Auslaufmodell Ausnahmezustand
04.05.2020 00:00 Uhr
Thomas Moser
Die Gesundheitsfrage ist von der Demokratiefrage nicht zu trennen
Am ersten Maiwochenende ist in ganz Deutschland die Zahl der öffentlichen Proteste geradezu explodiert. Dabei ging es auch um die autoritären Corona-Maßnahmen. In Berlin gab es insgesamt eine zweistellige Zahl von Demonstrationen. Darunter die sogenannte Hygiene- oder Grundgesetzdemo, die sich aufgrund der Behinderungen durch die Polizei vom Rosa-Luxemburg-Platz auf den benachbarten Schendelplatz verlagert hat. In Stuttgart kamen auf dem Festgelände Wasen mehrere 1000 Teilnehmer zusammen. In
Schwerin beispielsweise forderten Ärzte auf einer Kundgebung das Ende des "gesundheitsschädlichen" Lockdowns und die Abschaffung der "medizinisch nicht sinnvollen" Maskenpflicht.
In deutsch-polnischen Grenzstädten forderten auf beiden Seiten Menschen die Öffnung der geschlossenen Grenze. Ist der Ausnahmezustand zum Auslaufmodell geworden?
Inzwischen wird der Ausnahmezustand sogar bei denen in Frage gestellt, die ihn mit zu verantworten haben: "Sollte es die Entwicklung der Pandemiesituation in der Zukunft erfordern, dass Maßnahmen wieder intensiviert werden müssen, dann darf das nicht wieder zuerst auf dem Rücken der Kinder und Familien geschehen. Wir möchten, dass andere Eindämmungsmaßnahmen zuerst geprüft werden." ...]
[..Intransparen der Entscheidung
Waren diese Maßnahmen, die radikal in die demokratische Architektur eingreifen, tatsächlich nötig, um eine Pandemie abzuwehren? Oder wurde die Pandemie benutzt, um ein neues, mögliches Führungsinstrumentarium zu schaffen?
Am Vortag der entscheidenden Bundestagssitzung saß ich an einem Artikel für Telepolis und versuchte herauszufinden, worüber eigentlich genau abgestimmt werden sollte, welchen Inhalt und Wortlaut die vorgelegten Gesetze und die neue Bundestagsgeschäftsordnung haben sollten. Das gelang mir nicht (
Corona oder die Selbstentmachtung der Parlamente).
Auf der Webseite des Bundestages war zwar die Tagesordnung aufgeführt, aber einzig der Nachtrags-Notstandshaushalt wiedergegeben, nicht die Änderungen des Infektionsschutzgesetzes und der Bundestagsgeschäftsordnung. Ich rief in der Pressestelle des Bundestags an, doch dort konnte man mir auch nicht weiterhelfen. Die Gesetzentwürfe würden irgendwann online gestellt werden, hieß es nur. Das geschah bis zum Abend jedenfalls nicht. Bis kurz vor der Abstimmung konnte die Öffentlichkeit nicht erfahren, worüber ihre Vertreter und Vertreterinnen entscheiden sollten.
Will jemand tatsächlich behaupten, diese Intransparenz sei im Interesse des Corona-Managements notwendig gewesen? ,,]