Ein Blick nur
Es war unruhig geworden unter den Hirten.
Ahmed passte es gar nicht. Alle waren in Aufruhr.
Der alte Hirte wollte nur seine Ruhe haben an diesem Abend.
Seine alten Knochen taten ihm weh und er wollte sich am Feuer erwärmen.
Dieser merkwürdige Stern am Himmel hatte sie alle verrückt gemacht.
Dann noch die drei Fremden, die gerade den Stall betreten hatten. Alle
waren sie hin gerannt. Auch die älteren Hirten. Er hatte sie noch zum
Bleiben bewegen wollen, aber vergebens.
Viel lieber hätte er mit ihnen über die alten Zeiten geplaudert. Als es ihm
noch besser ging. Er noch gesund war und stark. Nicht so verhärmt und
vergrämt wie jetzt. Seine Glieder schmerzten und sein rechtes Bein war lahm.
Ein Kind war geboren worden dort im Stall.
Nichts Besonderes, dachte er, so etwas passiert doch jeden Tag.
Wenn die neuen Lämmer geboren wurden, machten sie doch
auch nicht so ein Geschrei darum.
Das Paar hatte keine Unterkunft mehr gefunden und so hatten
sie ihnen den Stall angeboten, denn es war klar, dass die
Niederkunft kurz bevor stand. Jetzt war das Kind geboren.
Es war merkwürdig still im Stall, fiel ihm auf. Auch die Geburt selbst
war ohne Wehen und Schreie vonstatten gegangen.
Der kleine Ali kam auf ihn zu gelaufen. "Komm' Ahmed, das musst Du
sehen. Das kleine Kind. Wie es strahlt!"
Lass' mich Ali. Ich bin müde und meine Knochen schmerzen mich.
Mir ist es egal, wer dort geboren wurde."
"Aber es ist ein ganz besonderes Kind, Ahmed. Alle sagen das."
"Lass mich in Frieden!, herrschte er den Jungen barsch an. Was
soll schon so Besonderes an ihm sein?"
"Komm' und schaue, Ahmed, bitte. Wenn Du meinst es sei nichts
Besonderes an ihm, übernehme ich morgen Deine Wache und Du kannst
länger schlafen."
Die Hartnäckigkeit des Jungen überraschte Ahmed und er entschloss sich
aufzustehen und mit ihm zu gehen. Mühsam erhob er sich und stütze sich auf
den Jungen Hirtenknaben und seinen Stab. Von hinten kamen sie an die Versammelten
in dem Stall heran und bahnten sich schliesslich den Weg bis zur Krippe, in
der das Neugeborene lag.
Ahmed hatte seine Mütze abgenommen, denn die sonderbare Ruhe und der
schimmernde Glanz, der von der Krippe ausging und der Anblick der drei Fremden weisen Männer hatten in ehrfürchtig werden lassen.
Dann stand er vor der Krippe und sah das Kind. Ein Gefühl erfasste ihn, dass
er lange nicht gespürt hatte. Ruhe, Frieden und Liebe erfüllten seinen Geist.
Er hatte das Gefühl, dass etwas von dem Kind auf ihn übersprang.
Er liess Ali los. Sein Stab entglitt seiner Hand und fiel zu Boden.
Für einen Moment fürchtete er umzufallen. Doch dann bemerkte er, dass
der Schmerz seiner Glieder verschwunden war. Sein rechtes Bein! Er konnte es wieder voll bewegen und es war schmerzfrei! Ahmed konnte es nicht glauben.
Wieder blickte er das Kind an. Es lächelte ihn an. Tränen rannen aus Ahmed's
Augen. Er hatte verstanden.
Ja, es war ein besonderes Kind. Ein Blick hatte genügt!....

H.A. - hier genannt Tolkien