(...) Ich betrachte dieses Ziel, wie die meisten Menschen, nicht als erstrebenswert. Was feststeht, danach braucht man nicht zu streben, Dennoch ist es Ziel, Endziel sogar und macht das Leben und jedes noch so kleine Projekt zu einer hohen Kunst - sofern es kreativ und nicht destruktiv ist. Destruktive Akte sind keine Kunst sondern im Grunde ein Vorgriff auf das Endziel und drücken eine Ablehnung des Lebens aus.
Was für viele eine Selbstverständlichkeit ist, war für mich ein mühsamer Akt des Begreifens, denn ich darf auf ein Leben voll destruktiver Werke zurück blicken.
Aber nicht nur mir gehts so, Destruktivität ist auch im großen Stil allgegenwärtig und oft verborgen hinter scheinbarem Schaffen. So kommt es mir zumindest manchmal vor und manchmal hab ich den Verdacht, hinter manch fortschrittlichem Treiben steckt nichts als die nackte Angst vor dem ultimativen Endziel.
Ich schreib das nur aus einer dunklen Ahnung heraus und habe keinen rechten Überblick mehr, brauche eine Liste, eine Liste mit unsinnigen, lebensfeindlichen, Mensch, Tier und Natur verachtenden Projekten. Schon allein, um mir bewusst zu werden, wo ich persönlich überall mit drinnen häng.
Hallo LoneWolf,
ich finde es echt gut, daß du so über das Thema Tod reflektierst und es ehrlich ansprichst.
Leben und Tod umgibt uns ständig, auch wenn wir das gar nicht so bewußt wahrnehmen. Wenn wir z.B. etwas essen, zerstören wir die ursprüngliche Form dessen, was wir zu uns nehmen: Ein Apfel wird gekaut und verschluckt - auf der materiellen Ebene ist er somit zerstört, doch diente er jetzt meinem Leben und gibt mir Kraft.
Jeder Atemzug holt Sauerstoff in meinen Körper und verwandelt ihn (er stirbt sozusagen) und wir erhalten so Lebenkraft. Jeden Abend, wenn wir schlafen gehen, stirbt ein gelebter oder weniger gelebter Tag und vergeht, so wie jeder Augenblick vergeht - ein ständiger Wandel von einem Moment zum anderen. So ist das Leben - ein Kommen und Gehen, ein Wachsen und wieder Zerstören - jeder Herbst und Winter ist die Voraussetzung, daß ein neuer Frühling uns Sommer kommen kann - in der Dualität kann das eine nicht ohne das andere.
Wir wurden in eine materielle Welt hineingeboren und können uns nicht daran erinnern, was vielleicht davor war oder was danach kommt. Wer sich nur an das Sichtbare klammert und das "große Ganze", den ständige Wandel im ganz Kleinen wie im ganz Großen kaum wahrnimmt, der lebt vor allem in ständiger Furcht vor dem Tode, da so ja das mit allen Sinnen erfahrene ausgelöscht wird.
Nun kommt fast jeder Mensch in seinem Leben früher oder später an einen Punkt, an dem er sich fragt, ob das wirklich alles ist und vor allem, welchen Sinn so ein Geboren werden und Sterben hat. Oft sind es persönliche Grenzerlebnisse in Form von Krankheit, Konflikten oder unerklärlichen Ängsten und Depressionen, die die bislang erlebte materielle Sicherheit ins Wanken bringt und man wird so noch stärker vom Leben "aufgefordert", über alles nachzudenken und nachzuspüren. Religion, Spiritualität, Sinnsuche, Austausch mit "Leidensgenossen" oder ähnlich denkenden Menschen helfen einem dabei, sich ernsthaft über das Leben Gedanken zu machen und auch seiner in einem selbst liegenden "Weisheit" und Wahrheit näher zu kommen. Manche Menschen machen eine Nahtoderfahrung und kommen danach wie verwandelt ins Leben zurück und wissen jetzt, daß der "Tod" so nicht existent ist, man also zwar körperlich zerfallen mag, aber der "Geist", der eigentliche Wesenskern eines jeden Menschen nicht stirbt.
Andere Menschen machen tiefe sprituelle Erfahrungen in Meditation oder einfach nur zur Ruhe kommend und spüren, daß es mehr gibt als man im Alltag normalerweise wahrnimmt. Sie spüren, daß die eigentliche Verbindung zum Leben, das Ur-Vertrauen und die Liebe zum Leben gerade dann wahrgenommen wird, wenn man sich ein Stück von allen Konflikten und Verhaftungen ans Materielle loslöst. Wenn man das Kämpfen um Anerkennung oder Macht, Status oder Leistung aufgibt und jeden Augenblick des Lebens annehmen kann, ohne ihn ständig zu bewerten.
Man löst sich so etwas vom "Kopf-Denken" und geht ins "Herz-Fühlen" und spürt sich selbst und seine innere Mitte wieder. Aus diesem Gefühl heraus, das man nach und nach in Ruhe entwickeln lernen kann, spürt man auch, daß das Leben selbst zwar ständig im Wandel ist, doch es etwas gibt, das immer da ist und sich nicht verändert. So wie wir als Kind die Welt wahrgenommen haben, so haben wir in verwandelter Form auch als Jugendlicher und Erwachsener die Welt erfahren - stets war etwas in uns, das diese Erfahrungen gemacht hat, wir selbst sozusagen. Dieses "Selbst" war schon immer da und wird auch bis zum letzten Atemzug (und womöglich darüber hinaus) da sein.
Je tiefer wir uns mit uns selbst verbinden, desto mehr spüren wir, daß jeder Mensch "dieses Selbst" in sich trägt und wir spüren dann auch, daß alles Unglück, Angst, Verzweiflung, Destruktivität uvm. nur deshalb so schmerzvoll erlebt wird, weil wir in diesen Zuständen die innere Verbindung mit unserem "höheren" Selbst vergessen haben - wir handeln wieder rein menschlich, sind schnell verletzt, nachtragend, manchmal sogar boshaft und kämpfen vor allem um unseren eigenen Vorteil.
Dieser Kampf kostet jedoch viel Kraft und es kommt auch wieder eine Zeit, in der mir die Kraft ausgeht und ich krank werde oder bei menschlichen Konflikten vereinsame. So werde ich irgendwann wieder nur "auf mich selbst" zurückgeworfen und kann mit dieser Situation hadern oder sie annehmen. Entscheide ich mich fürs Annehmen, komme ich augenblicklich in einen Zustand der Ruhe und des Friedens. Mir wird plötzlich wieder bewußt, daß es eigentlich mein starrer Wille war, mein Eigensinn, der vieles Destruktive in der Außenwelt verursacht hat und ich so Unglück bei mir und anderen erfahren und erzeugt habe. So kann es über Jahre und Jahrzehnte (evtl. sogar mehere Leben) lang gehen, bis ich aus all den Tiefschlägen aber auch sehr glücklichen Momenten vieles lerne und mit der Zeit mehr und mehr das Leben selbst verstehe. Handle und denke ich vor allem eigensinnig und destruktiv, handle sich stets auch gegen mich selbst (da das "Selbst" in jedem Menschen auf höherer Ebene "eins" ist - wir auf Seelenebene somit alle in der Einheit leben), nur vergesse ich das natürlich, da ich ja in der Materie nur das sehe, was mir die materiellen Sinne zeigen können.
Bin ich jedoch mit der Zeit innerlich gereift, habe evtl. tiefere Erfahrungen in Meditation oder anderen "Einheitserlebnissen" gemacht, die sich in mir so geprägt haben, daß die Ursehnsucht danach seit dem mein Leben prägt, dann zieht es mich wie von selbst z.B. zu Büchern hin, die andere Menschen geschrieben haben, um von ihren Erlebnissen zu berichten oder bereits einen Stück weiter den inneren Weg gegangen sind und mir somit Tipps und Weisheiten geben können, dich in mir selbst auch als wahr spüre und das jetzt nicht mehr nur "logisch" nachvollziehen muß, um es zu "wissen".
Das Verstandesdenken macht jetzt dem "Herzenswissen" Platz - jetzt stellt sich mir das Leben in all seinen Erscheinungsformen plötzlich als unbeschreibliches Abenteuer vor - ein Abenteuer für jeden, der daran automatisch teilnimmt und das eigentlich nur ein Ziel hat: die Entwicklung von der Isolation und Abspaltung hin zur Einheit, zur seelisch-geistigen Rückverbindung mit dem "eigentlichen", "unvergänglichem", das was man Gott, Lebensgeist oder "höheres Selbst" bezeichnen mag, was jedoch nie in menschliche Denk- oder Erklärungsformen gepresst werden kann.
Das Leben bekommt so auch einen ganz neuen Sinn: ich weiß jetzt, daß all mein Kampf mit mir selbst und allen Mitmenschen aus der Trennung resultiert - ich aber gerade deshalb hier in der Trennung lernen darf, daß wachsendes Vertrauen, Ruhe, Liebe und Verständnis der anderen, die genauso herumirren, der richtige Weg ist, um mit mir selbst wieder Frieden, Freude und Lebenslust zu finden und diese dann auch an andere weitergeben kann.
So suche ich jetzt in erster Linie die Verbindung mit mir selbst und den inneren Weg und gehe dann erst wieder auf andere Menschen neu zu, um diese innere Harmonie anderen zu schenken. Ohne Absicht, den anderen verändern zu wollen, da diese von vornherein aussichtslos ist, denn der andere kann sich nur selbst verändern, so wie wir es auch nur für uns und mit uns selbst tun können. Daraus resultiert auch ehe Freiheit und Raum für mich selbst und anderen, so zu sein, wie sie gerade sind. (der eine lebt noch mehr in Konflikten, ein zweiter dafür schon sehr harmonisch - ICH muß das nicht verändern wollen, da ich weiß, daß jeder genug Zeit hat, von selbst seinen Weg zu finden). Aus dieser Freiheit bekomme ich auch wieder mehr spontane Lebensfreude, da sich das Leben jetzt wieder richtig anfühlt, ohne Zwänge, Anhaftungen, Erwartungen, was alles die eigene Kraft und die Kraft der anderen eher unterdrückt.
So kann daraus das spontane, freudige Leben sich entfalten, meine Angst vor dem Tod, der vor allem die Angst ist, das Materiell erlebte zu verlieren, weicht einem Urvertrauen ins Leben und dem inneren Wissen, "das Selbst" ist immer da und in seiner Form auch unsterblich. So wie ich heute Abend vertrauensvoll ins Bett lege und einschlafe, so erwache ich morgen erneut - der Schlaf als kleiner Tod kann Lehrer für den großen Tod sein. Der Schlaf ist jedoch nicht das eigentliche Ziel sondern er soll mir neue Kraft fürs nächste Leben geben, für ein besseres Morgen, in dem ich wieder all die Chancen habe, die ich heute schon hatte - nur konnte ich das Leben noch nicht so leben, wie die innere Sehnsucht eigentlich ist. Daher gibt es viele, unendliche Momente sich weiterzuentwickeln und das mach das Leben sinnvoll.