Hallo,
gestern in Club2 erzählte, bevor die eigentliche Diskussion zum Thema Anschluß gestartet ist, eine Zeugin von der Zeit um 1938. Diese Frau schilderte die Stimmung, die damals herrschte, von der Massenarbeitslosigkeit mit Aussteuerung und Armut, die wir uns kaum vorstellen können, geprägt. Authentisch und plastisch sprach sie davon, welche Bedeutung der Lehrplatz, den sie zugesagt bekam, für sie hatte. Die Möglichkeit, etwas zu verdienen, Aussicht auf einen Beruf, Freude, sich ein paar Strümpfe kaufen zu können. Glückseligkeit nannte sie ihren Zustand, in dem sie damals schwebte, nach Jahren der Hoffnungslosigkeit. Wiederholte mehrmals dieses Wort und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Nach dem Anschluß bekam ihr, seit Jahren arbeitsloser, Vater Arbeit beim Bau der Autobahn. Niemand dachte daran, wußte es nicht, daß die Autobahn gebaut wird, um Panzer zu befördern.
Aus ihrer Glückseligkeit wurde sie jäh herausgerissen. Eines Tages sah sie bei einem Park einen Menschenauflauf. Sie ging hin, sah SA-Uniformen, die Menschen anpöbelten, die auf den Knien hockend mit Zahnbürsten den Boden putzten. Sie erkannte den Arzt, der ihr einmal das Leben gerettet hat. Sie hatte hohes Fieber, ihre Eltern sagten, sie können das Honorar nicht bezahlen. Der Arzt meinte, wenn es geht, dann zahlen sie ihm zurück und behandelte sie, das Kind.
Wir sehen, was die Ursache für Machtübernahme von Hitler bedingte, es war die Hoffnung auf Fleisch am Sonntag und Ende mit dem Vegetieren. Leben konnte man es kaum nennen. Existenzielle Grundsicherung. Kein Luxus, lediglich Prinzip Hoffnung.
Heute stört uns, daß die Menschen, die wir ins Land geholt haben, um die niedrigsten Tätigkeiten zu verrichten, ein Teil unserer Gesellschaft sind. Wir neiden ihnen, daß sie weiterhin schwerste und dreckigste Arbeit tun dürfen, und wir unseren sauberen, gut bezahlten Arbeitsplatz durch Globalisierungsmaßnahmen verlieren. Politiker aus extrem rechtem Lager benützen sie, um die Wahlen zu bestreiten, halten Hetztiraden, reden uns ein, sie seien an allem schuld, was uns nicht paßt.
Und man hört wieder, hinter der vorgehaltenen Hand, Gemurmel, die Juden, die können sich richten, und eigentlich sind sie an allem schuld.