hallo ihr lieben!
@chrisi: spätestens seit wilhelm reich hat es in der psychotherapie immer wieder verfahren gegeben, in denen nicht nur "von kopf zu kopf" gearbeitet wurde, sondern auch symptome, beziehungen etc. "in den raum gestellt" wurden. besonders ausgeprägt sind in diesem umfeld das psychodrama (moreno) und die gestalttherapie (perls). dazu kommt eine ganze reihe von verfahren, die körpertherapeutische ansätze verfolgen (reich, owen), was in der einen oder anderen form auch immer wieder zu formen führt, die nach aufstellung aussehen. ich würde sogar so weit gehen, dinge wie zum beispiel kartenlegesysteme (tarot etc.) als eine esoterische form von aufstellungsarbeit zu betrachten (ist mir gerade so eingeschossen, den gedankengang muss ich weiterverfolgen... danke für den impuls!)
bert hellinger hat aus vielen dieser und ähnlicher wurzeln (vor allem auch virginia satir wäre hier noch zu erwähnen) seine methode des familienstellens (bzw. der phänomenologischen psychotherapie, wie er es selber auch nennt) entwickelt, andere wie matthias varga von kibed und insa sparrer haben die aufstellungsarbeit durch eine fülle weiterer formen ergänzt, die unter dem oberbegriff "systemische strukturaufstellungen" daherkommen. und kibed meint, dass wir uns angesichts der möglichkeiten, die solche verfahren noch bieten werden, gerade erst mal auf der stufe vom kindergarten zur volksschule befinden.
was das system anlangt, liebe chrisi, ist es eh in jeder form von therapeutischer arbeit enthalten. wir bewegen uns in ganzen zwiebelschichten von systemen (familie, beziehungen, beruf, gesellschaft, weltanschauungen etc.), und welche entwicklung wir auch gerade nehmen mögen, ob therapeutisch oder freundschaftlich oder wie auch immer begleitet oder mit uns allein, es ist immer vom kontext dieser systeme her mitbestimmt und wirkt sich auch auf diese aus.
die systemische betrachtungsweise geht nicht von klaren ursache-wirkung-zuschreibungen aus (die leicht dazu verführen, schuldige zu suchen oder schuldgefühle zu züchten), sondern vom vielseitig verwurzelten fließgleichgewicht unserer beziehungsnetzwerke. und so wie klassische psychotherapeuten versuchen, die unbewussten motive ihrer klienten aus der sprache ihrer träume oder aus interpretationen von wort- oder körpersprache zu beziehen, so gewinnen die systemiker ihre informationen aus dem, was sich in aufstellungen zeigt.
und wenn ich auch den begriff "direktaufstellung" noch nicht gehört habe, so ist zumindest das verfahren, das du beschreibst, chrisi, durchaus gebräuchlich. und ich stimme dir zu, dass es vor allem dann, wenn so etwas wie "soforthilfe" gefragt ist, gute dienste leistet. keinesfalls würde ich das als entweder-oder-frage sehen; es sind einfach zwei unterschiedliche dinge, und verantwortliche therapeuten werden je nach ihrem können und ihrer einschätzung der situation zum einen oder zum anderen greifen oder raten, und selbstverantwortliche klienten werden sich für das entscheiden, was ihnen am ehesten die erhofften ergebnisse verspricht.
@tink: was du beschreibst, ist eh eine ganz typische systemische strukturaufstellung. der unterschied zu einer familienaufstellung besteht darin, dass die zu findenden ankerpunkte im system nicht konkreten personen zugeschrieben werden, sondern es können symptome, gefühle, visionen, ziele, themen sein, alles mögliche. das nimmt oft den aufstellenden die scheu, die sie hätten, wenn sie intime dinge in den öffentlichen raum stellen müssten. und die aufstellenden wissen in aller regel eh ganz genau, welche wirklichkeitsbereiche bzw. systemischen anteile in positionen wie "sicherheit", "wurzeln" oder "lebensfreude" enthalten sind.
ich habe es schon einige male erlebt, dass auch solche verdeckte aufstellungen sich zu familienaufstellungen weiterentwickelt haben, wenn sich zum beispiel zeigte, dass es hilfreich wäre, etwa ein rückgaberitual durchzuführen, in dem ein klient lasten an jene stellen im system zurückgibt, die er für jemand anderen getragen hatte. ich kann nichts an "das, was mich blockiert" zurückgeben - da ist es dann wichtig, dass wirklich ins engere familien- und beziehungssystem hineingeschaut wird, aber das bedarf immer der vorherigen zustimmung des klienten, weil es sich um eine ausweitung des "behandlungsvertrages" handelt.
meine erfahrung zeigt, dass dann, wenn dinge wie "sicherheit", "wurzeln" und "lebensfreude" sich in einem ganz konkret geordneten system ankern dürfen, die lösungen noch deutlich tiefgreifender und nachhaltiger werden. aber nirgendwo steht geschrieben, dass es immer gleich ans eingemachte gehen muss, und vor allem ist es das recht und die kompetenz des klienten zu sagen: bis hierher und nicht weiter. ich meine nicht, dass therapeuten sich zu verführern aufschwingen sollten, die klienten in prozesse hineinlocken, die diese gar nicht anstreben. wenn jemand keine familienaufstellung will, ist das okay.
mich würde interessieren, tink: du schreibst, du kannst den schwindel sofort in den griff bekommen, wenn er sich wieder meldet. ist das deine vermutung, oder ist das eine erfahrung, die sich schon mehrfach bestätigt hat? und vor allem: wie groß ist denn dein wunsch, auf den schwindel einfach verzichten zu können?
alles liebe, jake