Antwort Teil 1
Zitat: Das heißt, du stimmst der konsequent-marxistischen Einschätzung zu, dass alle friedlichen Reformen, die das Los der Arbeiter verbessern, utopisch und kontraproduktiv sind in dem Sinne, dass sie die Ankunft des Sozialismus hinauszögern? Für mich klingt das ziemlich zynisch. Oder vertrittst du eher die "vulgärmarxistische" Linie der Sozialdemokraten, wonach Politik und Sozialtechnologie durchaus und im Widerspruch zu Marx in der Lage sind, das Geschick der Gesellschaft maßgeblich und positiv zu beeinflussen? Die Beantwortung dieser Frage wäre mir überaus wichtig.
Kurzfristig (wobei kurzfristig im historischen Sinne verstanden werden muss,
also durchaus ein paar Generationen) kommt es zu Reformen, kleineren
Revolutionen, die positive Ergebnisse nach sich ziehen können, oder aber scheitern.
Ich erinnere mich auch an mindestens eine Stelle in der Marx dies auch schreibt. Langfristig aber kann der Widerspruch zwischen Kapital und
Arbeiter (im weiteren Sinne, es muss nicht Produktion sein) nicht
gelöst werden innerhalb des kapitalistischen Systems. Ob es zur Änderung
eine Revolution braucht oder nur einen Wahlsieg steht noch nicht fest.
Ich würde mich als Kommunisten, nicht Sozialdemokraten bezeichnen,
aber als Kommunist eher nicht besonders radikal (es sei denn Räterepublikaner
werden als radikaler als "Realsozialisten" bezeichnet.)
Zitat:Und genau in dieser Argumentation liegt die extreme Gefährlichkeit des Marxismus und übrigens auch seine Unwissenschaftlichkeit. Seit 90 Jahren haben dutzende kleine und große Massenmörder ihren ganz persönlichen Putsch qua Manifest zu "der" Revolution gesalbt, haben die jeweils zu solchen erklärten "Klassenfeinde" systematisch bekämpft bis hin zum Völkermord, haben die Meinungsfreiheit abgeschafft, ihre Bürger bespitzelt, die Wirtschaft (und die Umwelt) ruiniert und nach einigen Jahrzehnten des Terrors ein sittlich und wirtschaftlich verwüstetes Land hinterlassen. Und jedesmal treten neue Marxisten auf den Plan mit der fadenscheinigen Entschuldigung, sorry, haben uns geirrt, war doch noch nicht die richtige Revolution. Eine ähnlich verheerende Bilanz haben doch sonst nur noch die Nationalsozialisten vorzuweisen. Mit der gleichen Berechtigung könnte jeder Neonazi dozieren, dass Hitler eben noch nicht der "richtige" Führer war und dass wir einfach einen neuen Versuch bräuchten. Das ist doch grotesk.
Sozialismus war ein Schlagwort um Menschen hinter sich zu versammeln.
So wie es auch heute "Demokratien" gibt die keine sind, wie die "Demokratische Republik Kongo", oder "Freiheits"-Demagogen wie Bush
(vielleicht magst du den auch noch

).
Am Ergebnis sieht man wie sozialistisch eine Revolution oder ein Putsch war.
Personenkult ist zum Beispiel mit dem Marxismus nicht vereinbar.
Ich würde mich auch nicht als Leninist bezeichnen, auch wenn ich ihm noch
Nähe zu sozialistischem Gedankengut zuschreiben würde, anders als Stalin.
Eine wirkliche sozialistische Revolution muss global sein, und die Globalisierung
macht dies bald möglich.
Zitat:Zur Unwissenschaftlichkeit der orakelnden Philosophie Marxens: Zuallererst bleibt zu konstatieren, dass Marx eine wissenschaftliche Vorhersage mit einer Prophezeiung verwechselt hat. Das ist im Verständnis des zu seiner Zeit populären und von Laplace inspirierten Determinismus verständlich, aber es zerstört die Wissenschaftlichkeit seines prophetischen Arguments. Wissenschaftlich wäre es, genau zu determinieren, unter welchen Bedingungen es wann und wo zu welchen Erscheinungen kommt. Stattdessen besteht seine ganze Vorhersage darin, nebulös "die Revolution" und das Übrigbleiben nur einer Klasse zu orakeln. Diese Methodik ist nicht wissenschaftlich, sondern trivial. Ich kann alles mögliche prophezeien; und wenn ich keine zeitliche Eingrenzung dazu angebe, dann mache ich auch die wissenschaftliche Überprüfbarkeit und damit die Wissenschaftlichkeit an sich zunichte.
Die "Prophezeiung" entsteht aus der Analyse des kapitalistischen Systems,
und aus dessen inneren Widersprüchen. Marx Vorhersage ist genauso eine
Prognose wie Prognosen anderer Wirschaftsfachleute und Trendforschern oder von Metereologen und Klimaforschern.
Da kann man nicht 100% genau sein. Fakt ist, dass die Themen oder Probleme
weiter aktuell sind, und gerade wieder, und damit ist auch Marx aktuell.
Es könnte auch ein Atomkrieg unsere Auslöschung bringen, anstatt des
Entstehens des Kommunismus, oder ganz was anderes. Aber ich sehe gute logische Gründe für den Sozialismus. Außerdem sollte man nicht negativ denken.