Demokratie - wie können wir sie stärken?

Laguz

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wo sich Fuchs und Hase eine gute Nacht wünschen
Hallo zusammen,
eben hörte ich ein sehr gutes Interview mit Marina Weisband, das nachdenklich macht.
Aus meiner Sicht gehört sie zu den klügsten Köpfen Deutschlands.

Sie fragt: „Wie kommen wir aus diesem Steinzeitdenken raus?“

Und meint:
„Man sollte nicht mehr soviel über die AfD reden. Man sollte nicht mehr soviel über Nazis reden.
Man sollte viel mehr darüber reden: In was für einer Gesellschaft wollen wir Demokratinnen und Demokraten eigentlich leben?
Und wir sollten uns klar werden: Morgen muss nicht so werden wie heute. Ich kann morgen aufwachen und etwas völlig Neues tun. ...“

Sie appelliert an uns, in die Verantwortung zu gehen, selbst demokratische Strukturen im Kleinen zu schaffen.
Das sei eine der wichtigsten Möglichkeiten für die Demokratiebildung und für ihren Erhalt ...


Das Interview führte Yasmine M'Barek.

Ich wünsche viele erhellende Momente ...

❤️liche Grüße, Laguz
 
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Demokratie - wie können wir sie stärken?

Ich würde hier, zumindest in Anteilen, des sog. "Thing" empfehlen:

Solche Versammlungen wurden aber noch viel früher von den Griechen eröffnet und regelmäßig durchgeführt.

Praktisch der "Urschleim der Demokratie".

Der Sinn dahinter ist, grob gesagt, das in einem offenen Diskurs, der weit über "die Tage der offenen Tür"
in Sachen z.B. deutscher Politik, hinausgeht, dikutiert wird. Weil ein jeder, ein Jeder aus jeder Volksgruppe
gehört und mit dem, egal welchem Stande er angehört, ein offener Diskurs über
"welches Problem auch immer" geführt wird.

Und alle werden an/gehört. Von den Ärmsten, über die Bürger, Handwerker, Kaufleute, jegliche Stände,
bis zu den Reichsten und Mächtigsten, gleichberechtigt, eine Diskussion über "egal was" geführt wird, und,
während der eine das Wort hat, halten alle anderen die Klappe und hören zu, bis der Redner fertig hat.
Dann folgt die Diskussion genau darüber, was der letzte Redner gesagt hat. Danach werden Beschlüsse,
ohne Umschweife, nach dem Abstimmungsprinzip verabschiedet und später auch durchgesetzt.

Die Griechen gelten hier eh' als Vorreiter der Demokratie. Aber leider ist es in der Realität "hüben wie drüben"
nur die "real existierende Demokatrie", so wie es damals in der DDR nur der "real existierende Sozialismus" war.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo @Laguz,

danke für dieses Thema.

Es ist gut darüber zu sprechen. Die Frage wie wir die Demokratie stärken können lässt sich in der Theorie leicht beantworten.
Ich finde die dazugehörige Praxis viel schwerer.

Unsere Demokratie ist so aufgebaut, dass durch Parteien und Wählergemeinschaften zu den jeweiligen Wahlen Kandidierende sich dem Votum innerhalb ihrer Partei stellen. Dabei bewerben sie sich darum als Kandidierende für ihre Partei in einem bestimmten Wahlkreis auf dem Wahlzettel zu stehen. Wenn sie also diese Nominierung gewonnen haben, treten sie für die jeweilige Partei bei der Wahl an ( vorausgesetzt sie wurden beim zuständigen Wahlleitenden korrekt angemeldet).

Soweit die Theorie. Nun die Praxis. 1960 waren ca 4 % der deutschen Bevölkerung in demokratischen Parteien organisiert und aktiv .
2021 waren es in demokratischen Parteien (also ohne Nazis) unter 1,9%.
Tendenz weiter schwindend.

Ich habe glaube ich schon öfter darüber geschrieben, aber es ist leider so.
Unsere Demokratie überaltert, zumindest in den Bereichen die ehrenamtlich erfolgen.
Wenn Marina Weisband sich also äußert und Du liebe @Laguz zu nachfolgendendem Bericht kommst.
Sie appelliert an uns, in die Verantwortung zu gehen, selbst demokratische Strukturen im Kleinen zu schaffen.
Das sei eine der wichtigsten Möglichkeiten für die Demokratiebildung und für ihren Erhalt ...

.... dann spricht sie genau diese Problematik an.

Unsere Demokratie braucht aus allen Altersgruppen, Berufen, Geschlechtern etc Menschen die sich aktiv darin einsetzen.
Derzeit ist es nämlich leider so, dass die Gemeinde- und Kreisräte, Bürgerschaften, Senat oder wie immer das Gemium heißt, mit einem zu hohem Anteil mit Menschen besetzt ist, die nur deshalb noch für ihre Parteien und Wählergruppen aktiv sind weil kein Nachwuchs da ist.
Da sitzen teilweise 70,80 Jährige, weil es keine jüngeren Leute gibt, die in dieser Gemeinde politisch aktiv sind. Sprich zu Partei-, Ausschuss- und Fraktionssitzung gehen und das freiwillig und nur gegen sehr geringe Kostenerstattung.

Jetzt gibt es sicher Leute, die mit den aktuellen Parteien erstmal nur das definieren was über Landes- und Bundespolitik berichtet wird.

Das ist allerdings nur der fraktionelle Teil, der jeweiligen Parteien...also die die gewählt wurden. Was die tun oder nicht tun sollen bekommen diese Menschen durch ihre Partei aufgetragen. Das bedeutet, alle wahlberechtigten Menschen in Deutschland haben die Möglichkeit aktiv Politik zu gestalten und sich einzubringen sofern, sie sich in den gegenwärtigen Parteien und Wählergemeinschaften engagieren.

Jetzt kann man natürlich sagen, die jetzige Parteienlandschaft finde ich total doof und damit kann ich nix anfangen. Um dennoch aktiv zu werden könnte man sich Mitspieler und Mitspielerinnen suchen und ne neue Partei gründen.

Da frag ich mich allerdings wie viele Miniparteien wollen wir noch gründen, die dann im Zweifel an der 5% Hürde scheitern.

Oder man erkennt, dass Demokratie von Solidarität vom wir und vom Konsens lebt und sucht sich eine Partei raus, die es schon lange gibt und mit der man sich am ehesten einverstanden zeigen kann. Dort kann man mit weiteren Gleichgesinnten die Themen vorantreiben, die einem Wichtig sind.

Wenn man nicht weiß, wo man sich wirklich einsortieren kann...jede Partei oder Wählergemeinschaft freut sich über Menschen mit Interesse.

...also einfach mal hingehen.
Die Kontaktdaten hat die Gemeindeverwaltung oder das Internetz...

Liebe Grüße
Fluse
 
Ich mache das mal generell:

Demokratie ist, dass die Bevölkerung in der Lage ist ihre Repräsentanten (ins Parlament, oder in die Regierung usw.) zu wählen.

Es ist NICHT die Übereinstimmung der politischen Entscheidungen im Staate mit den politischen Idealen, die man selbst für großartig hält. :p

Nichtdemokratische Parteien und Gruppen sind die, die verhindern wollen, dass der eigentliche politische Wille in der Bevölkerung repräsentiert wird. Das kann entweder dadurch der Fall sein, dass man Parteien verbieten will, dass man verhindert, dass Leute wählen können (was letztlich in der schlimmsten Form beinhaltet, dass sie getötet werden, aber kann auch dadurch passieren, dass Wahlrecht entzogen wird usw.), oder aber dadurch, dass Medien und Presse kontrolliert und manipuliert werden.

Insofern ist es also antidemokratisch, wenn passives oder aktives Wahlrecht eingeschränkt werden, oder wenn indoktriniert wird.

Klingt simpel genug, ist es natürlich nicht.
Denn logischerweise könnte das Ziel einer Partei sein, andere bis alle Parteien abzuschaffen, Leute an der Wahl zu hindern und/oder ihre Konkurrenten durch Indoktrination und Verbote zu behindern. Im Zweifel könnte man also dafür argumentieren, dass Demokratie dadurch geschützt wird, dass sie eingeschränkt wird. Aber kann auch missbraucht werden logischerweise, und die Antidemokraten sind genau die andere Gruppe. Und siehe auch die 5% Hürde zum Beispiel.
Aktives Wahlrecht wird de facto ja auch eingeschränkt, und man könnte zum Beispiel dafür argumentieren, dass jüngere Leute wählen dürfen.
Pressefreiheit und Manipulation/Hetze durch Medien, das könnte auch miteinander kollidieren. Einer hält etwas für Manipulation/Hetze, der andere hält das mögliche Verbot dieser vermeintlichen Manipulation für Medienkontrolle.

Von diesen Punkten abgesehen wird es gerade undemokratisch, wenn man versucht die eigene gewünschte Gesellschaftsform mit "Demokratie" zu identifizieren. Man versucht damit den Willen des Volkes zu negieren. Ihr habt falsch/undemokratisch gewählt, versucht es bitte wieder. Bei den Briten und dem EU-Austritt lief es zum Beispiel in die Richtung, und ich war nicht für den Brexit, aber kein Fan dieser Diskussion.

Schließlich ist Demokratie deshalb die beste Staatsform, weil Menschen ziemlich "schlecht" (Ethik ist aus meiner Sicht subjektiv, aber lasse es mal so stehen) sind, und machtinteressierte bis machtgeile Menschen tendenziell wohl noch "schlechter". Dazu ist Macht wohl auch noch korrumpierend, und die beste Möglichkeit das alles einzudämmen ist sie zu verteilen auf viele Schultern, ohne dabei komplettes Chaos zu verursachen (repräsentative Demokratie).

Perfekt ist es deshalb nicht, und die Mehrheit ist nicht notwendig schlauer als wenige Intelligente (siehe Philosophenstaat Platons), aber letztere werden immer ihren eigenen Vorteil sehen (und wenn nicht sofort, werden diese Strukturen letztlich dazu führen, dass deren Nachfolger es ausnutzen). Auch kann die Minderheit blöd da stehen, und auch wenn ich oben ja angeführt habe, dass ich es für antidemokratisch halte, wenn die Mehrheit zum Beispiel dafür abstimmt, der Minderheit das Wahlrecht zu entziehen, ist das auch sonst keine perfekte Lösung. Minderheit hat immer irgendwo Pech gehabt, aber gute (wirkliche) Demokratien sollten kein "Winner takes it all" System nutzen. Letztlich aber kann es zum Problem werden, wenn eine Gesellschaft wirklich polarisiert ist.

Ok, Demokratie ist nicht perfekt, aber das beste was es gibt wohl. Sehe keine andere Option.
 
Sie fragt: „Wie kommen wir aus diesem Steinzeitdenken raus?“

Und meint:
„Man sollte nicht mehr soviel über die AfD reden. Man sollte nicht mehr soviel über Nazis reden.
Man sollte viel mehr darüber reden: In was für einer Gesellschaft wollen wir Demokratinnen und Demokraten eigentlich leben?
Und wir sollten uns klar werden: Morgen muss nicht so werden wie heute. Ich kann morgen aufwachen und etwas völlig Neues tun. ...“

Sie appelliert an uns, in die Verantwortung zu gehen, selbst demokratische Strukturen im Kleinen zu schaffen.
Das sei eine der wichtigsten Möglichkeiten für die Demokratiebildung und für ihren Erhalt ...
Ich finde diese Sätze sehr phrasenhaft. Natürlich kann ich die Wörter "AfD" und "Nazis" weglassen, wenn ich sage, in welcher Demokratie ich leben möchte. Allerdings würde durch meine Worte trotzdem deutlich, was in der Gesellschat die ich mir wünsche, nicht vertreten ist.

Und nein: Ich kann morgen nicht aufwachen und etwas "völlig Neues tun". Auch ihren Appell demokratische Strukturen im Kleinen zu schaffen verstehe ich in diesem Zusammenhang nicht.
 
Um mal von den braunen Parteien, die aus einer Demokratie ohnehin irgendwann eine Diktatur machen (wollen) kurz wegzukommen: Ich finde, dass wir die Demokratie nur stärken können, wenn die Menschen wieder zufrieden sind.

So sieht es jetzt aus: die Lebensmittel sind zu teuer, die Stromkosten zu hoch und die Politik schreibt dann auch noch vor, möglichst nachhaltig zu heizen. Die Löhne sind zu niedrig, das sogenannte Bürgergeld nur eine Umbenennung von Hartz 4 und das Gesundheitssystem hat sich in den letzten drei Jahren dank der stets verlängerten Corona - Verordnungen finanziell heillos verausgabt. Das alles hat unsere Gesellschaft extrem unzufrieden gemacht. So unzufrieden, dass sie aus Trotz nicht oder braun/ blau wählen geht.

Da sollten wir hinkommen: um Menschen zufrieden zu machen und ihre Alltagssorgen zu lindern, brauchen wir ein bedingungsloses Grundeinkommen. Wenn sich jede Person wieder Lebensmittel leisten kann - selbst in der dritten und vierten Monatswoche - und keine Angst mehr davor haben muss, dass der Strom/ das Gas abgestellt wird oder die Ärmsten der Armen sanktioniert werden, dann kehrt Zufriedenheit zurück. Und zufriedene Menschen möchten sich für den Erhalt der Demokratie und für andere Menschen einsetzen.

Natürlich spielen da noch viel mehr Faktoren mit rein, aber grundsätzlich benötigen wir wieder finanzielle Sicherheit, nur darüber können wir die Demokratie stärken. Denn so wie es jetzt läuft, denkt jeder Mensch nur an sich und das eigene Überleben - und ist dafür anfällig für Versprechungen von Demokratiefeinden. Zufriedene Menschen= Erhalt der Demokratie. So sehe ich das.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Marina Weisband
(das Video hat ein Transkript, kann durchgescrollt werden)

Sie thematisiert auch das Macht-Ohnmachtsthema _ Staat Bürger

*Demokratie funktioniert über die Beteiligung aller, erfordert immer Kompromissbereitschaft,
ich habe das Gefühl, dass dies nicht mehr gesehen wird* Min. 16:04 ff

Die direkte Demokratie der Schweiz als Vorbild... nun ja, die hat auch massive Nachteile
Bürger/inneräte einführen a la Irland

Und nein: Ich kann morgen nicht aufwachen und etwas "völlig Neues tun".

Sie bezog sich auf eine Verhinderung die #fckafd Min. 32.58 ff


Auch ihren Appell demokratische Strukturen im Kleinen zu schaffen verstehe ich in diesem Zusammenhang nicht.

Demokratische Strukturen im Kleinen schaffen - ..wie ich lese, spricht sie von Kommunen, Vereinen, Nachbarschaft.
Anderen u.a. meine Hilfe anbieten. Min. 26:39 fff

Und ich hörte erstmalig vom Ausdruck "Labeling Effekt"
 
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Ja. Aber es geht über nichts hinaus, was ohnehin bekannt ist. Es ist für mich kein Erkenntnisgewinn, dass es zu einem guten Miteinander gehört, vielleicht der Nachbarin die Einkaufstasche zu tragen. Dass schwarze Pädagogik kontraproduktiv ist, war mir ebenfalls bekannt. Erhellend fand ich keine Aussage der Dame.
 
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