Hallo Ullikin,
interessanter und mutiger und sicher auch emotionaler Beitrag. Die Frage eines freien Willens beschäftigt mich auch sehr. Ich bin übrigens gar kein Freund davon, sich hier auf "Experten" zu verlassen, so nach dem Motto, wenn die das herausgefunden haben, das mit den Signalen, dann muß das wohl stimmen.
Nein, selber muß man das herausfinden, dazu ist man ja schließlich da und kann sich studieren!
Ich lass das jetzt mal alles weg, von wegen da sind noch Reste und bestimmt plagt dich doch dein Gewissen usw., ich denke, um alles das geht es hier gar nicht. Ich versuche mal, das auseinanderzupflücken. Die Frage ist: geschah die Handlung aus deinem freien Willen heraus?
Was war dein (freier) Wille? Du wolltest keine Kinder bekommen, oder als Wille ausgedrückt: Du wolltest und willst kinderlos sein und bleiben (und daher die Schwangerschaft abbrechen).
Jetzt kam da etwas Unfreiwilliges dazwischen (einmal nicht verhütet), was zur Folge hatte, daß gegen deinen Willen ein menschliches Wesen in dir im Werden war.
Da hat dir also irgendetwas in dein Handwerk gepfuscht, sozusagen. Und weil Du ja im Vorfeld klipp und klar gesagt hast, wo der Hammer bei dir hängt ;-), hast Du den Konjunktivmensch entfernen lassen. Schon allein aus Protest, daß da etwas gegen deinen Willen geschehen ist (so klingt das ein bißchen).
Jetzt kommt mir eines: egal, ob es nun einen (freien) Willen gibt, oder nicht: damit ist weder gewährleistet, daß es 1) nicht doch gegen diesen Willen laufen kann und daß man sich 2) damit nicht doch auch einen Haufen Ärger oder Unmut an den Hals holen kann.
Jetzt stellt sich die Frage:
"Wo bitte ist mein Freier Wille, den Gott ja allen Wesen gab, bitteschön? Wo soll es Sünde sein, wenn ich meinen Freien Willen habe und mir von keinem Gesetz dieser oder anderer Universen aufdiktieren lasse eine Gebährmaschine zu sein?"
Meine Antwort dazu: die Sünde ist ein Konzept, das aus der Möglichkeit der Entscheidung, also der Wahlfreiheit, entsteht. Das heißt, wenn Du einen freien Willen haben willst, dann mußt Du gleichzeitig auch das Sündenkonzept einführen, das ist sozusagen der Preis für die Freiheit. Denn Du hast ja die Wahl zwischen "richtig" und "falsch" oder zwischen "gut" und "böse", und was das jeweils ist, das bestimmt im Wesentlichen der Zeitgeist und dessen Moral.
Wenn Du keinen freien Willen hättest, wenn alles nur abläuft nach irgendeinem Drehbuch, dann kann dir niemand Vorhaltungen machen für das, was Du tust, oder nicht tust. Du musst es ja tun, Du hast ja keine andere Wahl.
Und ging es dir nicht genau so? Mußtest Du nicht tun, was Du getan hast? Hattest Du im Grunde gar keine andere Wahl? Denn nichts konntest Du dir ja wohl Schlimmeres vorstellen, als schwanger zu sein und ein Kind zu gebähren, wenn ich alles richtig verstanden habe.
Trotzdem bewegt sich das alles hier noch an der Oberfläche. Man muß sich die Eingangsfrage noch einmal ansehen: Was war dein (freier) Wille, der alles nach sich zog?: Du wolltest und willst kinderlos sein und bleiben. Hier muß man nun tiefer bohren.
1. War das wirklich dein innigster Wille oder entstand dieser Wille aus einer Ablehnung der Welt hinaus, wie sie ist, und überlagert deinen eigentlichen lebensbejahenden Willen?
2. Angenommen, es war und ist tatsächlich dein Wille, dann lautet die nächste Frage: ist das auch ein <i>freier</i> Wille?
(Wenn dieser Wille nämlich nicht frei ist, dann erübrigt sich die Diskussion darüber, ob eine Handlung, die er nach sich zieht, frei oder unfrei ist, denn dann mußt Du)
Hier bei 2) glaube ich lautet die Antwort "Nein". Kinderlos sein zu wollen war und ist zwar dein Wille, aber dieser Wille ist nicht frei, Du hast dir diesen Willen nicht ausgesucht, sondern er enstand aus einer Zwangsläufigkeit heraus, aus deinem Erleben, will sagen: Du hast sicher gute Gründe für diesen Willen. (Nächste Frage: Wo kommen die nun wieder her?)
Du unterliegst aber auch dann diesem Willen und richtest deine Handlungen nach ihm aus. Grob gesagt bist Du Sklavin dieses Willens, der dich bis hin zu "sündhaften" Handlungen treibt, so stark ist er.
Auf die Gefahr hin, daß Du jetzt gleich k... ;-), könnte es auch sein, daß dir dein (potentiell) wahrer und innigster Wille (nämlich ein Kind zu bekommen) einen Streich gespielt hat und dich gegen deinen Willen schwanger werden ließ...
Sei es, wie es sei, in allen Fällen sehe ich nirgendwo Freiheit am Werke. Man kann es zurückverfolgen, wie man will, es ergibt sich immer eine Zwangsläufigkeit, aber nirgendwo eine Weggabelung, an der man sich für einen anderen Weg hätte entscheiden können. Oder?
Das spricht natürlich niemanden frei. Jeder muß das mit sich selbst abklären. Die ganze Menschheit könnte dich freisprechen, solange aber etwas in dir ist, das nicht einverstanden ist mit dem, was Du tust, wird dir das nichts nutzen. Und anders herum, kann dir die gesamte Menschheit egal sein, wenn Du nur mit dir selbst im Frieden bist.
Grüße,
Mitlov