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Hi beatreak,


Ok, ja, verstehe was du meinst. In der Regel entstehen solche unguten Dynamiken und Konflikte immer dann, wenn man als Elternteil Lebensbereiche kontrollieren will, die das Kind schon längst selbst über haben könnte. Das Wesen von Kindern ist, dass sie wachsen und selbständig sein und werden wollen. Wenn ein oder beiden Elternteile nicht loslassen und das Kind nicht selbständig werden lassen, dann fühlt sich das für das Kind an, wie eine ständige Bevormundung. Und das ist natürlich ein sehr frustrierender Zustand. Mein Rat wäre also, dem Nachwuchs bestimmte Lebensbereiche ganz bewusst zu übertragen, damit es lernt, die Verantwortung dafür zu übernehmen.


Der springende Punkt ist aber, dass man dem Kind dafür auch etwas zutrauen muss. Man muss ihm das Vertrauen entgegenbringen, dass es diese Dinge auch tatsächlich bewältigen kann. DAS ist, was Kinder motiviert, auch unliebsame Dinge zu tun. Weil sie sich dadurch groß und ernstgenommen fühlen. Nichts hassen heranwachsende Kinder und Jugendliche so sehr, wie als Baby behandelt zu werden, über das ständig bestimmt wird. Das ist ja auch wirklich entwürdigend.


Ich kenne solche Konflikte von uns zu Hause gut. Aber ich habe im Laufe der Jahre gelernt, dass immer wenn eine Thematik belastend wurde, permanent nur noch darüber gestritten wurde, dann war es für mich als Mutter wieder Zeit, ein Stück weit loszulassen. Wir hatten das z.B. mit dem Thema Zähneputzen, da war mein Kind ca. 8 oder 9. Jeden Abend der selbe Frust, der selbe Kampf. Ich forderte täglich 100 mal auf, dass es endlich Zeit wäre zum Zähneputzen, aber nichts passierte -bis wir wieder gestritten haben und das Klima immer giftiger wurde. Ich hab dann irgendwann beschlossen, dass es mir reicht. Hab meinen Fortpflanz zu mir geholt und gesagt: "ich habe dir in deinem Leben mindestens 5000 Mal gesagt, dass du deine Zähneputzen musst. Ich denke, die Botschaft ist angekommen. Es sind deine Zähne, du willst nicht, dass sie verfaulen, und ich denke, du bist jetzt alt genug, dass du selbst darauf aufpasst. Ich vertraue dir, das du das kannst und tust. Ab jetzt bist du selbst dafür verantwortlich. Ich werde dich nie wieder daran erinnern, du bist dafür jetzt selbst zuständig." Und ich schwöre dir: so war es dann auch. Die Situation hat sich entspannt, mein Kind übernahm es selbst, ich musste nie wieder etwas sagen. Die Zähne werden jeden Abend mit vollkommener Selbstverständlichkeit geputzt.

Dieselbe Situation hatten wir mit Anziehen und fertigmachen für die Schule, fürs pünktlich sein, fürs Schlafengehen am Abend und später auch fürs Aufstehen am Morgen.


Seither mache ich das immer so. Immer, wenn sich Konflikte zwischen uns auftun, dann überleg ich mir: wo gängle ich zu viel? Wo mische ich mich in die Autonomie von X. ein, wo ich schon längst die Verantwortung übergeben sollte. Dann bespreche ich das, und meist gibt es dann bei meinem Kind große Erleichterung, weil da jemand ist, der erkennt, wo es hakt, und ihr Bedürfnis nach Autonomie erfüllt.


Kinder WOLLEN groß und selbständig werden. Aber wie gesagt, dafür muss man ihnen auch was zutrauen - und loslassen. Wenn sie spüren, dass man das tut, dann sind sie unglaublich lieb und kooperativ. :) Immer nur Kooperation und Mithelfen einfordern, ohne auch die Verantwortung zu übergeben, das funktioniert hingegen nicht und produziert verständlicher Weise Widerstand.


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