M
Mipa
Guest
Lieber Condemn,
ich hoffe, es ist ok, wenn ich unseren kurzen austausch aus dem emotionsthread auslagere. Es wird mir im ursprungsthread zu unübersichtlich und vielleicht ist es auch etwas am thema vorbei....
ich hoffe, es ist ok, wenn ich unseren kurzen austausch aus dem emotionsthread auslagere. Es wird mir im ursprungsthread zu unübersichtlich und vielleicht ist es auch etwas am thema vorbei....
Zitat Condemn Ja... es geht aber auch noch um das Thema bei dem man kritisiert wird und um die Frage wie sehr man sich mit einem bestimmten "Thema" (kann natürlich auch eine Person sein) identifiziert. Denk Dir etwa einen Maler, der sich sehr stark über seine Kunst definiert. Wenn Du dem sagst das er die Spülmaschine nicht richtig eingeräumt hat ist ihm das wohl eher schnuppe. Wenn Du ihm sagst, das Dir seine Bilder nicht gefallen, nimmt er das möglicherweise persönlich.
Kurzgesagt: Identifikation spielt dabei eine wichtige Rolle. Die Schwachpunkte einer Person liegen dort wo ihre Identifikationen stark sind.
Zitat MipaIn dem fall ist kritik eben ein scheinbarer 'angriff' auf die persönliche substanz, auf das was uns zu dem oder der macht, der oder die wir sind. Was unweigerlich zu der frage führt, was denn tatsächlich identifikation ist, wofür wir die brauchen und warum sie überhaupt durch einen andern oder etwas erschütterbar ist. Wenn ich da nachspüre, fallen mir begriffe wie selbstbewusstsein, selbstwahrnehmung, selbstbild etc. ein und ob es da einen bereich gibt, der 'unabhängig' existiert, der zeitlos und ungebunden ist
Zitat Condemn Ja... ich glaube, dass dieser Bereich durchaus existiert, aber eben stark fokussiert ist und einen so kleinen Ausschnitt der Realität wahrnimmt, nämlich diese eine Person die man "Ich" nennt, dass dadurch die erste Identifikation/Verbindung entsteht und daraus folgend alle anderen. Denn die Person ist ja ein trennendes "Konstrukt" und erzeugt dadurch ein grundlegendes Mangelgefühl das gleichzeitig aber auch Motivation für vielleicht alles ist was wir tun. Wir wollen das Gefühl der Trennung aufheben, auflösen... das geschieht über Liebe. Wir suchen also nach Liebe, was man wiederum in "So geschätzt werden wie man ist" übersetzen kann. In der Regel erhoffen wir uns das zuerst mal von anderen Menschen.
Aber... und das ist der wichtige Punkt: Durch das Feedback unserer Umwelt haben wir Vorbedingungen formuliert.... wir haben "gelernt". Diese Vorbedingungen bestehen aus Überzeugungen im Sinne von "Ich muss gut aussehen um geliebt/angenommen zu werden" oder "Ich muss erfolgreich sein" oder "Ich muss klug sein" oder am besten gleich alles zusammen. Wenn wir davon überzeugt sind und von irgendwas ist da jeder überzeugt (das es so sein sollte, nicht unbedingt das es so ist) , dann sind das schon Identifikationen und zwar auch dann, wenn wir gleichzeitig nicht davon überzeugt sind gutaussehend, klug und erfolgreich zu sein. Denn die Idee selbst ist schon Identifikation.
Gleichzeitig besteht aber auch schon ein Konflikt zwischen "Ist" ("Ich bin davon überzeugt ein dummer hässlicher Loser zu sein") und "Soll" ("Ich sollte ein kluger, gutaussehender Erfolgsmensch sein"). Und dann schmerzt jedes Feedback das nicht im Einklang mit unseren Idealen ist sowieso... egal ob wir nun zu sein überzeugt sind was wir sein wollen, oder nicht.
Wenn sich jemand als dumm ansieht, schmerzt es wenn er genau das als Feedback ("Ja, Du bist dumm") bekommt. Wenn sich jemand als sehr sehr intelligent empfindet, schmerzt es ebenfalls wenn ihm die Umwelt auf einmal das Gegenteil mitteilt. Denn entweder glaubt er was die Umwelt mitteilt ("Scheiße... ich bin doch nicht so intelligent") oder er glaubt es nicht, aber nimmt es dann als Angriff wahr. Denn die Logik sagt: Wenn mich jemand abwerten will, will er mich verletzen. Und selbst wenn das nicht funktioniert und man nur milde über diesen Versuch lächelt, wird man sich aber trotzdem distanzieren.
Die Reaktion ist also so oder so eine Art Bestätigung und möglicherweise auch Erweiterung der Trennung. Und das ist umso schlimmer je weiter sich jemand geöffnet hat. Wenn z.B. jemand der eher einsam ist und sich grundlegend eher abgelehnt fühlt hier im Forum ein Portal gefunden hat, das ihm geholfen hat Verbindungen aller Art einzugehen... über sich zu erzählen und "trotzdem" das Feedback bekommen hat genau so angenommen zu werden wie er ist, erzeugt auch das Identifikation. Das Forum wird dann sehr wichtig weil es eine Lücke füllt. Und wenn an diesem Ort auf einmal Feedback aus ganz anderer Richtung kommt, im Sinne von "Du dummer, hässlicher Loser"... dann ist das leidvoll. Die Reaktion wird eine Erweiterung der Trennung sein. Manche fliehen dann, andere distanzieren sich zumindest, wieder andere suchen Kompensation indem sie sich in einem engeren Kreis solidarisieren usw.
Aber... das ist sehr komplex. Denn das Forum (jeder Lebensbereich) kann auch deutlich engere Funktion haben. Manche sind hier sicherlich nicht auf der Suche danach von anderen so angenommen zu werden wie sie sind, sondern eher nach einer Form der Bestätigung eigener Werte... etwa ein "Ich bin besser" (klüger, spiritueller, kreativer etc.) und damit eine Art Wettstreit. Wenn diese Identifikation ("Ich sollte in etwas besser als andere sein") sehr bedeutend ist, wird sich das im Verhalten zeigen und da werden dann die Schwachpunkte liegen, wenn das Feedback nicht bestätigend wirkt.
Der wichtigste Punkt zum Schluss: Für all das braucht es Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit ist eine Vorraussetzung für alles andere, und daher fühlt sich jemand, der glaubt ignoriert zu werden (bzw. nicht das Maß an Aufmerksamkeit bekommt das er braucht) alleine dadurch schon angegriffen.
Wenn man das durchdenkt wird auch klar, warum ein Forum wie dieses so extremes Konfliktpotential auf allen Ebenen birgt. Die thematische Breite ist ja nicht nur eine sachliche Frage... dahinter stehen Identifikationen und Ideale/Werte, die selbst schon teilweise in Konflikt miteinander sind. Die Art der meisten Themen verleiten gleichzeitig mehr dazu sich persönlich zu öffnen als es in einem reinen "Politikforum" der Fall wäre. Dadurch werden wiederum Verbindungen von Usern zu Usern extremer... mit einigen enger und mit anderen vielleicht sogar richtig feindselig.
Das ist ein sehr komplexes Gebilde aus Identifikationen und daher auch Konflikten. Wollte man die vielen verschiedenen Möglichkeiten wirklich präzise analysieren und darstellen... wäre das nen Buch so dick wie die Bibel - zu jedem einzelnen User hier.
Zitat von Condemn
Ja... ich glaube, dass dieser Bereich durchaus existiert, aber eben stark fokussiert ist und einen so kleinen Ausschnitt der Realität wahrnimmt, nämlich diese eine Person die man "Ich" nennt, dass dadurch die erste Identifikation/Verbindung entsteht und daraus folgend alle anderen.
Zitat Mipa
Condemn, das hast du generell ganz wunderbar beschrieben. Es ist ein thema, das mich aus persönlichen gründen ungeheuer anspricht, da ich mich sehr stark mit meinem tun und dem entsprechenden erfolg identifiziere und gleichzeitig aber auch denke, dass es diesen ungebundenen bereich geben muss, der nur gänzlich aus meinem wahrnehmungsbereich verschwunden ist. Schlussendlich ist es wohl eher eine leere, in der man sich in ganzer fülle, aber auf ganz andere weise wahrnimmt.
Zitat Condemn
Denn die Person ist ja ein trennendes "Konstrukt" und erzeugt dadurch ein grundlegendes Mangelgefühl das gleichzeitig aber auch Motivation für vielleicht alles ist was wir tun.
Irgendwo muss der antrieb herkommen, ja.
Zitat Condemn
Wir wollen das Gefühl der Trennung aufheben, auflösen... das geschieht über Liebe. Wir suchen also nach Liebe, was man wiederum in "So geschätzt werden wie man ist" übersetzen kann. In der Regel erhoffen wir uns das zuerst mal von anderen Menschen.
Ich bin, was ich tue, das ist sowas wie mein geheimes motto. Bei mir hat identifikation eigentlich schon fast alles mit einem tun zu tun, was wohl mein grösster stolperstein ist, da ich den ungebundenen bereich nur noch erahnen kann. So interessiert mich auch nur ein geschätzt werden betreffend meines tuns, nicht meines seins. Ich will gut sein, in dem, was ich tue und die tatsache hübsch, klug, etc. zu sein oder nicht, interessiert mich weniger.
Zitat Condemn
Aber... und das ist der wichtige Punkt: Durch das Feedback unserer Umwelt haben wir Vorbedingungen formuliert.... wir haben "gelernt". Diese Vorbedingungen bestehen aus Überzeugungen im Sinne von "Ich muss gut aussehen um geliebt/angenommen zu werden" oder "Ich muss erfolgreich sein" oder "Ich muss klug sein" oder am besten gleich alles zusammen. Wenn wir davon überzeugt sind und von irgendwas ist da jeder überzeugt (das es so sein sollte, nicht unbedingt das es so ist) , dann sind das schon Identifikationen und zwar auch dann, wenn wir gleichzeitig nicht davon überzeugt sind gutaussehend, klug und erfolgreich zu sein. Denn die Idee selbst ist schon Identifikation.
Bei mir ist es wohl der punkt mit dem erfolgreich sein.
Dass die idee selbst schon identifikation ist, halte ich für gefährlich, für beschränkend. Ich überlege sehr oft, wie ich eine identifikation herstellen kann, jenseits von ideen, pers. wertungen, etc. ist so etwas möglich? Oder gibt es sie dann einfach nicht?
Manchmal habe ich den eindruck, dass sich diese gefühlte trennung kurz aufhebt, dass es gut ist, wie es ist, unabhängig davon, was einer sagt oder denkt - oder eben, was ich tue. Ja, es hat mit liebe zu tun, mit der, die ich empfinde, die aus sich selbst schöpft.
Zitat Condemn
Gleichzeitig besteht aber auch schon ein Konflikt zwischen "Ist" ("Ich bin davon überzeugt ein dummer hässlicher Loser zu sein") und "Soll" ("Ich sollte ein kluger, gutaussehender Erfolgsmensch sein"). Und dann schmerzt jedes Feedback das nicht im Einklang mit unseren Idealen ist sowieso... egal ob wir nun zu sein überzeugt sind was wir sein wollen, oder nicht.
Wie verabschiedet man sich von idealen?
Zitat Condemn
...Denn die Logik sagt: Wenn mich jemand abwerten will, will er mich verletzen. Und selbst wenn das nicht funktioniert und man nur milde über diesen Versuch lächelt, wird man sich aber trotzdem distanzieren.
Wie könnte man den bereich seiner identität nun stärken, der unabhängig ist? Kein distanzieren, kein sich verletzt fühlen, sondern einfach ein 'sich innerlich sicher' fühlen? Es gibt bereiche, wo mir das gut gelingt, einen hingegen, wo gar nichts geht. Warum diese diskrepanz? Da geht es doch dann um ideale und warum man gerade diese wählt und nicht andere, vielleicht auch darum, wer einem einst was und wie vermittelt hat, etc.
Zitat Condemn
Die Reaktion ist also so oder so eine Art Bestätigung und möglicherweise auch Erweiterung der Trennung.
Trennung zwischen was genau?
Zitat Condemn
das ist umso schlimmer je weiter sich jemand geöffnet hat.
Wenn man sich öffnet, ist man verletzlicher. Ich bin aber sicher, dass auch das nicht sein muss. Wenn hinter der identität letztlich nichts steckt, was es zu verteidigen, zu verbessern, zu beschützen gäbe, könnte man es nicht angreifen. Bitte verstehe mich nicht falsch: Es geht mir nicht darum, hart oder gleichgültig im sinne von ignorant zu werden, sondern darum, für mich selbst so viel liebe zu empfinden, dass ich unabhängig bin. Es gibt einen bereich, wo mir das nicht gelingt, da findet dann auch die grösste identifikation statt.
Zitat Condemn
Die Reaktion wird eine Erweiterung der Trennung sein. Manche fliehen dann, andere distanzieren sich zumindest, wieder andere suchen Kompensation indem sie sich in einem engeren Kreis solidarisieren usw.
Zitat Condemn
Aber... das ist sehr komplex. Denn das Forum (jeder Lebensbereich) kann auch deutlich engere Funktion haben. Manche sind hier sicherlich nicht auf der Suche danach von anderen so angenommen zu werden wie sie sind, sondern eher nach einer Form der Bestätigung eigener Werte... etwa ein "Ich bin besser" (klüger, spiritueller, kreativer etc.) und damit eine Art Wettstreit.
Was aber im weitesten sinne eben genau auf dieses 'angenommen werden wollen' hinausläuft. Es ist die eher provokative form zum 'ziel' zu kommen, die einem vordergründig weniger blösse gibt.
Zitat Condemn
Wenn diese Identifikation ("Ich sollte in etwas besser als andere sein") sehr bedeutend ist, wird sich das im Verhalten zeigen und da werden dann die Schwachpunkte liegen, wenn das Feedback nicht bestätigend wirkt.
Das problem eben, wenn man an der eigenen starren identifikation kleben bleibt, weil man ausblendet, dass man unendlich viele anteile in sich verewigt.
Zitat Condemn
Der wichtigste Punkt zum Schluss: Für all das braucht es Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit ist eine Vorraussetzung für alles andere, und daher fühlt sich jemand, der glaubt ignoriert zu werden (bzw. nicht das Maß an Aufmerksamkeit bekommt das er braucht) alleine dadurch schon angegriffen.
Ja. Jemandem aufmerksamkeit zu schenken bedeutet ja letztlich: Ich nehme dich wahr. Wer sich ignoriert fühlt, bekommt demnach das gefühl, nicht zu existieren. So sind es wieder andere, die einem selbst identifikation verschaffen. Muss das sein?
Zitat Condemn
Wenn man das durchdenkt wird auch klar, warum ein Forum wie dieses so extremes Konfliktpotential auf allen Ebenen birgt. Die thematische Breite ist ja nicht nur eine sachliche Frage... dahinter stehen Identifikationen und Ideale/Werte, die selbst schon teilweise in Konflikt miteinander sind. Die Art der meisten Themen verleiten gleichzeitig mehr dazu sich persönlich zu öffnen als es in einem reinen "Politikforum" der Fall wäre. Dadurch werden wiederum Verbindungen von Usern zu Usern extremer... mit einigen enger und mit anderen vielleicht sogar richtig feindselig.
So ist es. Je weniger konflikt im innern, desto weniger auch im aussen, da es im innern gar nichts anzugreifen gibt und diese ruhe, dieses zufrieden sein, sich ins aussen überträgt.
Zitat Condemn
Das ist ein sehr komplexes Gebilde aus Identifikationen und daher auch Konflikten. Wollte man die vielen verschiedenen Möglichkeiten wirklich präzise analysieren und darstellen... wäre das nen Buch so dick wie die Bibel - zu jedem einzelnen User hier.
Ich frage mich oft, ob es nicht doch eine ganz einfach antwort gibt. Ich muss gerade an diskussionen im muf denken, an verschiedene rollen, die die persona einnehmen kann, an das zwiebelsystem des 'ich', wo letztlich nichts dahinter steht, etc. Solche modelle könnten doch eine gewisse ruhe, gelassenheit aufkommen lassen, wodurch angriffe von 'aussen' einfach verpuffen würden.
Sorry, alles ein wenig philosophisch, aber wirklich ganz interessant. Für mich wieder in eigener sache.