Zweierlei ist mir jetzt so durch den Kopf (und vielleicht auch noch durch die Figur) gegangen.
In der Lehre des Buddha entspricht wohl das Wort "Wirklichkeit" dem, was hier als Wahrheit gemeint ist in diesem Thema. Das, was wirklich, tatsächlich IST, unabhängig von allen Sichtweisen. Und im Buddhismus hat sich nicht ohne Grund eine solch gründliche Lehre davon, wie man zur unverzerrten Sicht der Wirklichkeit gelangt, entwickelt. - Niemals aber spricht der Buddha von "seiner" (oder jemandes anderen) Wirklichkeit. Er spricht von verschiedenen Sichtweisen.
Das mag wie Haarspalterei klingen, ist es aber nicht. Wenn ich sage "meine Sicht von der Wahrheit", dann ist mir bewußt, daß es eine Wirklichkeit gibt, die rein und klar und ungetrübt hinter dem Schleier meiner Wahrnehmung besteht. Wenn ich sage, "meine Wahrheit", dann setze ich mich der Gefahr aus, daß mein Unterbewußtsein subtil diesen Besitzanspruch, der darin enthalten ist, mißbräuchlich nützt.
Das allerdings ist rundum sehr schön zu beobachten. Das war das zweite, was mir durch den Kopf gegangen ist. Es fällt mir auf, daß offenbar das Beharren auf der Richtigkeit der Anschauung, es gäbe eine subjektive Wahrheit (ich wiederhole, das ist schon rein sprachlich eine Absurdität), an etwas gekoppelt ist.
Wer "meine Wahrheit" sagt und drauf besteht, daß das stimmt, verfällt nach meiner Beobachtung überdurchschnittlich oft und unverhältnismäßig schnell in die Ebene persönlicher Angriffe, sobald dieser "seiner" Wahrheit sich eine andere Sichtweise entgegenstellt. Das heißt, der Besitzanspruch auf die Wahrheit macht sich - da er ja von keiner Reflektion gefiltert wird - ganz ungeschminkt bemerkbar. Wer "meine Wahrheit" sagt, spricht nach meiner Wahrnehmung sehr häufig selbst ununterbrochen so, als sei seine Sichtweise tatsächlich die reine ungeteilte Wahrheit. Geht also in die Falle des Unterbewußtseins, das "mein" hört und Besitzanspruch erhebt. DAS ist nach meiner Ansicht eine Hauptgefahr in diesem Pseudo-Eso-Schlagwort.
Ich würde mich freuen, auf sachlicher Ebene korrigiert zu werden (und bitte keine Analysen meiner persönlichen Befindlichkeiten zu erhalten), wenn meine diesbezügliche Wahrnehmung nicht gründlich genug ist.