Einfach Mensch
Sehr aktives Mitglied
Im Jahr 2000 wollte ich erproben, ob ich auch unter Druck schreiben kann. Also nahm ich mir vor, jede Woche zwei Satiren über aktuelle Ereignisse zu schreiben. Die Texte erschienen dann im Internet.
Bei den Personen handelt es sich um Menschen, die damals im Gespräch waren. So steht Helmut für Helmut Kohl, Alfred für Alfred Biolek und so weiter.
Stell mal die erste Satire hier rein. Hat einen so schönen Bezug zu den grassierenden Prophezeiungen.
Anfang
1. Januar
Klar war uns prophezeit worden, dass das alte Jahrtausend überhaupt nicht oder im Chaos enden würde. Deswegen herrschte auch am Neujahrsmorgen ein unerwarteter Erklärungsbedarf.
Heute, während draußen im Regen die Parteien schon wieder die Bürger mit Unschuldsvermutungen belästigen, sitze ich in unserem Bistro herum und bekämpfte mittels gesundheitsschädlicher Mengen Espresso die Eigen-Zensur aller Themen, die im Millennium enden.
Da stürzt unser örtlicher Gendefekt namens Helmut ganz aufgeregt ins Lokal und verfügt sich unmittelbar auf die kleine Bühne, auf der sonst, einmal wöchentlich, sich unser Kulturverein kostenlos produziert. »Hört her, ihr Leute«, und diese Anrede durch Helmut, der immerhin das unzureichende Genreservoir unserer bestandssichernden Gesellschaft repräsentiert, also dieser Helmut ruft: »Hört doch mal her, ich hab euch was zu sagen«
Was Edmund, unseren ewigen Schultheiß, zur Ausübung seiner amts-bedingten Autorität im Namen aller veranlasst: »Halts Maul!«
Helmut, der sonst aufs Wort pariert, lässt sich diesmal nicht beeindrucken, nimmt die Brille von schwerem Kassengestell zu dicken Bifokalgläsern ab, gewinnt überraschend an Profil und Aussehen und ruft: »Ich hab die Welt gerettet. Heut nacht. Und ganz alleine.«
Edmund versucht es noch mal friedlich: »Ach, sei doch ruhig.«
»Aber ich habs getan.«
»Du störst!«
»Die Welt gerettet!«
»Vollkommener Blödsinn!«
Erwartungsgemäß mischen sich an diesem Höhepunkt dieser jungen Geschichte intellektueller Auseinandersetzungen im Rahmen unserer örtlichen Abgeschiedenheit Lea, die professionell Gute, mittels eines Grundsätzlichen: »Auch er, gerade er, hat das Recht auf Redefreiheit« ein, gefolgt von dem geachteten Winkeladvokaten Bodo, welcher wie gewohnt seinen Einwurf gezielt auf unseren wunden Punkt bringt: »Laßt ihn endlich reden, dann haben wir es hinter uns.«
Edmund vollführt auf der Stelle eine seiner gewohnten Politikerhalsen: »Los, Helmut, zeig es uns.«
»Also«, beginnt Helmut: »Also«, beginnt er sogleich ein zweites Mal, nur um dann wirklich anzufangen: »Also, wie ich heute Nacht, gleich nachdem ihr mich mit meinen Raketen vom Marktplatz vertrieben hattet, hinten an der aufgelassenen Tongrube ankomme, also da habe ich, gibt ja keine Uhr dort, einfach angenommen, dass jetzt Zeit zum Schießen sei und dann habe ich...«, Helmut forscht in sich nach, was er denn wohl dann getan habe und kommt schließlich zu einem Ergebnis: »...geschossen.« Er blickt uns der Reihe nach an, wir nicken den Anfang seiner Geschichte freundlich und ermutigend ab, worauf Helmut, instandgesetzt, fortfährt: »Die erste Rakete kam ein wenig vom Kurs ab. Tut mir leid, das mit dem Grillplatz. Die zweite ging dann richtig und zerplatzte in viele bunte Kugeln, die meisten waren leider grün.«
»Komm zur Sache« hallt es aus dem schlecht ausgeleuchteten Hinter-grund, wo sich immer die Jugend trifft.
Helmut blickt kurzsichtig (die Brille hält immer noch in der Hand) in die richtige Richtung, kann aber nicht viel ausrichten und erzählt des-halb einfach schnell weiter: »Und dann hab ich die Welt gerettet«.
»Wie?«
»Na, halt gerettet«
»Aber wie?«
Bodo mischt sich ein: »Solange wir ihm nicht das Gegenteil beweisen können..« Und Lea fährt für ihn fort: »..hat er auch als Retter der Welt zu gelten.«
Helmut nickt heftig von der Bühne.
»Und wie sollen wir ihm das Gegenteil beweisen?«, zweifelt Edmund.
»Ich bin nur für die Form zuständig.«, Bodo zuckt wenig hilfsbereit mit den Achseln.
Hera, unsere kulturell mißverstandene Blondine, tönt aus der Jugend-Ecke: »Auf dieser verqueren Basis kann jeder Trottel irgendwelche Verdienste für sich ungerechtfertigt in Anspruch nehmen.« Und spricht damit einen für ihre Verhältnisse ungewöhnlich komplexen Satz.
»Also bin ich der Retter der Welt?«, fragt Helmut vom Podest.
»Von mir aus.«, stimmt Edmund missmutig zu: »Wen interessiert das schon?«
Helmut setzt seine Brille auf und nimmt damit wieder sein gewohntes Aussehen an, halt das des örtlichen Gendefekts.
Dankbar für das zeilenfüllende, meine Einfallslosigkeit beendende Geschehen hebe ich die Hand: »Alfred, eine Runde für alle. Aber mit Inhalt. Manchmal kann man auf den nämlich nicht verzichten.«
Unser Bistro hallt von unserem kollektiven Gelächter.
Jemand ruft »Mann, bin ich froh, dass ich hier sein darf!« und wir alle stimmen diesem unbekannten Jemand still zu.
crossfire
Bei den Personen handelt es sich um Menschen, die damals im Gespräch waren. So steht Helmut für Helmut Kohl, Alfred für Alfred Biolek und so weiter.
Stell mal die erste Satire hier rein. Hat einen so schönen Bezug zu den grassierenden Prophezeiungen.
Anfang
1. Januar
Klar war uns prophezeit worden, dass das alte Jahrtausend überhaupt nicht oder im Chaos enden würde. Deswegen herrschte auch am Neujahrsmorgen ein unerwarteter Erklärungsbedarf.
Heute, während draußen im Regen die Parteien schon wieder die Bürger mit Unschuldsvermutungen belästigen, sitze ich in unserem Bistro herum und bekämpfte mittels gesundheitsschädlicher Mengen Espresso die Eigen-Zensur aller Themen, die im Millennium enden.
Da stürzt unser örtlicher Gendefekt namens Helmut ganz aufgeregt ins Lokal und verfügt sich unmittelbar auf die kleine Bühne, auf der sonst, einmal wöchentlich, sich unser Kulturverein kostenlos produziert. »Hört her, ihr Leute«, und diese Anrede durch Helmut, der immerhin das unzureichende Genreservoir unserer bestandssichernden Gesellschaft repräsentiert, also dieser Helmut ruft: »Hört doch mal her, ich hab euch was zu sagen«
Was Edmund, unseren ewigen Schultheiß, zur Ausübung seiner amts-bedingten Autorität im Namen aller veranlasst: »Halts Maul!«
Helmut, der sonst aufs Wort pariert, lässt sich diesmal nicht beeindrucken, nimmt die Brille von schwerem Kassengestell zu dicken Bifokalgläsern ab, gewinnt überraschend an Profil und Aussehen und ruft: »Ich hab die Welt gerettet. Heut nacht. Und ganz alleine.«
Edmund versucht es noch mal friedlich: »Ach, sei doch ruhig.«
»Aber ich habs getan.«
»Du störst!«
»Die Welt gerettet!«
»Vollkommener Blödsinn!«
Erwartungsgemäß mischen sich an diesem Höhepunkt dieser jungen Geschichte intellektueller Auseinandersetzungen im Rahmen unserer örtlichen Abgeschiedenheit Lea, die professionell Gute, mittels eines Grundsätzlichen: »Auch er, gerade er, hat das Recht auf Redefreiheit« ein, gefolgt von dem geachteten Winkeladvokaten Bodo, welcher wie gewohnt seinen Einwurf gezielt auf unseren wunden Punkt bringt: »Laßt ihn endlich reden, dann haben wir es hinter uns.«
Edmund vollführt auf der Stelle eine seiner gewohnten Politikerhalsen: »Los, Helmut, zeig es uns.«
»Also«, beginnt Helmut: »Also«, beginnt er sogleich ein zweites Mal, nur um dann wirklich anzufangen: »Also, wie ich heute Nacht, gleich nachdem ihr mich mit meinen Raketen vom Marktplatz vertrieben hattet, hinten an der aufgelassenen Tongrube ankomme, also da habe ich, gibt ja keine Uhr dort, einfach angenommen, dass jetzt Zeit zum Schießen sei und dann habe ich...«, Helmut forscht in sich nach, was er denn wohl dann getan habe und kommt schließlich zu einem Ergebnis: »...geschossen.« Er blickt uns der Reihe nach an, wir nicken den Anfang seiner Geschichte freundlich und ermutigend ab, worauf Helmut, instandgesetzt, fortfährt: »Die erste Rakete kam ein wenig vom Kurs ab. Tut mir leid, das mit dem Grillplatz. Die zweite ging dann richtig und zerplatzte in viele bunte Kugeln, die meisten waren leider grün.«
»Komm zur Sache« hallt es aus dem schlecht ausgeleuchteten Hinter-grund, wo sich immer die Jugend trifft.
Helmut blickt kurzsichtig (die Brille hält immer noch in der Hand) in die richtige Richtung, kann aber nicht viel ausrichten und erzählt des-halb einfach schnell weiter: »Und dann hab ich die Welt gerettet«.
»Wie?«
»Na, halt gerettet«
»Aber wie?«
Bodo mischt sich ein: »Solange wir ihm nicht das Gegenteil beweisen können..« Und Lea fährt für ihn fort: »..hat er auch als Retter der Welt zu gelten.«
Helmut nickt heftig von der Bühne.
»Und wie sollen wir ihm das Gegenteil beweisen?«, zweifelt Edmund.
»Ich bin nur für die Form zuständig.«, Bodo zuckt wenig hilfsbereit mit den Achseln.
Hera, unsere kulturell mißverstandene Blondine, tönt aus der Jugend-Ecke: »Auf dieser verqueren Basis kann jeder Trottel irgendwelche Verdienste für sich ungerechtfertigt in Anspruch nehmen.« Und spricht damit einen für ihre Verhältnisse ungewöhnlich komplexen Satz.
»Also bin ich der Retter der Welt?«, fragt Helmut vom Podest.
»Von mir aus.«, stimmt Edmund missmutig zu: »Wen interessiert das schon?«
Helmut setzt seine Brille auf und nimmt damit wieder sein gewohntes Aussehen an, halt das des örtlichen Gendefekts.
Dankbar für das zeilenfüllende, meine Einfallslosigkeit beendende Geschehen hebe ich die Hand: »Alfred, eine Runde für alle. Aber mit Inhalt. Manchmal kann man auf den nämlich nicht verzichten.«
Unser Bistro hallt von unserem kollektiven Gelächter.
Jemand ruft »Mann, bin ich froh, dass ich hier sein darf!« und wir alle stimmen diesem unbekannten Jemand still zu.
crossfire