Fast Food Esoterik

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Esoterik hat weltweit einen riesigen Markt, welcher vorwiegend aus der Unwissenheit, dem Glauben und den Bedürfnissen der Menschen resultiert. Auch in den deutschsprachigen Ländern ist dieser Markt vorhanden und er nimmt weiter an Größe zu.
In Deutschland glauben fast 80 Prozent der Menschen an Schutzengel, der Hinduismus mit seinen Glaubensbekenntnissen und auch andere aus Asien stammende Praktiken und Überzeugungen sind auf dem Vormarsch.

Dieser Markt will und kann befriedigt werden. Wir können also verfolgen, wie sich die Anbieter esoterischer Dienstleistungen zügig entwickeln. Ich weiß leider nicht, was auf diesem Markt allein in Deutschland jährlich umgesetzt wird, denn darüber fehlen konkrete statistische Zahlen. Allerdings dürften diese Umsätze zwischenzeitlich im mehrfachen Millionenbereich sein.

Bisher waren die Anbieter dieser Dienstleistungen kaum einer Qualitätskontrolle unterworfen. Allerdings scheinen die Zeiten der fehlenden Qualitätskontrollen langsam dem Ende zuzugehen. Die Politik beginnt für den Verbraucherschutz erste Regularien zu schaffen.
Aus meiner persönlichen Sicht wird das auch höchste Zeit.

Der normale Verbraucher ist gewöhnlich in der Rolle des Gläubigen oder Unwissenden und er kann die Qualität der Angebote auf dem Markt nicht selbst einschätzen.
Die Grenzen zwischen Scharlatanen und den wirklich befähigten Medien sind sehr fließend.

LG
Wizards
 
Allerdings scheinen die Zeiten der fehlenden Qualitätskontrollen langsam dem Ende zuzugehen.


Der boom bei den einschlägigen Fernsehsendern widerspricht dem aber. - Übrigens gibt es auch Verbände, die sich eigene ethische Grundsätze gesetzt haben.

Bedauerlich ist, dass mittlerweile jeder Schnickschnack als Esoterik verkauft wird.

Vielleicht mal eine kleine, lustige Geschite dazu?


X-Komma-Null-Viereinhalb

Nachdem ich den Satz ‚Ich lebe in vollkommener Harmonie und Reichtum, ich bin Millionär, ich bin Millionär’ fast bis zum Erbrechen immer wieder aufgesagt und vor mich hin geplappert hatte, betrachtete ich den Mahnbescheid vor mir auf dem Küchentisch. Er verschwand einfach nicht. Er löste sich einfach nicht auf!
In der linken Hand hielt ich den Bestseller über positives Denken, der mir den Weg in die absolute Wunscherfüllung zeigen sollte und mit der Rechten zog ich genervt an meiner Zigarette. Es blieb alles so wie es war: ohne Moos nichts los!
Also musste ich etwas tiefer in die esoterische Trickkiste greifen, eilte zu meinem Schreibtisch und zog ein Blatt weißes Papier aus dem Drucker. Schnell hatte ich in der Mitte des Blattes eine Linie mit Bleistift gezogen.
Das war die Linie für die Gegenwart, für das JETZT! Den Mahnbescheid legte ich auf die linke Seite des Blattes und auf die rechte einen Euro, der als Symbol für das Geld aus der Zukunft dienen sollte. Nun konzentrierte ich mich auf die Gegenwartslinie, zog den Mahnbescheid langsam zu dieser Linie und tat dasselbe mit dem Euro-Stück bis beide genau im JETZT aufeinander trafen. Geldsorgen und Geldmittel hatten sich damit verbunden.
Ich zog nochmals tief an meiner Zigarette, drückte sie im Ascher aus und schob eine CD mit Entspannungsmusik in meinen Player. Dann legte ich mich auf die Couch im Wohnzimmer. Es ging nun darum, mich und meine Gedanken in eine ‚Geldschwingung‘ zu bringen.
Ich konzentrierte mich bei leiser Musik zunächst einmal auf meinen Atem, nahm wahr wie ich so da lag und legte meine Hände auf die Augen wie ich es bei meiner Reiki-Einweihung gelernt hatte. Danach kam die zweite Handposition aus dem Reiki und die Hände lagen auf der Schläfe, weiter ging es zum Hinterkopf, auf das Scheitelchakra und schrittweise hinunter bis zum Wurzelchakra. Überall in meinen Körper ließ ich die universelle Lebensenergie Reiki nach dem System von Dr.Usui fließen. Alles war in Fluß, alles floß, ‚penta rei‘ eben.
Fast wäre ich dabei eingeschlafen, wenn mich nicht das schrille Läuten der Türglocke aus meinen mentalen Schwingungen gerissen hätte: der Gerichtsvollzieher. Er hatte sich angemeldet, schriftlich, mit einem Hinweis im Briefkasten, weil er mich am Vortag nicht zuhause angetroffen hatte. Es ging wieder einmal um nicht bezahlte Strafzettel wegen Falschparkens und wenige Minuten später war ich rund hundert Euro los.
Ich war stocksauer, hatte ich doch wirklich, wie es dieser Josef mit seinem Buch über die richtige Denkweise geschrieben hatte, wirklich, ja wirklich nur positive Gedanken gehabt. Und dann so etwas: Mahnbescheid, Gerichtsvollzieher!
Wenige Minuten später hatte der Herr meine Wohnung wieder verlassen. Nicht ohne mir vorher mitzuteilen, dass er noch mehrere Eintreibungen gegen mich vorliegen habe und er bezüglich dieser Angelegenheiten nochmals auf mich zukommen werde.
Ich eilte zum Telefon und wählte direkt durch.
„Spirituelle Weltauskunft Sektion Deutschland. Mein Name ist Anita Meyerbrand. Was kann ich für Sie tun?“ Angenehm drang die freundliche Stimme an mein Ohr.
„Herbeldinger, Guten Tag! Ich brauche eine Auskunft zum bevorstehenden Weltuntergang. Wann genau findet der nun statt?“
„Ihre Kundennummer, Herr Herbeldinger, bitte zunächst. – Und ihr Spezialgebiet.“
„X-Komma-Null-Viereinhalb. Ich bin hunareikiorientiert mit hermetischem Quertouch.“
Ich hörte wie ihre Finger schnell über die Tastatur huschten und sie meine Daten in ihren PC eingab.
„Herr Georg Herbeldinger, richtig?“
„Richtig!“
„Nun, Herr Herbeldinger, zurzeit liegen uns keine gesicherten Erkenntnisse für dieses Jahr vor. Wir haben zwar hier zwei Channelmeldungen, die allerdings etwas auseinander liegen.“
„Was heißt das?“
„Tja, Anfang Juli dieses Jahres könnte der WU eintreten. Dafür stehen allerdings noch keine Transportschiffe für unsere Mitglieder bereit. Der Massenselbstmord ist auch noch nicht eingeplant.“
„Und was ist mit der zweiten Channelmeldung?“
„Nach dieser ist mit einem Weltuntergang erst in ungefähr zehn Jahren zu rechnen. Wie alt sind Sie, Herr Herbeldinger?“
„Fünfzig!“
„Dann gehören Sie zu unserem ausgewählten Kundenkreis und ich könnte Ihnen ein Angebot von Spirituelle Weltauskunft Sektion Deutschland unterbreiten, das wir gerade für Kunden Ihrer Altersklasse konzipiert haben. Wenn Sie noch ein paar Minuten Zeit hätten, Herr Herbeldinger?“
Ich zog hörbar die Luft durch die Nasenflügel.
„Ich möchte jetzt kein Sonderangebot. Mir steht das Wasser bis zum Hals.“
Sie schwieg.
„Bei mir häufen sich die Rechnungen“, fuhr ich fort, „ und ich muss dringend wissen, ob ich Wege finden muss, diese zu begleichen, oder ob sich das alles erübrigt wegen dem WU.“
„Unabhängig davon“, versuchte es Anita Meyerbrand weiter, „schätzen wir uns als Spirituelle Weltauskunft Sektion Deutschland glücklich, nun auch den Reinkarnationsverein mit Sitz in Köln zu unseren Mitgliedern zählen zu dürfen. Haben Sie davon schon einmal etwas gehört, Herr Herbeldinger?“
„Nein!“
„Nun, Herr Herbeldinger, der Reinkarnationsverein hat sich angeboten, die Verwaltung des Vermögens unserer Einzelmitglieder bis zu deren Wiederkehr, also bis zu ihrer erneuten Inkarnation, zu verwalten.“
„Ich habe kein Vermögen.“
„Wir bieten Ihnen diesen besonderen Service für nur zwei Euro zusätzlich zu Ihrem jetzigen Mitgliedsbeitrag an.“
„Hören Sie…“ begehrte ich auf.
„Ja, ich weiß, Herr Herbeldinger, der Weltuntergang.“
„Genau! Können Sie mir da keine ernsthaften Auskünfte geben?“
„Alles, was wir anbieten ist ernsthaft, Herr Herbeldinger.“
„Deshalb rufe ich Sie ja an.“
„Vielleicht probieren Sie es einmal mit einem Medium. Das ist für Sie kostenlos und wird über Ihren Monatsbeitrag abgedeckt. Wir haben zwei Medien, die jederzeit channeln können. Ohne große Ritualsvorbereitungen.“
„Sind das die zwei mit den unterschiedlichen Meldungen?“
„Nein.“
„Ok, dann verbinden Sie mich.“
Es dauerte eine kleine Weile bis sich nun eine ältere Frauenstimme meldete:
„Sie sprechen mit Uritella vom Schwarzwaldverein Seat Luchs. Womit kann ich dienen?“
„Ich benötige eine sichere Channelbotschaft zum Weltuntergang:“
„Wünschen Sie den Kontakt zu einem bestimmten aufgestiegenen Meister oder zum Heiland selbst?“
„Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht.“
„Sollten Sie aber“, säuselte Uritella. “Ich habe hier eine ganze Palette von Meistern, die ich channeln kann. Und soviel Zeit steht mir nun auch nicht gerade zur Verfügung. Ich bin gerade mit meinem Badewasser beschäftigt.“
„Mit Ihrem Badewasser?“
„Ja. Ich habe doch die göttliche Botschaft bekommen, Heilwasser zu verkaufen.“
„Was hat das mit Badewasser zu tun?“
„Nach einer göttlichen Rezeptur muss ich mein Badewasser mit der linken Hand im Uhrzeigersinn umrühren. Dabei fließt die gesamte Heilenergie ins Badewasser.“
„Und das ganze lässt sich verkaufen?“ wollte ich ungläubig wissen.
„Selbstverständlich. Ich fülle mein Badewasser in Flaschen ab. Meine Kunden sind äußerst zufrieden.“
„Das käme für mich wahrscheinlich nicht in Frage. Ich bin hunareikiorientiert. Ich bräuchte Informationen zum Weltuntergang. Kann meine Rechnungen nicht bezahlen.“
„Dann schlage ich Ihnen mal Serephinola vor. Der ist leicht zu channeln, bringt die Dinge auf den Punkt und liegt selten daneben.“
„Gut. Fangen wir an.“
„Alles was ich bräuchte, wäre nochmals Ihre Kundenummer. Und danach möchte ich Sie bitten, kurz die Augen zu schließen.“
„X-Komma-Null-Viereinhalb, Herbeldinger.“
Ich schloss die Augen.
„Nun atmen Sie tief in Ihren Bauchraum und lassen Sie sich von Ihrem Unbewussten ein Symbol für Ihre Frage schenken.“
„Eieruhr!“
Kaum hatte ich ihr das Symbol genannt, hörte ich ein leichtes Seufzen am anderen Ende der Leitung, das nach wenigen Sekunden in immer lauter werdendes Stöhnen und Grunzen überging.
„Alles in Ordnung?“ fragte ich leicht besorgt.
Statt einer Antwort hörte ich nur den markdurchdringenden Schrei:
„Serephinola! Serephinola!“
Dann Stille. Ich wartete ungeduldig. Endlich:
„Herr Herbeldinger“, Uritella klang nun wieder ruhig und vertraut. „Die Sache gestaltet sich etwas schwierig. Seriphinola meint, es gäbe konzentrative Hemmnisse in Bezug auf Ihre Frage, da Sie offensichtlich über keinerlei Astralerfahrungen verfügen.“
„Ich bin hunareikiorientiert. Wir arbeiten fast ausschließlich energetisch.“
„Wir haben Astraltraining im Angebot. Natürlich in abgespeckter Form. Das ganze dauert nur wenige Minuten. Danach dürfte einem Kontakt mit Serephinola nichts mehr im Wege stehen.“
Ich habe keinen blassen Schimmer, was ich nun tun soll, schoss es mir durch den Kopf. Meine Rechnungen! Meine Ziele! Mein Leben überhaupt!
„Können Sie mich verbinden?“
„Klar doch!“ Und schon klickte es in der Leitung.
„Out-Of-Body-Experience-Odenwald-Liga. Sie sprechen mit Stephan Monroe. Was kann ich für Sie tun.“
„Ich brauche einen Schnellkurs.“
„Basic?“
„Keine Ahnung.“
„Ok, dann wahrscheinlich Basic. Sind Sie schon einmal mit kosmischen Gesetzmäßigkeiten konfrontiert gewesen?“
„Ständig. Ich habe einen hermetischen Quertouch.“
„Ihre Kundennummer, bitte.“
„X-Komma-Null-Viereinhalb.“
„Herr Hebeldinger. Ich darf Sie bitten, sich während des Schnellkurses ganz genau an meine Anweisungen zu halten. Sie haben Erfahrung im Visualisieren?“
„Selbstverständlich.“ antwortete ich sichtlich genervt.
„Dann visualisieren Sie bitte in folgender Abfolge und nach Möglichkeit ziemlich schnell: Sie sitzen in einem Unterseeboot. Zweitens: Sie befinden sich in einem Raumschiff. Drittens: Sie fliegen losgelöst von allem irdischen über den Mount Blanc. Von links nähert sich Ihnen ein brasilianischer Schmetterling. Winken Sie ihm mit der rechten Hand. – Haben Sie’s?“
„Klar doch.“
„Sehr schön. Nun kommen wir zu Ihrer eigenen Kreation. Es geht darum, dass Sie sich kurzfristig aus Ihrem Körper lösen und sich Ihrem eigenen Reiseziel nähern. Wohin möchten Sie reisen?“
„Dazu fällt mir nichts ein.“
„Dachte ich mir schon.“ meinte Stephan. “Das kommt ziemlich oft vor. Vielleicht habe ich da etwas für Sie.“
Ich hörte das Rascheln von Papier durch den Telefonhörer.
„HEBAB Ltd. in Newcastle, Herr Helberdinger, ist das derzeit effektivste Reisebüro für Astralreisende, das wir zu äußerst günstigen Konditionen für unsere Mitglieder gewinnen konnten. Die Zusammenarbeit mit HEBAB gestaltet sich sehr angenehm.“
„Was kostet mich das?“
„Der Erstkontakt ist für Sie kostenlos.“
„Gut. Verbinden Sie mich.“
„Hello. This is HEBAB Ltd., Newcastle. We are not available at the moment. Please call again later.“
Die Verbindung wurde abrupt unterbrochen.
Ich öffnete das Fenster und atmete die frische Abendluft tief in meine Lungen. Gedankenverloren schaute ich ein paar Minuten in die Weiten des Abendhimmels. Dann wandte ich mich wieder vom Fenster ab.
Mein Blick wanderte wieder hin zum Telefon, das mich plötzlich so stark in seinen Bann zog.
Ich nahm den Hörer erneut ab und wählte.
„Zentralinstitut für seelische Erkrankungen. Guten Abend. Was können wir für Sie tun?“
„Mein Name ist X-Komma-Null-Viereinhalb. Ich brauche frisches Badewasser. Mein Schmetterling sitzt im U-Boot. Wie weit ist es bis zum Mont Blanc? Schicken Sie mir die Rechnung bitte.“
Es tut gut nun hier zu sein. Ich bekomme regelmäßig Frühstück, Mittagessen und Abendessen. Und jeden zweiten Mittwoch gehe ich vormittags in die Bastelgruppe.

© LightandKi (rh)
 
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