Diese frage interessiert mich auch.
Ich habe diese aussage auch schon gehört, sie ist mir aber nicht wirklich klar. Inwieweit ist das immunsystem bei einem tumor involviert? Anerkennt es körpereigene zellen denn als feinde, die es zu bekämpfen gilt, zumal krebs i.d.r. noch nicht einmal mit einer entzündlichen reaktion einhergeht, die der immunabwehr als 'alarmsignal' dienen könnte.
So kann das immunsystem einerseits übers ziel hinausschiessen - was dann bei autoimmunkrankheiten und auch allergien sichtbar wird, wo auch gesundes gewebe involviert wird - aber offensichtlich auch beginnende entartungen erkennen und stoppen. Ich nehme mal an, dass entartete zellen, bzw. zellgruppen allenfalls chemische botenstoffe abgeben, die sie 'auffliegen' lassen...?
Kann mir jemand den zusammenhang zwischen immunabwehr und dem zerfall eines tumors erklären?
Gute nacht
Also, da muss man unterscheiden zwischen richtigem
Tumor und einfachen
entarteten Zellen.
In erster Linie ist es so, dass täglich Milliarden DNA-Schäden in unserem Körper entstehen - etwa 10.000 pro Zelle pro Tag. Das passiert zumeist dadurch, dass die menschliche Körperwärme allein schon ausreicht (meist in Kombinationen mit anderen Umgebungsfaktoren), um spontane chemische Reaktionen an einzelnen Nukleotiden (den "Bausteinen" der DNA) zu erzeugen. Das bedeutet, dass sich z.B. eine Aminogruppe vom Nukleotid abspaltet oder sonstige chemische Bindungen aufgebrochen werden. Zusätzlich zu diesen 10.000 Schäden kommen noch weitere Millionen, die durch außen zugeführte Stoffe passieren - etwa Zigarettenrauch, Umweltgifte, Abgase, Viren, Strahlen, etc. Der absolute Großteil dieser Genfehler hat überhaupt keine Relevanz für unser Leben - die meisten kann unser Körper nämlich selbst blitzschnell wieder reparieren - dazu schüttet er spezielle Proteine in der Zelle aus, die die Fehler dann beheben und damit war's das.
Jetzt gibt es aber ein paar spezielle Genfehler, die der Körper nicht ausbügelt - dann spricht man von einer Mutation. Eine Mutation kann weitervererbt werden an die nächste Zelle, das unterscheidet sie vom einfachen "DNA-Schaden" den ich oben beschrieben habe, die existiert nämlich nur zu kurz, als dass sie sich weitervererben ließe.
Von diesen Mutationen.
Von diesen Mutationen sind wiederum mehr als 99% völlig irrelevant - der absolute Großteil sind "stille" Mutationen, die keine praktischen Veränderungen hervorrufen (ein Großteil unserer DNA codiert keine konkreten Aminosäuren o.ä., damit ist eine Mutation an solchen Orten folgenlos) und für die Zelle sowie für uns egal sind, oder es handelt sich um Mutationen, die die Zelle lebensunfähig machen - dann stirbt die Zelle, uns ist das aber natürlich wurscht, weil es kommt eine neue. Es kann auch sein, dass eine positive Mutation entsteht, so funktioniert ja auch die Evolution.
Jetzt bleibt nur noch ein Fall - die Mutation ist negativ, aber sie führt nicht dazu, dass die Zelle stirbt. Das passiert in weniger als 1% der Mutationen. Jetzt kommen wir der Sache schon näher.
Bei solchen mutierten Zellen gibt es natürlich wieder einen Haufen, die nix mit Krebs zu tun haben - die codieren dann irgendwie falsche Aminosäuren oder machen sonstwie ihren Job nicht gut. Hier greift übrigens schon das Immunsystem ein; es ist darauf programmiert, entartete Zellen zu erkennen und zu vernichten.
Damit eine mutierte Zelle zu Krebs werden kann, müssen die natürlichen Schaltstellen für Zelltod bzw. Zellteilung ausgeschaltet bzw. außer Kontrolle geraten. Nach derzeitiger Lehrmeinung sind dafür
mindestens 6 verschiedene Mutationen in einer einzigen Zelle notwendig, weil es sehr viele solche wachstumsregulierenden Gene gibt, und weil mehrere davon befallen sein müssen, damit die Sache gefährlich wird.
Und jetzt wird's interessant: wir haben jetzt eine einzige Zelle, die ist so mutiert, dass sie zum Krebs werden könnte. Wichtig ist zu verstehen, was ein Tumor ist: Von einem Tumor spricht man erst bei einem Zell
haufen solcher Zellen, also wenn sich die Zelle schon einige Male geteilt hat.
Also, unsere Krebszelle muss jetzt erstmal unser Immunsystem überleben. Das ist gar nicht so einfach.
In erster Linie muss sie der Eliminierung entgehen - wie oben schon gesagt, unser Immunsystem erkennt Tumorzellen und kann es vernichten. Der Haken an der Sache ist, dass unser Immunsystem nicht besonder gut darin ist: Es kann ja nur auf Dinge reagieren, die ihm schon als Gefahr bekannt sind (deswegen sind auch Impfungen so wichtig - da bringt man dem Körper bei, auf was er reagieren soll, damit ers nacher kann). Klar ist, dass der Körper nicht sehr gut darin ist, solche Zellen ausfindig zu machen - wäre er das nämlich, wäre die Wahrscheinlichkeit höher, dass er auch bei "normalen" Zellen öfters mal ausschlägt und das möchte man doch eher vermeiden.
Es gibt Krebszellen, die überleben die Elimination und bilden kleine Tumore - allerdings werden sie vom Immunsystem immer noch erkannt. In vielen Fällen ist es also so, dass diese kleinen Tumore zwar resistent genug sind, um nicht ausgelöscht zu werden, das Immunsystem auf der anderen Seite gut genug, um die Tumore am wachsen zu halten. diese Tumore sind auch kein Problem. Sie werden dann zum Problem, wenn sie nochmals mutieren und so dem Immunsystem überlegen werden. Dann können sie wachsen, und dann wird aus ihnen Krebs.
Das heißt: Die Aussage stimmt.
Interessanter Fakt dazu: Es gab eine Studie, in der zwei Gruppen von Frauen entweder regelmäßig auf Brustkrebs untersucht wurden oder eben nicht. Es zeigte sich, dass die Frauen, die regelmäßig untersucht wurden, etwa 22% (glaub ich) öfter mit Brustkrebs diagnostiziert wurden. Das ist interessant, denn die Untersuchung auf Brustkrebs löst ja keinen Krebs aus. Die Erklärung: In unserem Körper entsteht öfter Krebs, als uns bewusst ist, und sehr oft wird der Körper von allein wieder damit fertig.
Kurz zusammengefasst:
- Täglich passieren Milliarden von Genschädigungen in unserem Körper, manche durch interne Ursachen, manche durch externe.
- Der allergrößte Teil dieser Schäden wird sofort wieder repariert.
- Die Schäden, die nicht repariert werden und weitervererbt werden können, nennt man Mutationen.
- Von den Mutationen sind der Großteil entweder still (haben keine Auswirkung) oder führen zum Tod der Zelle, ein ganz kleiner Teil ist sogar positiv.
- Ein anderer ganz kleiner Teil (<1%) ist hingegen schädlich.
- Von diesem ganz kleiner Teil gibt es wiederum einen noch viel kleineren Teil, bei dem mehrere ganz spezielle Mutationen hintereinander auftreten, sodass sich die Zelle immer weitervermehrt. Da ist dann eine entartete Zelle, die zu einem Tumor werden kann.
- Gegen diese mutierten Zellen geht der Körper im Rahmen der Immunabwehr nach. Dort, wo er das nicht oder nicht gut genug schafft, entsteht ein Tumor. Der Tumor kann aber von selbst wieder verschwinden oder dauerhaft "in Schach" gehalten werden. Nur ein Tumor, der dem Immunsystem überlegen ist, wird dann zur Lebensgefahr.
Joey's Aussage war also richtig. Hoffe das war verständlich.
tbg