spannendes thema, mina!
also zunächst mal ist fußball psychologisch in vielerlei hinsicht interessant. die zuschauer - vor allem die vielen männer auf der tribüne (oder auf der couch oder an der theke) dürfen endlich mal ihre gefühle rauslassen, was sonst ja "uncool" ist. und damit das noch leichter geht, entblättert nicht jeder einzeln sein seelenkostüm, sondern man
gibt seine individualität auf und integriert sich in einen der fan-blöcke, wo alle wie einer reagieren. muss ein albtraum sein, im falschen fanblock zu stehen und enthusiastisch aufzuspringen, wenn der ball ins gegnerische tor geht...
dann: feindschaften sind an sich kaum noch irgendwo erlaubt, es sei denn, george bush bekämpft das böse. im fußball gelten andere gesetze. da ist zwar viel tünche drüber wie sportlichkeit und fairness und so, aber tatsächlich wird gekämpft, mann gegen mann (oder frau gegen frau, wenigstens da sind die deutschen im fußball noch spitze, wenn man das so sagen kann... ball und spitze... aber das leder ist rund, sagte ja schon sepp herberger...). es gibt verletzte, blut, schweiß und tränen... und wir können's hautnah sehen, vom teleobjektiv bis in die details der schweißdrüsen unserer gladiatoren vergrößert. fußball ist auch (auch!) stellvertreterkrieg, den wir auf dem rasen austragen lassen und in dem wir selbst zu helden mutieren, wenn wir uns mit unseren idolen identifizieren. kinder machen das unbefangener, wenn sie die shirts ihrer favoriten tragen. erwachsene männer würden das wohl auch gerne tun... naja, vielleicht unter dem anzug!?
dann: all der frust, der sich im alltag angesammelt hat, all die aufgestaute wut kann sich beim fußball entladen. ein ventil für den aggressionsabbau. in den exzessen der hooligans ist das zugespitzt, aber generell gehören eriegnisse wie fußball einfach zu jenen "brot & spiele"-institutionen, von denen schon die alten römer wussten, dass es für die machthaber gesünder ist, das volk lässt dort dampf ab statt dass es seine wut dort ablädt, wo sie hingehört.
dann: im fußball ist jeder experte, weil ja eh nichts bewiesen werden kann. der trainer ist der allerletzte depp unter millionen von besserwissern, wenn's mal schief geht, und der guru, wenn das eigene team gewinnt. da werden ungefragt theorien aufgetischt, die mindestens so abstrus sind wie meine postings hier im forum, und im zweifelsfall ist da immer auch noch der schiedsrichter, der beschimpft werden kann (und so abgeschottet ist, dass er garantiert nie zurückschimpft).
dann: im fußball herrscht die illusion von gerechtigkeit. der bessere gewinnt. und wenn der gegner ein foul begeht, gibt es einen strafstoß, vielleicht sogar einen elfer. wenn das spiel unentschieden ausgeht... elferschießen. wo gibt es das im "wirklichen leben"? welcher referee schenkt uns einen elfmeter im job? wo entscheidet bei uns die elferlotterie an stelle von verwandtschaft, parteibuch oder brustumfang?
dann: es ist schon auch sport. freude am wettkampf. das marsische prinzip. lust an der bewegung, am sportlichen können, an der ästhetik trainierter körper, am zusammenspiel von teams...
dann: es ist ein riesengeschäft. die spitzenkicker werden gehandelt wie aktien, es sind millionen, wenn nicht milliarden euro unterwegs ... und in wirklichkeit agieren die showbewussten profis eh recht schaumgebremst... und beschränken sich auf eine ladung spucke statt auf einen uppercut. jeder ehrenamtliche sanitäter weiß, dass die wahre brutalität am spielfeld bei den hobbykickern am dorf-sportplatz stattfindet, nur sind dort weniger zuschauer.
esoterisch? also die zeitungen versteigen sich schon mal zu formulierungen wie "jetzt regiert wieder gott fußball". esoterisch würde mich interessieren, was die hellseher-fraktion vor und nach den spielen sagt (aber vermutlich sind die eh schon alle längst heimliche toto-millionäre). oder ob es sowas ähnliches wie die partnerzusammenführung gibt, einen zauber etwa, der zinedine zidane in der 91. minute zwei tore gegen erzfeind england schießen lässt. zinedine zidane... das klingt ja schon wie ein zauberspruch... und wenn der kopf schon glatt und rund wie der fußball ist... esoterisch?
ich hab mit anfänglicher freude in einer befragung in einer zeitung einen mann entdeckt, der sagte: "fußball-wm? keine ahnung... interessiert mich überhaupt nicht!" dankbar dafür, dass es sowas auch noch gibt, las ich weiter: "meine sportart ist das boxen!" ... that's life.
wenn ich das alles so revue passieren lasse... wir sollten mal kicken gehen, mina... was meinst du!?
alles liebe, jake