Sie gingen schweigend nebeneinander her. Jeder war in seine eigenen Gedanken vertieft.
Wir kennen uns viele Jahre, dachte Wilhelm, eigentlich unser ganzes Leben. Es war in den letzten Jahren auf dem Gymnasium, da begann Johannes sich zu verändern. Nach außen blieb er der gleiche Spaßvogel der Klasse, aber als guter Beobachter entging mir seine Wandlung nicht. Wenn Johannes sich unbeobachtet wähnte, bemerkte ich diesen ernsten, fragenden Ausdruck in seinen Augen. Die Maske des Clowns behielt er glaube ich wie zum Schutz bei, um die Wahrheit, seine Wahrheit, die ihm heilig schien, vor den Anderen zu verbergen.
Ich dachte manchmal daran, ob ich ihn fragen soll, ich erwog es mehrere Male, doch letztendlich entschied ich mich zu schweigen.
Ich will einfach die Dinge um mich herum verstehen, überlegte Wilhelm. Auch die verborgenen und bin ein guter Beobachter, aber Neugierde war mir immer schon fremd, ich glaube, die Menschen werden einem ganz von allein ihre Geheimnisse mitteilen, wenn die Zeit reif dafür ist.
Die Jahre vergingen, Johannes verlies unser kleines Städtchen und zog nach Wien. Ich erinnere mich als sei es heute, wie er mir zum Abschied aus der Kutsche zuwinkte.
Wir haben uns viele Jahre nicht gesehen. Es kam dann und wann ein Brief, er schrieb es ginge ihm gut und das Studium der Medizin mache gebührende Fortschritte, Wien sei eine bereichernde Stadt. In einem anderen Brief berichtete er über Unruhen, Fürst Metternich sei geflohen. Er habe aber wertvolle Freundschaften geschlossen, darunter ein junger Mann aus Prag, der ihn eingeladen habe noch einige Zeit mit ihm zu verbringen. Und so lieber Wilhelm, schrieb er, ziehe ich nach Prag, der Stadt der Mystiker und Alchemisten.
Wilhelm dachte daran, wie sein Vater krank wurde und bald darauf starb, während er hinter Johannes herging, stetig bergauf durch dichten Eichenwald.
Ihm fröstelte, aber Johannes drehte sich nicht nach ihm um. Er hatte um Schweigen gebeten, um wie er es nannte, die Magie nicht zu zerstören.
Schweigend gingen sie weiter, in immer tieferen Wald hinein. Seine Gedanken kehrten zu seinem verstorbenen Vater zurück. Er Wilhelm übernahm die Apotheke des Vaters und heiratete Sophie.
Meine Gattin Sophie nahm mein Herz ganz in Besitz und schenkte mir vier Kinder. Ich habe allen Grund um glücklich zu sein, wäre da nicht eine unbekannte Sehnsucht in meiner Brust...
Dann, nach Jahren kam Johannes heim, er war verändert. Inzwischen ein gestandener Mediziner, machte er seine Arztpraxis auf und begann seine Arbeit mit sicherem Können.
Die Menschen in unserem Städtchen achteten ihn und haben zu seinen Fähigkeiten Vertrauen.
Wie es aber nun einmal so ist, wird über ihn getuschelt, er sei ein komischer Kauz, habe merkwürdige Verhaltensweisen und auch, dass er mit vierzig immer noch nicht verheiratet sei.
Im obersten Stock seines Hauses, brenne nachts das Licht in einem Fenster bis in die frühen Morgenstunden und das in einem Raum, den nicht einmal seine Haushälterin betreten dürfe.
Plötzlich flog eine Eule mit lautem Flügelschlag hoch, rief ihren kehligen Schrei in die Nacht hinein und schreckte ihn aus seinen Gedanken.
Was für eine Nacht, dachte er schaudernd. Er fragte sich, warum er überhaupt mit seinem Freund mitkam, war es Neugierde oder war es seine Bitte?
Ach, ich glaube es ist beides, fand Wilhelm. Die Zeit ist reif endlich hinter das Geheimnis von Johannes zu kommen.
Text von Karuna