Die Dinge nicht durchziehen

Lucille

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29. Januar 2006
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Hallo ihr Lieben,

ich mache mir Sorgen um meinen Sohn, bzw. um dessen sich ständig wiederholendes Verhaltensmuster.

Er führt so gut wie nichts zu Ende. Das heißt, er bringt sich immer wieder selbst um Selbstbestätigung und um Erfolgserlebnisse, die er aber ganz dringend bräuchte, um den Kreis zu durchbrechen.

Das Gym hat er abgebrochen, um zurück auf die Hauptschule zu gehen.

Die berufsbildende höhere Schule hat er zwar durchgezogen, ist aber dann nach zwei Anläufen bei der Matura selbst gescheitert. Seit dem ist sein Selbstwert am Boden.

Seinen Präsenzdienst hat er 2 Wochen (!!) vor Ablauf quittiert, was ihm natürlich eine entsprechend negative Beurteilung (auch seiner Persönlichkeit) einbrachte.

Einige Jobs schmeißt er schon während der Probezeit.

Er hat im Herbst einen Lehrgang begonnen. Jetzt hat er seine (immer schon latente) Angststörung ein derartiges Ausmaß angenommen, dass er sich selbst in Behandlung begeben hat. Auf der einen Seite natürlich gut – auf der anderen Seite wieder ein Abbruch des Lehrgangs. Teufelskreis.

Seine Versagensängste sind geradezu greifbar. Ich möchte mich nicht in sein Leben einmischen, andererseits möchte ich ihn aber in eine gute Richtung unterstützen.

Habt ihr Denkanregungen oder Sichtweisen zu dem geschilderten Verhalten?
Kennt das jemand aus eigener Erfahrung?

Danke im Voraus für eure Antworten.

Liebe Grüsse – eine ziemlich frustrierte
Lucille
 
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Hallo Lucille
Stell dir vor, daß es ein unsichtbares Band zwischen Mutter und Sohn gibt.
Alles, was du aussendest, kommt bei deinem Sohn an.
Was würdest du aussenden wollen? Frust? Enttäuschung?
Anders gefragt, müßte dein Sohn erst so oder so handeln, damit du zufrieden mit ihm sein kannst?
Wie sieht es derweil mit deinem eigenen Leben aus? Kannst du daraus Freude, Kraft und Mut schöpfen? Diese könntest du dann in stillen Gedanken an deinen Sohn weiterleiten.

LG*
 
Anders gefragt, müßte dein Sohn erst so oder so handeln, damit du zufrieden mit ihm sein kannst?

Hallo Freyr,

danke für deine Antwort.

Es wundert mich, dass mein Anliegen anscheinend so mißverständlch rübergekommen ist. Vielleicht war das Wort "frustriert" nicht optimal gewählt.

Es geht hier in keinster Weise um MICH und ob ICH mit ihm zufrieden bin. Keine Projektionen meinerseits, einfach das Bedürfnis, dass er keine Eigen-Enttäuschungen mehr in seinem Leben produziert!!

Ich wünsche ihm Durchhaltevermögen und Erfolgserlebnisse für sich selbst. IHM geht es schlecht und ich würde ihm einfach einen besseren Weg wünschen.

Sein ganzes Muster hat sicherlich eine tiefere Ursache, und diese versuche ich zu ergründen.

LG
Lucille
 
Hallo Lucille

Ja, "frustriert" ist etwas unglücklich gewählt gewesen ;)

Wie alt ist dein Sohn? Wenn er volljährig ist, sind deine Möglichkeiten ja leider begrenzt. Und selbst, wenn du sie heraus finden würdest- er müßte es ändern wollen.
Da wäre es schon förderlicher, er würde das hier oder woanders fragen- nämlich dann, wenn er darunter leidet.
Daß es für Eltern nicht leicht ist, die eigenen Kinder loszulassen, weiß ich. Jahrelang hat man sich nur mit ihnen beschäftigt. Dennoch kann ich dir genau dies an der Stelle nur empfehlen. Sei für ihn da, wenn er zu dir kommt.
Ansonsten muß er wohl- auch, wenns seltsam klingt- seine eigenen Fehler machen müssen.
Ich halte es trotzdem für sinnvoll, wenn du dich auf die positiven Seiten konzentrierst und ihn dafür lobst.
Kennst du Barbara Schönberger`s "Männer muß man loben"? Da ist schon was wahres dran, smile.

LG*
 
Hallo Lucille,

leicht hast du es nicht! :trost:

Was hat dein Sohn davon, wenn er nichts zu Ende führt?
Bemutterung durch Mama, Mitleid, im Mittelpunkt stehen, keine Verantwortung übernehmen müssen?
Es MUSS - zumindest in den Augen seines Unterbewußten - irgendeinen markanten Vorteil haben.
Woher kommen die Angststörungen?
 
Hallo, dazu fallen mir spontan ein paar Möglichkeiten ein:

Trotz?
Hat ihn mal jemand zu sehr eingepeitscht: Du bist nur "gut", wenn du straight bist und "leistest"? Das kann bei jungen Leuten (und wahrscheinlich nicht nur bei denen :)) zu Trotz und Resignation und einer Verweigerungshaltung führen.

Selbstsabotage?
Hat er "the fear of winning", vielleicht hat ihn mal jemand gemobbt nachdem er gute Leistung gebracht hat oder vielleicht Neidgefühle anderer, enger Bezugspersonen zu befürchten, die ihm die Freude verdorben haben, hat er eine negative Erwartungshaltung auf "Erfolg", sodass er ihn gleich im Keim erstickt?

Oder vielleicht hat er ganz einfach noch nicht das Berufsfeld gefunden, was ihm wirklich Freude macht. Was könnte ihm denn bei der Entscheidung helfen, vielleicht ein Coach, der darauf spezialisiert ist, ohne Leistungsdruck jemandes Potenziale aufzudecken? Vielleicht ist er kreuzunglücklich bei dem was er tut und kann in Wirklichkeit was ganz anderes, was noch keiner entdeckt hat?

Ich wünsch euch was
Liebe Grüße

Ach ja, wie alt ist denn dein Sohn?
 
Bei mir ist das auch so, ich beginne was, aber ich kann es nur zu ende bringen, wenn ich genug zeit habe, und nicht dauernd unterbrochen werde.
Bei mir in der arbeit ist es so ich bekommeeinen auftrag, aber anduernd kommen andere zu mir um ihre kurze arbeit zu erledigen oder ich bekomme wichtigere oder dringendere aufträge, und der vorige auftrag ist abgebrochen.
Man kann also gar nicht immer was zu ende führen, und zeit hat man auch nicht immer dazu.:confused:
 
Liebe Lucille,


ich kann dich gut verstehen und ich kann deine Sorge auch gut verstehen, weil es bei meiner Tochter ähnlich war.

Ich will hier aber nicht ihre Geschichte erzählen, sondern eher wie sie da rausgekommen ist.

Der Knackpunkt war, etwas zu finden, was sie auch machen wollte.

Was macht deinem Sohn den Spass - was möchte er machen, sodass es nicht immer nur drum geht, ES endlich zu schaffen - sondern dass es ihm soviel Spass macht, dass ES sozusagen von alleine rennt.

Meine Tochter liebte immer schon Bücher - heute macht sie eine Lehre als Buch- und Medienwirtschafterin. Da braucht sie nicht durchziehen, das geht einfach von allein.
Und siehe da, die Bestätigungen purzeln nur so :)

Vielleicht liegt sein Interesse einfach ganz woanders als in all den Dingen, die er bisher begonnen hat.

Jedenfalls kann ich dir nur raten, ihn immer wieder zu unterstützen, ihm Mut machen und ihn schätzen und achten so wie er ist.


Alles Liebe für euch
Mandy
 
Ich danke euch sehr für eure Antworten.


Hallo Freyr,

um nochmals auf deinen ersten Beitrag zurück zu kommen:
wenn ich das richtig interpretiere, dann hieße das ganz schlicht „geht’s der Mutter schlecht, dann geht es dem Sohn schlecht“. Und er KANN gar nicht anders als Misserfolge zu produzieren und Angstzustände zu haben.

Zu deinem zweiten Beitrag:
Mein Sohn ist 24. Wie gesagt, er hat sich jetzt selbst in Behandlung begeben, weil einfach der Leidensdruck zu groß ist. Natürlich bin ich für ihn da. Aber ich bin ein schlechte Ratgeberin, lediglich eine sehr gute „Versteherin“: weil ich diese tiefen Lebensängste von mir selbst gut kenne und ich ihm diese wohl auch vorgelebt habe, bin ich keine wirkliche Hilfe.

Ja, er hat viele positive Seiten, die ich ihm immer wieder vor Augen führe. Männer springen auf Lob an, da hast du recht. Aber er hat diesen so wichtigen „Lebens-Biߓ nicht, und alleine der würde ihn weiterbringen.

Je mehr ich darüber nachdenke, desto eher glaube ich, dass „frustriert“ doch die passende Wortwahl war …..


Liebe Handwerkprofi,

Was hat dein Sohn davon, wenn er nichts zu Ende führt?
Bemutterung durch Mama, Mitleid, im Mittelpunkt stehen, keine Verantwortung übernehmen müssen?
Es MUSS - zumindest in den Augen seines Unterbewußten - irgendeinen markanten Vorteil haben.

gute Fragen, die du da stellst.

Er hat zB immer Freundinnen, die das genaue Gegenteil von ihm sind:
zielstrebig, selbstbewusst. An die klammert er sich dann regelrecht. Sie, ihrerseits, entwickeln regelmäßig Beschützerinstinkte ihm gegenüber. Dennoch vermute ich, dass sie ihn nicht wirklich achten.

Für seine Angststörungen fühle ich mich verantwortlich. Ich denke, er trägt da unbewusst etwas mit mir. Aber innerlich appelliere ich an ihn, es eben anders zu machen (anders zu sein) als ich, damit es ihm besser geht als mir.


Hallo Fedelta,

wichtige Ansätze, von denen du schreibst.

der „Trotz“ und die „Selbstsabotage“ – beides, was du da ansprichst, könnte zutreffen. Mein Sohn ist in einem elterlichen Umfeld aufgewachsen, das von extremen Polaritäten gekennzeichnet war: beide Elternteile, würde ich sagen, mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung.

Der Vater: selbst Neigung zur Grandiosität. Er hat seinen Sohn stets über seine Leistung definiert. „Versagen“ hatte da keinen Platz. Das fing schon im Kindesalter an, als er mit ihm angeln ging. Nur ein großer Fisch war ein guter Fisch …
Ich erinnere mich an eine Situation am Frühstückstisch: wegen einer bevorstehenden Klassenwiederholung sagte sein Vater zu ihm: „Du bist ein Nichts, ein absolutes Nichts“. Er war damals schon 18, saß da und weinte wie ein Schlosshund, und das vor den Augen seiner beiden kleinen Schwestern. Wenn ich daran zurückdenke, dann weine ich heute noch über diese Demütigung, die ich fühlte, als sei es meine eigene.

Auf der anderen Seite ich, die Mutter, mit ebenso einer narzisstischen Störung, jedoch genau in die gegenteilige Richtung. Mein größtes Handicap als Mutter war ein sehr schwaches Selbstwertgefühl. Meine verbalen Botschaften waren „stark“, aber standen im Widerspruch zu meinem Verhalten.
Ich denke, mein Sohn konnte sich an mir nie wirklich orientieren.

Unsere Familie war nach außen harmonisch, die Atmosphäre innen war jedoch stets angespannt, unklar und verunsichernd.

Meine eigenen Gedanken erschrecken mich jetzt selbst.


Liebe Mandy,

es geht meinem Sohn wohl ähnlich wie deiner Tochter (schön, dass sie fündig geworden ist!). Genau das, was du beschreibst, das wünsche ich mir für ihn.

Den eigenen Weg, die eigenen Neigungen finden.
Das klingt so banal, gehört aber zum Schwersten überhaupt.

Dennoch, ich gebe es ehrlich zu: es macht mich auch im Nachhinein schon wütend, wenn ich daran denke, dass er alle Voraussetzungen hatte und sie so unausreichend genutzt hat. Ich hatte nicht selten einen Zorn auf ihn, wenn ich sah, dass er am Wochenende Tag und Nacht vor dem Computer verbracht hat, statt zu lernen. Letzteres wäre angesagt gewesen. Ich fühlte mich immer so hilflos.

Und irgendwie auch schuldig. Aber das hilft nicht weiter, am wenigsten ihm, ich weiß das.

Sorry, das ist jetzt lang geworden. Aber die ganze Situation belastet sehr, und ich würde für meinen Sohn gerne etwas Konstruktives bewirken.

Ich danke euch für’s Lesen.

Nachdenkliche Grüße,
Lucille
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Liebe Lucille,
ich höre da so ein Verlangen heraus, Deinem Sohn zu helfen.
Hm...er kann sich nur selber helfen und Du ihn nur in Liebe begleiten.
Er hat den ersten Schritt gemacht...er hat erkannt und Hilfe gesucht.
Versuche nicht für ihn zu denken und zu handeln...sei nur da und höre ihm zu ohne Ratschläge zu geben ohne ihn zu beurteilen...er wird selber das finden was zu ihm paßt.
Sei in Liebe da und ohne Erwartung an ihn.
Ich schreibe das hier sehr gelassen, doch mein Herz ist schwer, denn ich weis um den Weg.
Ich sitze hier an der Stelle Deines Sohnes denn mein Weg ist so ähnlich wie der Deines Sohnes gewesen und nun ich sitze hier an der Stelle von Dir, denn mein Sohn ist am Anfang des Weges.
Ich wünsche Dir so viel Kraft und Liebe für Euren Weg,
Lamat
 
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