Ich habe in einem einzigen Satz von dir > 5 Unstimmigkeiten finden können. Und dieser Satz beinhaltet deine zentrale These. Du brauchst nicht "irgendwie" zu argumentieren, sondern nur auf eine Weise, dass deine Argumentationskette geschlossen ist. Das sehe ich aber nicht. Und du wiederholst dauernd die genau gleichen Argumente, einfach nur in andern Worten. Du bringst nie etwas neues, das deine Thesen stützt. Nur noch ein Beispiel und noch eins von irgendeinem Yogi, den du auslegst, wie du willst. Ich, beispielsweise, lege sehr viele deiner Texte ziemlich anders aus, als du es tust.Lotusz schrieb:Ich habe das Gefühl, ich könnte argumentieren, wie ich wollte, Du würdest es wahrscheinlich nicht akzeptieren. Darum übergebe ich dir gerne selber die Verantwortung.
Um mal etwas wirklich konstruktives in der Sache zu bringen, folgt hier mal ansatzweise eine Argumentationskette, die in meinen Augen einigermassen in sich stimmig ist, und auch mit deiner Idee der sexuellen Enthaltsamkeit einigermassen übereinstimmt:
1. Der Mensch identifiziert sich sehr stark mit der Sexualität, wie er sich grundsätzlich sowieso sehr stark mit sämtlichen körpernahen Seiten identifiziert, beispielsweise Schlafbedürfnis, Hunger und Durst usw.
2. Erleuchtung beinhaltet die weitgehende Entidentifizierung mit möglichst vielen Seiten der Persönlichkeit. Dazu gehört unter anderem auch die Sexualität, aber längst nicht als einziges. Es gehören beispielsweise auch dazu: Entidentifizierung mit Emotionen (Wut, Angst, Freude ua.), Entidentifizierung mit dem eigenen Verstand, Entidentifizierung mit dem Körper usw. Entidentifizierung heisst hier: Transzendenz, also das sich Lösen einer ausschliesslichen Identifzierung mit einer Sache. Danach kann wahlweise die frühere Position zu einem gewissen Grade freiwillig eingenommen, aber auch wieder verlassen werden, was vorher noch nicht der Fall war.
3. Erleuchtung kann in einer dynamischen, die Zeit voraussetzende Betrachtungsweise als der Vorgang ebendieser Entidentifizierung verstanden werden.
4. In diesem Vorgang der Entidentifizierung durchläuft der Mensch verschiedene Stadien oder Stufen. Das geschieht aber nicht einfach linear, dieses Modell ist völlig ungenügend für eine halbwegs vernünftige Erklärung. Es gibt mehrere Entwicklungslinien, auf welchen ein Mensch seine Entidentifizierung zu einem gewissen Grade gemeistert haben kann. Der theoretische Gesamtdurchschnitt entspräche dann quasi dem "Gesamtfortschritt" einer Person, wenn wir unbedingt ein solches Kriterium einführen wollen. Sexualität ist nur eine einzige dieser Entwicklungslinien, es gibt unzählige andere, beispielsweise das Selbstbild, räumlich-logisches Denken, sprachliche Ausdrucksfähigkeit, Gottesvorstellungen uva.
5. Die Entwicklungslinie der Sexualität durchläuft ungefähr folgende Phasen.
Ok. Ein Erleuchter hat also - im statistischen Schnitt, das ist keine zwingende Eigenschaft!!! - bereits die ersten beiden Stufen transzendiert und befindet sich bezüglich seiner Sexualität in der 3. Stufe. Das ist noch immer ein sehr grobes Modell der Sexualität, aber belassen wir es für's erste einmal dabei.http://www.ak-kenwilber.org/index_kenwilber_cms.html schrieb:--> "kurzgefasst" --> Sex in 3 Körpern
Im grobstofflichen Körper geht es also im Wesentlichen nur um Sex für mich. Ich möchte loslegen, ich möchte meine Erregung, du bist einfach nur da, es spielt eigentlich keine Rolle, wer du bist, so lange du mitmachst oder zumindest keinen Widerstand leistest und nicht die Polizei rufst. Es ist eine selbstbezogene Haltung in der sexuellen Beziehung, [lacht] und jeder geht von Zeit zu Zeit da hinein - es ist eine Frage des Bewusstseinsschwerpunktes und es ist eben so, wie es ist.
Im subtilen Körper bewegst du dich bereits in eine Energie hinein, welche über dich hinausreicht und andere Wesen umfängt. Es ist in etwa das Äquivalent zu Gilligans zweiter Welle der Fürsorge: Sex ist nun eine beziehungsorientierte Aktivität. Du nimmst Anteil an deinem Partner, dein Partner erwidert das, du fühlst, dass du liebst, es ist nicht diese grobstoffliche, physische rein-raus Angelegenheit, es ist eine subtile, fühlende Beziehung. Wir beziehen uns auf einen anderen Menschen, als einen bewussten, fühlenden Menschen, und das ist bereits eine andere Erfahrung du kannst beides tun. Worum es bei all diesen höheren Zuständen und Stufen geht, ist, dass sie die Junioren transzendieren und umfassen idealerweise geht es darum, mit allen drei Körper zu lieben. [ironisch] Ich bin auf der Suche nach einer Nutte, die so was kann, aber das ist eine andere Geschichte, das möchte ich hier nicht erzählen..
ST: Würde Gilligan diese Entwicklung auch so sehen? [beide lachen]
KW: Es gibt also eine Menge beziehungsorientierten Yoga, welcher den subtilen Körper mit einbezieht, ebenso Sex. Viele der tantrischen Traditionen arbeiten damit, sie setzen dazu einen entsprechend geschulten Partner ein, und bringen subtile Energien und subtile Gefühle im Sexualakt zur Anwendung, unter Einbeziehen einiger der höheren Dimensionen und Bereiche. Wir könnten auch darüber sprechen. Aber das ist es, was Sex im subtilen Körper bedeutet es kann auch dem Normalbürger passieren, wenn er/sie sich in einer sexuellen Beziehungssituation befindet.
Kausal oder universell - der dritte Zustand bedeutet: Viele Menschen hatten sexuelle Erfahrungen, bei denen sie plötzlich nicht mehr sie selbst und auch nicht in Beziehung mit ihrem Partner waren. Sie waren eins mit allem, in kleinste Teilchen explodiert, aus ihrem Körper-Geist [bodymind] herausgeschleudert, in diese unendlichen, gewaltigen Bewusstheitszustände von Wahrnehmung, Wonne und Liebe - und dies ähnelt sehr dem Kausalen oder Selbst, oder der Einheit mit allen Erscheinungen. Und das bedeutet es, im kausalen Körper zu lieben - der kausale Körper dehnt sich über alle Manifestation hinaus. Es ist eine subtile Energie, eine sehr subtile Energie, die sich ausdehnt, und auch dafür gibt es Praktiken, welche man ausüben kann, einschließlich spiritueller, tantrischer, religiöser Praktiken.
6. Auf dieser Ebene hat die Sexualität die frühere, noch extrem stark körperbetonte Komponente weitgehend verloren. Wenn solche Leute Sex haben, dann werden sie es sehr anders empfinden, als die meisten Menschen (inkl. ich). Vermutlich werden hier viele Erleuchtete kaum oder gar kein Bedürfnis nach direkter körperlicher Stimulation empfinden. Das würde die weitgehende sexuelle Enthaltsamkeit erklären.
7. Dieser geschilderte Vorgang ist noch immer sehr ungenau und unpräzise. Beispielsweise ist darin nicht gezeigt, welche Rolle die Körperenergie (z.B. Kundalini/Prana-Energie) spielen. Folgt man konsequent dem Modell, dann ist die Entwicklung der Körperenergien ebenfalls eine Entidentifizierung und der Yogi lernt zunehmend, diese Energien bewusst zu kontrollieren, zuerst die grobstofflichen, dann die feinstofflichen, schliesslich die subtilen. Auch hier haben wir somit eine Art dreistufige Entwicklung oder Transzendenz. Von der Entwicklungslinie der Körperenergien kann aber nicht mit zwingender Sicherheit auf die Entwicklungslinie der Sexualität geschlossen werden oder umgekehrt! Genauso kann aus diesen beiden keine andere Entwicklungslinie (Selbstbild, Gottesvorstellung, sprachliche Fähigkeiten, räumlich-logisches Denken usw.) geschlossen werden!
8. Dennoch wird vermutlich der Grossteil der Yogis die Entwicklung der Sexualität gleichzeitig mit der Enwicklung der Körperenergien durchlaufen und sich in beiden Linien ungefähr auf derselben Ebene befinden. Es ist nun mal einfach schwierig, höchst subtile Körperenergien zu beherrschen und gleichzeitig eine mechanische Reinraus-Sexualität zu betreiben. Wer erst einmal die sehr subtilen Körperenergien beherrscht, den befriedigt eine solche Reinraus-Sexualität einfach nicht wirklicht.
Ok, das war jetzt nur ein Versuch, ein einfaches Modell zu zeichnen, das die Sachlage halbwegs in sich geschlossen erklärt. Mir ist auch klar, dass ich hier ganz viele Dinge einfach übergehen musste und nicht angeschnitten habe.
Und du siehst, das Modell steht überhaupt nicht im Widerspruch zur weitgehenden Enthaltsamkeit deiner genannten Yogis, aber es steht im Widerspruch zu der von dir vertretenen These, sexuelle Enthaltsamkeit sei quasi die wahre Voraussetzung auf Erleuchtung.