener glaube daheim, der berge versetzen kann. aber auch der ist nicht betulicher schöndenkerei zugänglich, sondern radikaler ehrlichkeit. sehr oft ist es der schatten, der, weil nie betrachtet, weil er ja auch so negativ ist, überraschend und scheinbar im gegensatz zu dem wirkt, was man zu sein meint.
die geschichte hat ja gezeigt, was der positive denker karl marx zum beispiel bewirkt hat: er postulierte, dass das bewusstsein das sein bestimme. ziel war das paradies auf erden... was letztlich all die schöndenker anstreben.
für mich hat es peter handke in "die chronik der laufenden ereignisse" recht schön formuliert:
"Wie also soll man leben? Wie miteinander leben? Wie miteinander und sich selber lebend ein Bedürfnis sein? Wie falsche Bedürfnisse durchschauen? Wie echte Bedürfnisse erkennen? Wie die Schmerzen so im Gleichgewicht halten, dass sie notwendig zur Entstehung der Freude gehören? Und wie die Freude so im Gleichgewicht halten, dass sie nicht übermäßig schmerzhaft wird? Und wie Schmerzen und Freude so im Gleichgewicht halten, dass sie nicht beide die Gedanken verhindern? Und wie die Gedanken so im Gleichgewicht halten, dass sie gerade so schmerzhaft sind, dass man sich an ihnen gerade so freuen kann, dass man sie weiterdenken möchte? Wie soll man leben?"
mir geht es so, dass die lust am denken vom wissen genährt wird, dass mein denken weder die welt bedeutet noch die welt verändert - wäre es so, dann müsste ich sofort zu denken aufhören, denn es wäre eine anmaßung. die welt ist das, womit ich in einklang zu leben versuche - und das ist jenseits von positiv und negativ. das ist "es ist was es ist, sagt die liebe..."
was ich dem begriff des positiven denkens aber vor allem ankreide: er nährt genau jene illusionen, die einem redlichen denken, das diese bezeichnung auch verdient, diametral im wege stehen. wenn ich das denken zum positiven vergewaltigen muss, gebe ich in wirklichkeit das denken auf und lasse mich gleichschalten. das lässt manche kasse klingeln... sei's denen vergönnt, die es lukrieren, sei's denen als erfahrung vergönnt, die's brauchen. ich denk mir mein teil... ;-)
alles liebe, jake