Wobei sich immer noch die Frage stellt, warum er sich in dieser Situation am
Kreuz auf den Psalm 22 bezieht, ja sogar die Worte aus den Schriften zitiert?
Nur weil diese Worte zufällig auf die Situation passen? Glaub ich nicht.
Was ist die Verbindung zwischen dem Psalm und der Kreuzigung?
Euer, das noch gerne vertiefen wollender, Ischariot
Ich nehme das einmal auf. Ein wenig aus vertiefender Perspektive - als weitere Option der Deutung - gefunden und beleuchtet.
Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?
Eli, Eli, lama asabtani.
Das Wort "Eli" ist eine Form des aramäischen Wortes alahi, das "Gott" bedeutet, wird mit `mein Gott` korrekt wiedergegeben.
Das Wort "lama" kommt so nicht an dieser Stelle vor, korrekt lautet es
lmana, setzt sich aus drei kleineren Komponenten zusammen
— la – ma – na, und könnte übersetzt werden mit "denn das ist wofür“, im Aramäischen nicht unbedingt eine Frage, die eine Antwort erwartet, sondern vielmehr ein Ausruf mit einer Erklärung, so etwa wie „zu diesem Zweck“, „aus diesem Grund“.
Das Wort "
asabtani" ist im aramäischen Text eigentlich das Wort
schabaktani, abgeleitet von dem Wort
schabak, was soviel bedeutet wie "erlassen, hinterlassen, aufbewahren, übriglassen, schonen, verlassen, vergeben, behalten“, erst einige Jahrhunderte später entwickelte sich die Bedeutung von verlassen.
Als Jesus in der entscheidenden Stunde am Kreuz hing, brachte er diese Worte hervor:
Eli, Eli, lmana schabaktani! Man könnte sie übersetzen mit: "Mein Gott, mein Gott [Eli, Eli], für diesen Zweck [lmana] hast Du mich aufgespart [schabaktani]!" "Mein Gott, mein Gott, für diesen Zweck wurde ich aufgespart bzw. geschont (aufbewahrt)."
Weiter geht es:
Lukas 23,46:
Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt hatte, verschied er.
Diese Worte sprach Jesus am Kreuz, nachdem Gott ihn angeblich schon verlassen hatte. Falls Jesus zunächst der Meinung war, dass Gott ihn tatsächlich verlassen hatte, würde es kaum einen Sinn ergeben, dass Jesus sich jetzt mit dieser Bitte an Gott wandte. In diesem Kontext ist es zumindest widersprüchlich bis zweifelhaft, ob Gott, der Vater ihn am Kreuz tatsächlich verlassen haben sollte.
Gleichfalls möchte ich noch die Möglichkeit zu bedenken geben, dass der formgebende Vater sich tatsächlich zurückzieht, um das Werk, das Große, zur Vollendung zu bringen. Der Mensch tut nichts aus sich heraus.
Denn:
Johannes 19,30
Die nächsten Worte, die Jesus danach von sich gab, waren: "Es ist vollbracht."
Was ist es denn, was vollbracht wurde?