Emotionale Instabilität nach Schlaganfall

Sie war früher immer mit irgendwas beschäftigt, saß kaum für eine halbe Stunde still.
Doch seit dem Schlaganfall scheint sie total motivationslos und was noch schlimmer ist, sie fängt wegen jeder Kleinigkeit zu weinen an. Letzttens z.B. weil man sie auf das Datum eines Arztbesuches ansprach.

Eine Bekannte hat mir ähnliches über ihren Vater berichtet.

Er war immer ein grantler und etwas eigen, aber nach dem Schlaganfall sitzt er nur noch zuhause vor dem Fernseher, verweigert jede ärztliche Behandlung (musste ihn mit Lungenentzündung gegen seinen Willen ins KKH schaffen) und tyrannisiert die Familie mit seinen Launen und seltsamen Aktionen.
 
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@Wusel:
Danke.


Eine Bekannte hat mir ähnliches über ihren Vater berichtet.

Er war immer ein grantler und etwas eigen, aber nach dem Schlaganfall sitzt er nur noch zuhause vor dem Fernseher, verweigert jede ärztliche Behandlung (musste ihn mit Lungenentzündung gegen seinen Willen ins KKH schaffen) und tyrannisiert die Familie mit seinen Launen und seltsamen Aktionen.
Nun ganz so schlimm ist es ja nicht, aber belastend ist es allemal.
 
Danke dir, Eva, meinne Überlegungen gingen auch in die Richtung.
Doch bleibt immer noch die Frage, wie man damit umgehen soll als Familienmitglied.

lg, Diana
Ich denke, daß es hilft, den Schlaganfall als Ursache für die Veränderung im geistig-emotionalen und Allgemeinbefinden (Motivation) zu begreifen. Denn das ist unbedingt so. Ein Schlaganfall ist ein tiefgreifendes Ereignis an der Schaltzentrale des Körpers und des Geistes und jeder Mensch bedarf danach einer Rehabilitation, auch wenn keine körperlichen Einschränkungen zurück bleiben.

Bei betagten Menschen gibt es ein zusätzliches Problem zu beachten: egal welche Erkrankung vorliegt, so "triggert" ein schweres Krankheits-Ereignis in dieser Generation oft die Vorstellung von der Krankheit im Alter, die natürlich sei und die man hinnehmen müsse. Diese Idee "Alter = Multimorbidität", welches v.a. die ältere Bevölkerung von sich selber hat, bedingt, daß diese Bevölkerungsgruppe schwerer rehabilitiert als Jüngere, die bereits einmal von der Salutogenese gehört haben, also von der Fähigkeit des Menschen, in sich Gesundheit zu erschaffen. Auf diesem Prinzip baut ja auch das rehabilitative Prinzip auf, das der älteren Bevölkerung aber nicht so sehr bekannt und leider auch weniger zugänglich ist, als der jüngeren Bevölkerung. Diese geringere Zugängigkeit zur Rehabilitation entsteht daraus, daß ein älterer Mensch immer eine längere Rehabilitationszeit benötigt als ein jüngerer mit der gleichen Erkrankung, was jedoch von den Krankenkassen nicht berücksichtigt wird.

Wenn man also einen solchen nur ansatzweise rehabilitierten Schaganfallpatienten zu pflegen hat, dann muß man wissen, daß sich bei guter Pflege und beim Nicht-Hinnehmen der Tendenz zum "Einfrieren", der nach dem Schlaganfall geistig, körperlich und emotional besteht, über einen jahrelangen Zeitraum hinweg kontinuierlich Verbesserungen bei den Fähigkeiten des Patienten ergeben können. Und das gilt ganz generell, unabhängig vom Alter. Ein Schlaganfall ist eben nicht "das Ende" - sehr schwere Schlaganfälle ausgenommen. Es werden aber heute 70% aller Schlaganfälle soweit rehabilitiert, daß die Patienten wieder ins Berufsleben integriert werden können, daran sieht man, wie sich die Therapie da im Laufe der letzten Jahre sprunghaft verbessert hat aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse in mehreren Wissensbereichen.

Was ich damit sagen will: es lohnt sich gegebenenfalls, mit Ausdauer die Angehörige zu begleiten in ihren Gefühlen, sie zu trösten und aber auch aufzumuntern, sie zu motivieren und ihr gleichzeitig Raum für das Zur-Ruhe-Kommen nach dem schweren Ereignis zu lassen. Man entwickelt im Laufe der Zeit ein Händchen dafür: wie muß ich auf meinen Angehörigen zugehen, damit er meine Botschaften annimmt und emotional dabei stabil bleibt - und sei es, daß die Botschaft einen Arztbesuch beinhaltet.

Ein Wort will ich Dir noch mitgeben, es ist das Wort "Regression". Die sogenannte Regression bezeichnet in der Medizin, in der Soziologie und in der Psychologie das Sich-Zurückziehen einer Person in frühere, zum Beispiel in kindliche Verhaltensweisen. Man beobachtet nun bei Menschen aus vielerlei Anläßen, z.B. bei Krankheitsereignissen, diese sogenannte Regression. Der Mensch zieht sich zunächst einmal in sich zurück, weil innendrin Belastung ist und der Kontakt zur Umwelt nicht wie gewohnt aufrecht erhalten kann. Ein häufiger Ausdruck des sogenannten Regressionsverhalten ist nun kindliches Verhalten, wie das von Dir geschilderte Weinen bei der Ankündigung des Arztbesuches.

--> daran siehst Du einen ganz wesentlichen Lerninhalt für die Pflegenden von Angehörigen, nämlich daß man sich damit auseinandersetzen muß, daß die ältere, also vormals stärkere Generation schwach wird und hilflos wie ein Kind. Die Verhältnisse kehren sich auf diese Weise innerhalb der Familie was die Beziehung und die Verantwortungsgefühle der Generation zueinander betrifft quasi unumkehrbar um. Und das heißt auch immer: Abschied nehmen von einem Teil der Eltern und das Annehmen des Pflegebedürftigen, so wie er ist. (Das gibt einem dann die Distanz, die man braucht, um "es" auszuhalten.)

Liebe Grüße, vielleicht war etwas dabei,
Trixi Maus
 
Ich danke dir, Trixi Maus für den ausführlichen Beitrag.
Ich werde versuchen, daran zu denken und es umzusetzen.

lg, Diana
 
DU magst nicht wie sie jetzt ist. DAS ist das Problem.

>jetzt bist du geneigt an IHR herumzudoktern
Ich bin die meiste Zeit garnicht da. Ich wäre es aber gern.
Es sind die Menschen, die damit jeden Tag umgehen müssen, die mir eben auch Sorgen machen, da ich nicht weis, wie lange man das mitmachen kann ohne selbst daran zu verzweifeln.

lg, Diana
 
Danke dir, Eva, meinne Überlegungen gingen auch in die Richtung.
Doch bleibt immer noch die Frage, wie man damit umgehen soll als Familienmitglied.

lg, Diana

Für die Familienmitglieder sind erst mal ihre eigenen Gefühle und Grenzen wichtig. Dann kann jeder auf seine Weise etwas für sie tun - oder auch nicht.
Für die Angehörigen sind Gespräche mit erfahrenen Menschen (Altenpflege, Reha, Erfahrung in vergleichbaren Situationen) bestimmt hilfreich.
Jeder kann auf seine Weise dazu beitragen, dass die Familie als solche gut mit dieser Aufgabe fertig wird. Hast du ein schlechtes Gewissen, z.B. weil du nicht so viel tun kannst, wie du möchtest?
Ich habe selbst solche Erfahrungen nicht, arbeite aber mit einer Berufssupervisionsgruppe von Menschen, die mit Menschen arbeiten und kenne von daher diese innerliche Überforderung, die es immer wieder in ein gesundes Maß zu wandeln gilt.
Alles Gute für Euch,
Eva
 
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Danke dir, Eva.

Hast du ein schlechtes Gewissen, z.B. weil du nicht so viel tun kannst, wie du möchtest?
Bewusst nicht, aber ich denke unbewusst irgendwie schon.
Sie bedeutet mir viel und ich würde ihr gern etwas von der Liebe, die sie mir zuteil werden ließ, zurückgeben.

lg, Diana
 
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