Lieber FCKW,
ja, das ging mir selbst während des Studiums lange so, dass ich mit „Ontologie“ nichts anfangen konnte, aber ich glaube, dass der Grund dafür in unserem Zeitgeist zu suchen ist.
Der gegenwärtig primäre philosophische Zugang ist meist der epistemologische, also der erkenntnistheoretische, wie bei Kant (Kritik der reinen Vernunft), die Frage nach den „Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis und Erfahrung“.
In unserem neuzeitlichen Zeitgeist hat die Epistemologie langsam einen Vorrang ca. im 11. Jh. durch Roscellin im Universalienstreit erhalten. Im Gegensatz zum Realismus vertrat Roscellin die philosophische Richtung, nach der den allgemeinen Begriffen des Denkens kein Allgemeines im Sein selbst entspricht. Diesen sogenannten “Nominalismus” kann man von dort an bis zum heutigen “radikalen Konstruktivismus” verfolgen.
Bei Descartes führt dies zum absoluten Zweifel an allem, welcher – für Descartes – zum Ich und Gott führt. Bei Kant erfährt diese Entwicklung noch einmal einen Höhepunkt, der zwar das “Ding ansich” postuliert, dieses aber gerade nicht erfahrbar ist.
Die Ontologie ist zu dieser Zeit ein Teilstück der Metaphysik.
Das alles hat zur Folge, dass die Philosophen fordern, bevor einfach das SEIN beschrieben und kategorisiert wird, man zunächst klären solle, wie man (Subjekt) denn überhaupt das Sein (Objekjekt) erkennen kann (->Epistemologie), was sich in den Wissenschaften durch die ganzen “Methodologien” und Apparaten widerspiegelt, anhand welchen der Wissenschaftler sich der Wirklichkeit zu nähern hat, so dass die “gemessenen” Ergebnisse nachprüfbar werden.
Der „Untersuchung der Grundstrukturen des Seienden“ (Ontologie) kommt hier eher eine sekundäre Bedeutung zu. In der Antike kann man Ontologien aber auch schon unter anderem bei Parmenides, Thales, Platon, Aristoteles finden.
Im 20. Jahrhundert hat die Ontologie jedoch, vorbereitet durch Husserl – der unter anderem anhand seiner „eidetischen Phänomenologie“ „Regional-Ontologie“ betrieb -, einen erneuten Höhepunkt durch Heidegger erfahren. Die Phänomenologie versucht den Kontakt zum Sein, den Phänomenen wieder herzustellen, der durch die ganzen epistemologischen Fragestellungen, Methodologien und das naturwissenschaftliche Weltbild „ver-deckt“ wurde.
Heidegger spricht von der sogenannten „ontologischen Differenz“ (Sein/Seiendes) und der Seinsvergessenheit: er kritisiert, die ganze abendländische Metaphysik habe lediglich das „Seiende“ beschrieben, aber das „Sein“ ganz aus den Augen verloren.
Heidegger geht es in „Sein und Zeit“ um die Wiedererweckung/Neubelebung und Fundierung der „Ontologie“ als „Fundamentalontologie“.
Das Buch von Heidegger finde ich sehr lesens- und empfehlenswert, da Heidegger hierin unter anderem die Existenzphilosophie Kirkegaards im 20. Jahrhundert auf einem neuen Level reformuliert, aber auch die philosophische Hermeneutik Gadamers entscheidend vorbereitet und der transzendentalen Phänomenologie Husserls wieder eine entscheidende Wendung gibt (Es gibt dazu einen tollen, lesbaren und systematischen Kommentar: Andreas Luckner (2001) Martin Heidegger: Sein und Zeit. UTB-Wissenschaft)
Eine wichtige Frage ist hier auch wieder, wie das Dasein (Mensch) sich dem Sein nähern kann. „Ontisch“ ist hierbei das Sein, wie es sich dem Dasein unmittelbar zeigt. Und „ontologisch“ bezieht sich auf die Begrifflichkeit, mit der dieses Seiende beschrieben werden kann. Das ganze Buch geht so vor, dass Heidegger anhand der vorbereitenden Fundamentalanalyse des Daseins bei der Beschreibung der alltäglichen Phänomenen beginnt, um sich dann in einem hermentisch-phänomenologischen Zirkel zur „Zeitlichkeit des Daseins“ vorzutasten. Das Buch bricht dort ab, der Schritt zum Sein wird hier nicht vollzogen, aber die „Fundamentalanalyse des Daseins“ ist als Existenzphilosophie in die philosophische Geschichte eingegangen – Heidegger spricht hier über die „Sorge“ des Daseins, über das „Man“, die Eigentlich- und die Uneigentlichkeit des Daseins, über die Geworfenheit des Daseins: der Geworfenheit ins Mann, der die Uneigentlichkeit, das Besorgen, das Gerede, das Verfallen-Sein entspricht, stellt Heidegger das eigentliche Dasein entgegen, das sich vom Man gelöst hat, und unter andrem im „Sein zum Tode“ die Möglichkeit seines Ganzseinkönnens erfährt. Da es hier um die Existenz des Daseins geht, spricht Heidegger von existentiellen (ontischen) und den existentialen (ontologischen) Phänomenen/Strukturen.
Der Begriff der "Ontologie" befindet sich also im Wandel
(Antike, allgemeine Metaphysik (Neuzeit), Fundamentalontologie (Moderne))
Hm, ich finde es schade, dass Du dir das Buch von Wilber jetzt noch nicht gönnen willst
Er geht darin auf so vieles sehr ausführlich ein, worüber unter anderem im Meditations-Forum in der letzten Zeit oft diskutiert wurde - Non-Dualität, (Psycho)-Therapien auf den verschiedenen Ebenen (der gesamte zweite Teil des Buches widmet sich diesen), Meditation und Erlösung, Sozialisation, Archetypen, etc..
Liebe Grüße
E.